Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

Titel III. Innere Einrichtung der Volksschulen. 8 24. 115 
Mit Rücksicht auf örtliche Verhältnisse kann durch den Gemeinderat be- 
schlossen werden, daß dieser Unterricht während des Sommerhalbjahres aus- 
gesetzt werde. In diesem Falle erstreckt sich, wenn nicht die höhere Behörde 
eine Ansnahme bewilligt, die regelmäßige Verpflichtung zum Besuche des- 
selben auf die fünf letzten Jahrgänge. 
Auf Verlangen der Eltern oder Pfleger erteilt der Kreisschulrat Nach- 
sicht, wenn er die Uberzeugung erlangt, daß die Kinder in denselben Fer- 
tigkeiten sonst genügend unterrichtet werden. 
Wenn in einer Gemeinde mehrere Volksschulen bestehen, wird durch 
den Gemeinderat bestimmt, ob der Unterricht in weiblichen Arbeiten in jeder 
derselben besonders, oder für alle Schülerinnen gemeinsam erteilt werden soll. 
  
1. Vollzugsbestimmungen: Verordnung des Oberschulrats vom 3. März 
1894, die Erteilung des Unterrichts in weiblichen Handarbeiten an Volksschulen be- 
treffend (Abschnitt VII, 3 dieser Schrift). 
2. Nach § 28 des Gesetzes vom 8. März 1868 waren zur Teilnahme an dem 
Unterricht in weiblichen Handarbeiten, wo dieser während des ganzen Jahres er- 
teilt wurde, die Mädchen nur der drei letzten Jahrgänge, bei Aussetzung des Unter- 
richts während des Sommerhalbjahres aber die Mädchen der vier letzten Jahr- 
gänge verpflichtet. Die Ausdehnung dieser Verpflichtung auf die vier, be- 
ziehungsweise fünf letzten Jahrgänge sollte den in weiten Kreisen hervorgetretenen 
und von der Schulverwaltung als durchaus berechtigt anerkannten Bestrebungen nach 
einer eingehenderen und gründlicheren Ausbildung unserer weiblichen Jugend in den 
für das häusliche Leben unbedingt erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten Rech- 
nung tragen. Die Gesetzesänderung hat für kleinere Gemeinden eine finanzielle Mehr- 
belastung nicht zur Folge, weil bei Schulen mit nur einem Lehrer ein um ein 
Jahr früherer Beginn des Arbeitsunterrichts weder eine Vermehrung der Zahl der 
zu erteilenden Unterrichtsstunden noch die Bereitstellung weiterer Lokale nötig macht. 
Die Ubertragung der Dispensationsbefugnis von dem Gemeinderat auf den 
Kreisschulrat soll eine einheitlichere und genauere Durchführung der gesetzlichen Vor- 
schriften gewährleisten. 
Die Kommission der II. Kammer hat in ihrem Berichte den Wunsch nieder- 
gelegt, „daß die vermehrte Zeit vor allem den praktischen Arbeiten, wie Stopfen, 
Flicken und Ausbessern sowie der Ubung im selbständigen Anfertigen von einfachen 
Hemden und sonstigen Bekleidungsgegenständen“ zugute komme. 
Ständ. Verhdlgen., 1891/92, II. Kammer, Beilagenheft IV, S. 103 und S. 519. 
3. Wo während des Sommerhalbjahres der Unterricht in weiblichen 
Arbeiten ausgesetzt wird, ist derselbe sofort nach Ablaus des Sommerhalbjahres also 
mit Beginn der Winterschule — nicht erst im November — wieder aufzunehmen. 
O. Sch.N., 30. Oktober 1896 Nr. 19 973. 
4. Der Unterricht in weiblichen Arbeiten ist Pflichtgegenstand für sämt- 
liche Mädchen, auch für diejenigen, welche wegen Besuchs einer anderen Lehranstalt 
vom Volksschulbesuch hinsichtlich der übrigen Lehrgegenstände befreit sind. Mädchen, 
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