Metadata: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 60 Die Rechtsgrundlagen des Herrenhauses. 391 
die ständische Verfassung anklingend abgelehnt. Es ist aber seitdem, 
ohne daß eine gesetzliche Bestimmung in dieser Beziehung ergangen 
wäre, für die preußische Volksvertretung die Bezeichnung „Landtag“ 
üblich geworden und hat auch in die Gesetzessprache Aufnahme gefunden. 
§ 60. Die Rechtsgrundlagen des Herrenhauses. 
Nach der oktroyierten Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848, 
Art. 62 und 63 sollte in Uebereinstimmung mit den Wünschen der 
Nationalversammlung die erste Kammer aus 180 Mitgliedern bestehen 
und durch Wahl gebildet werden. Wahlberechtigt waren die Provin- 
zial-, Bezirks= und Kreisvertreter, welche nach näherer Bestimmung 
des Wahlgesetzes die Wahlkörper bildeten und die nach der Bevölkerung 
auf die Wahlbezirke fallende Zahl der Abgeordneten zur ersten Kammer 
wählten. Die hier in Aussicht genommene Zusammensetzung der ersten 
Kammer hatte jedoch zur Voraussetzung, daß die nach Art. 104 der 
Verfassungsurkunde geplante Neubildung der Provinzial-, Bezirks-- und 
Kreisvertretungen zustande kam. Bis diese Voraussetzung erfüllt sein 
würde, wurde durch ein am 6. Dezember 1848 ergehendes vorläufiges 
Wahlgesetz für die erste Kammert) Vorsorge getroffen. Auch nach 
diesem Gesetze war die erste Kammer eine Wahlkammer. Urwähler 
war jeder Preuße, der das 30. Lebensjahr vollendet hatte, jährlich 
mindestens 8 Taler Klassensteuer zahlte oder einen Grundbesitz im 
Werte von 5000 Talern oder ein Jahreseinkommen von 500 Talern 
nachwies. Je 100 Urwähler wählten einen Wahlmann, die Wahl- 
männer nach Bezirken zwei oder drei Abgeordnete zur ersten Kammer. 
Wählbar zum Abgeordneten war jeder Preuße, der das 40. Lebens- 
jahr vollendet hatte und bereits fünf Jahre dem preußischen Staats- 
verbande angehörte. Ueber die Dauer der Wahlperiode enthielt das 
Gesetz als ein bloß intermistisches nichts. Nach diesem Gesetze ist je- 
doch nur einmal eine Wahl erfolgt und zwar für die zur Revision 
der oktroyierten Verfassungsurkunde berufene Kammer. 
Bei der Revision beabsichtigten die Kammern die Bildung der 
ersten Kammer einem besonderen Verfassungsgesetze vorzubehalten. 
Auf Grund der in der königlichen Botschaft vom 7. Januar 1850 
enthaltenen Proposition VIII kam jedoch eine anderweite Fassung 
— — 
1) G.-S. 1848, S. 395.
	        
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