Dritter Abschnitt. 1862—1868. 31
Ueber das Ergebnis der desfallsigen Beratungen erstattete der Direktor
des Oberschulrats (Dr. Karl Knies) unterm 5. Mai 1863 an den Präsi-
denten des Ministeriums des Innern einen schriftlichen Vortrag, welchem in
44 Artikeln (Thesen) Vorschläge über die der Reform des Volksschulwesens
zugrunde zu legenden Hauptbestimmungen beigefügt waren. Diese Artikel
(Thesen), welche nebst dem Vortrag vom 5. Mai 1863 gedruckt und ver-
öffentlicht wurden, waren dazu bestimmt, als Leitfaden für eine nochmalige,
unter Zuziehung von Beiräten aus der Zahl der Lehrer des Landes (6 5
der Verordnung vom 12. August 1862) vorzunehmende Beratung zu
dienen; dieselbe fand zu Karlsruhe am 22. Juli 1863 und den folgenden
Tagen statt.
Durch diese Vorarbeiten sollten Materialien für einen die gesamten,
zur gesetzlichen Regelung sich eignenden Verhältnisse des Volksschulwesens
tUmfassenden Gesetzes-Eutwurf gewonnen werden. Da jedoch der alsbaldigen
Vorlage eincs solchen Entwurfs noch verschiedene Hindernisse im Wege
standen, sah die Großherzogliche Regierung sich in die Lage versetzt, vorerst
wenigstens denjenigen Teil der durch das Schulgesetz zu ordnenden Verhält-
nisse, dessen Neugestaltung am wenigsten cinen Aufschub zuließ, sofort zur
gesetzlichen Regelung zu bringen.
Dem zu Ende des Jahres 1863 zusammengetretenen Landtage wurde
im Juni 1864 der Entwurf eines Gesetzes „,über die Aufsichts-
behörden für die Volksschulen“ vorgelegt, in dessen Begründung u. A.
bemerkt ist:
„Eine dem öffentlichen Recht seit 1860 entsprechende Neugestaltung der mittleren
„und unteren Aufsichtsbehörden ist unvermeidlich. Indem der Staat den Kirchen die
„von diesen selbst begehrte Verselbständigung gewährte und insbesondere auch auf
„seine früheren Rechte inbetreff der Kirchendiener verzichtete, hat er gleichzeitig und
„in bedingendem Zusammenhang mit seiner Freigebung der Kirchen die für ihn un-
„veräußerliche Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens neu festgestellt. Er würde
„umgekehrt auf die Leitung weithin verzichten müssen, wenn er genötigt bliebe, die
„nicht von ihm und nicht maßgebend für die Bedürfnisse der Schule bestellten Geist-
„lichen, Kirchengemeinderäte und Stiftungsvorstände als gegebene Schulbehörden
„fungieren zu lassen.“
Der Entwurf, dessen Inhalt in der Hauptsache an die im Vortrage
des Oberschulrats-Direktors vom 5. Mai 1863 enthaltenen Vorschläge über
Einrichtung der der unteren und mittleren Schulaufsicht sich anschloß, fand
in beiden Kammern der Ständeverwaltung unveränderte Annahme und
wurde unterm 29. Juli 1864 als Gesetz verkündet.!) Dieses Gesetz — welches
nachmals seinem ganzen Inhalt nach, nur mit einigen Aenderungen und
Zusätzen, Bestandteil des Elementarunterrichtsgesetzes vom 8. März 1868
geworden ist — enthielt folgende Bestimmungen:
5 Reg.-Bl. 1864 Nr. 33 S. 105.