Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

1. Religionsunterricht. 495 
III. Die Ausübung der Erziehungsrechte in Bezug auf die 
Religion ver Kinder ist durch Gesetz vom 9. Oktober 1860 (Reg.-Bl. 1860 
S. 380) geordnet, wie folgt: 
5 1. In welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen, bestimmt 
bei ehelichen Kindern der Vater, bei unchelichen, sie seien vrom Vater 
anerkannt oder nicht, die Mutter. Ist eine Bestimmung hierüber nicht 
getroffen, so folgen die ehelichen Kinder der Religion des Vaters, die 
unellelichen der Religion der Mutter. 
S 2. Sind die Eltern unbekannt, so entscheidet über die religiöse 
Erziehung des Kindes der Vormund mit Zustimmung der Staatsbehörde 
nach cingeholtem Gutachten des Ortsvorgesetzten und Waisenrichters. 
5 3. Eine Aenderung in der religiösen Erziehung der Kinder steht. 
der Mutter zu, wenn auf sic das Recht der Erziehung übergegangen ist; 
jedoch kann sie diese Aenderung nur mit Genehmigung der Staatsbehörde 
und nach erholenem Gutachten der nüchsten beiderseitigen Verwandten, 
des Ortsrorgesctzten und Waisenrichters vornehmen. 
s 4. Bei Waisen darf eine Veränderung der Religion nur aus be- 
sonders orheblichen Gründen mit Genehmigung der höheren Staatsbehörde 
und nach eingeholtem Gutachten der nächsten beiderseitigen Verm andten, 
des Ortsvorgesetzten und Waisenrichters, eintreten. 
5 5. Jedem, der das 16. Lebensjahr zurückgelegt hat, steht die Wahl 
der Religion frei. 
s 6. Die vor Verkündigung dieses Gesetzes durch Vertrag bestimmte 
religiöse Erzichung der Kinder kann mit Zustimmung beider Elternteile 
geiindert werden. Ein Einschreiten der Stnuatsbehörde findet nur auf An- 
rufen eines Elternteils statt. Nach dem Tode eines Elternteils treten die 
Bestimmungen der SS 1 und 3 dieses Gesetzes in Wirksamkeit. 
Vorschriften über die Form, in welcher die Bestimmung über die religiöse 
Erziehung cines Kindes kund zu geben sei, enthält das Gesetz vom 9. Oktober 1860 
nicht; jede Erklärung der erzichungsberechtigten Person, auch ein blos thatsächliches 
Verhalten, welche bezw. welches die Absicht, das Kind als diesem oder jenem Be- 
kenntnis zugehörig zu behandeln oder behandeln zu lassen, unzweidentig zu erkennen 
gibt, wird deshalb als eine in wirksamer Weise getroffene Bestimmung zu betrachten 
sein. Ein in eine Volksschule nen eintretendes Kind wird dem Religionsnunterricht 
desjenigen Bekenntnisses zuzuweisen sein, welches in dem der „Schülerliste“ zugrunde 
liegenden Auszug aus dem Geburtsbuche (Schulordnung vom 27. Februar 1994, 
#§1, und Muster 1I hiezu — S. 359 und S. 391) als „NReligion“ des Kindes angegeben 
ist, da im Zweifel c. i. bis zum Beweise des Gegenteils) anzunehmen sein wird, 
daß im Geburtsbuche die Neiigionsangehörigkeit aufgrund einer nach Maßgabe der 
Bestimmungen des Gesetzes vom 9. Oktober 1860 crfolgten Feststellung beurkundet 
sei. Ein Gegenbeweis gegen diese Vermutung müßte darthun, entweder daß die 
Angabe im Geburtsbuche von Anfang an nurichtig war, oder aber daß in der Zeit 
zwischen dem Eintrag der Geburt und der Anfnahme in die Schule die ursprüngliche 
Bestimmung über die Neligionserziehung des Kindes in gesetzlich wirksamer Weise 
geändert worden ist. 
Anders, als bei der erstmaligen Entscheidung über die religiöse Erziehung eines 
Kindes, verhält es sich seit Erlassung des Gesetzes vom 26. Juli 1888, betreffend
	        
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