68 II. Gesetz über den Elementaruuterricht.
und der Reichsmarkrechnung (bad. Gesetz vom 21. Juni 1874) bedingten
Aenderungen jetzt folgenden Wortlant:
Mit Haft bis zu 3 Tagen oder an Geld bis zu zwanzig Mark werden.
Eltern, Pflegecltern, Vormünder, Dienst- und Lehrherrn gestraft, welche
ohne genügende Entschuldigung unterlassen, ihre schulpflichtigen Kinder,
Pfiegekinder, Mündel, Dienstboten und Lehrlinge zum Schulbesuch anzu-
halten, wenn sie wegen solcher schuldbaren Versüumnisse auf Grund der
bestchenden Schulordnung fruchtlos wiederholt mit Geldstrafen belegt
Worden sind.
Durch das Elementarunterrichtsgesetz ist der Kreis der unter die Strafbestimmung
des § 71 Pol. St. G. B. fallenden Uebertretungen insofern erweitert worden, als
die Fassung des Polizeistrafgesetzöuches eine thatsächlich vorhandene Verpflichtung zum
Besuche der Volksschule voraussetzt, nach dem Gesetz über den Elementarunterricht
aber jede Uebertretung der zur Durchführung des Unterrichtszwanges er-
lassenen gesetzlichen Vorschriften strafbar ist. Die Strafbestimmung wird hiernach
z. B. in Anwendung zu kommen haben, wenn ein wegen Privatunterrichts vom Be-
suche der Volksschule entbundenes Kind zu einer von der Schulbehörde angeordneten
Prüfung sich nicht stellt.
„Eltern, welche ihre schulpflichtigen Kinder nicht in die Volksschule aufnehmen
lassen und auch nicht in sonst zulässiger Weise für deren Elementarnnterricht sorgen,
sind nach § 1, Abs. 3 des E. U. G. gemäß § 71 Pol. St. G. B. zu bestrafen, auch
wenn sie noch nicht wegen Schulversäumnis nach § 4, Abs. 1 E. U. G. wiederholt
mit Geldstrafen belegt worden sind, da das Citat des § 71 Pol. St. G. B. im § 1,
Abs. 3 E. U. G. sich nur auf das Strafmaß bezieht, während der Thatbestand
in § 1, E. U. G. selbst gegeben ist.“ Bad. Rechtspraxis, 1901, S. 10.
3. [Schulpflichtigkeit der Nichtbadener.] In dem Gesetze vom
8. März 1868 lautete der letzte Absatz von § 1:
Die vorstehenden Bestimmungen können durch Staatsverträge auch
auf Ausländer für anwendbar erklürt werden.
Die Staatsangehörigkeit zum Großherzogtum Baden war somit Voraussetzung
für die Anwendung der Gesetzesbestimmungen über den Unterrichtszwang auf Ein-
wohner des Großherzogtums. Die Anwendung auf nicht staatsangehörige Einwohner
bildetc eine Ausnahme von der gesetzlichen Negel, welche nur aufgrund eines Staats-
vertrages stattfinden konnte. Solche Verträge bestehen nicht mit den Nachbarstaaten
Bayern, Schweiz und Oesterreich. So kam es, daß Kinder im Alter der Schulpflicht
aus den genannten drei Ländern, welche in größerer Zahl und für gewisse Danuer,
gewöhnlich in der Stellung von Dienstboten (als sog. Hütekinder), im Großherzogtum
sich aufhalten, nicht in gleicher Weise wic landesangehörige Kinder zum Schulbesuch
angehalten werden konnten. Dies wurde von den Schulbehörden der betreffenden
Grenzbezirke als schwerer Mißstand empfunden. Die Thatsache, daß solche nicht-
badische Kinder und deren Dienstherren von einer den Angehörigen des eigenen
Staates sonst obliegenden Verpflichtung befreit waren, rief in den betreffenden Ge-
meinden vielfach eine tiefgehende Mißstimmung gegen den gesetzlich bestehenden Unter-
richtszwang hervor.
Diesem Mißstand wollte das Gesetz vom 13. Mai 1892 dadurch abhelfen, daß
cs die in § 1 Abs. 1 des bisherigen Gesetzes festgesetzte Verpflichtung der Eltern oder
deren Stellvertreter, „für den Elementarunterricht der ihrer Obhut anvertrauten
Kinder zu sorgen“, nicht mehr an die Zugchörigkeit zum badischen Staatsverband