Full text: Gesetze und Verordnungen über Elementarunterricht und Fortbildungsunterricht im Großherzogtum Baden.

Titel I. Allgemeine Bestimmungen. 8§ 3. 73 
Damit durch die Bestimmungen über das Ende der Schulpflicht die Dauer der 
letzteren selbst keine Abkürzung erfahre, mußte der Beginn derselben entsprechend vor- 
gerückt werden. Dies konnte einem Bedenken um so weniger begegnen, als in dem 
aus dem früheren Gesetz herübergenommenen Absatz 2 Vorsorge dafür getroffen ist, 
daß Kindern, welche im Zeitpunkt des Beginnens ihrer Schulpflichtigkeit die erfor- 
derliche körperliche und geistige Reife noch nicht besitzen, entsprechende Nachsicht ge- 
währt werden kann. 
Der letzte Absatz des früheren § 2 ist, da die bezügliche Vorschrift thatsächlich 
fast nie zur Anwendung kam, in die neue Fassung nicht aufgenommen worden. 
Ständ. Verhandlungen, 1891.92, II. Kammer, Beilagenheft IV, S. 99. 
(Gesetz vom 13. Mai 1892, Art. I, 3.) 
Kinder, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht mit Erfolg 
am' Unterricht der Volksschule teilnehmen können, sind zum Besuche derselben 
nicht anzuhalten. Die Fürsorge für deren Unterricht wird durch besondere 
Gesetze geordnet. 
Kinder, welche in körperlicher, geistiger oder sittlicher Beziehung derart 
vereigenschaftet sind, daß deren Zusammensein mit anderen Kindern der 
letzteren Gesundheit oder Sittlichkeit gefährdet, können vom Besuche der 
Volksschule zeitweise oder dauernd entbunden oder ausgeschlossen werden. 
1. Zuständig sind: 
a. Zur Beschlußfassung in Fällen des ersten Absatzes: Die örtlichen 
Schulbehörden: 
b. zur Entscheidung in Fällen des zweiten Absatzes: Die Oberschulbehörde. 
Landesh. V.-O. vom 26. Juni 1892, §§ 1 und 3. 
Vollzugsvorschriften zu Abs. 1: Schulordnung, § 14. 
Die (neuen) Bestimmungen des § 3 sind zumteil der Ausdruck einer im Ge- 
biet der Schulverwaltung schon vor 1892 geübten Praxis, teils sollen dieselben die 
Handhabe bieten, Mißstände, zu deren Bekämpfung das frühere Gesetz die Mittel 
nicht bot, zu beseitigen. 
Kinder, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht bildungsfähig 
oder wenigstens für die Art des Unterrichts, wie er in der Volksschule erteilt wird, 
nicht empfänglich sind, wie blödsinnige, blinde, taubstumme, sind schon vor dem Ge- 
setze vpom 13. Mai 1892 zum Besuch der Volksschule nicht angehalten worden. 
Andererseits wurden Kinder mit körperlichen Leiden, wie z. B. epileptische, 
wegen der für die Gesundheit der übrigen Kinder zu befürchtenden Gefahren auf 
Anordnung der staatlichen Gesundheitspolizeibehörde schon an verschiedenen Orten 
von der Teilnahme am Unterricht der Volksschule ausgeschlossen. 
Dagegen erschien es bis jetzt nicht zulässig, Kinder, die durch keinerlei Mängel 
körperlicher oder geistiger Art an dem Unterricht teilzunehmen verhindert waren, 
wegen Vergehen gegen die Sittlichkeit aus der Volksschule auszuschließen. Die Rück- 
sicht auf das sittliche Wohl der Gesamtheit der Schüler soll aber der Sorge für 
deren leibliche Gesundheit nicht nachstehen. Die Möglichkeit einer solchen Maßregel,
	        
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