Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 108
Angriffs- o der Verteidigungskrieg, ferner in einem Krieg, wo
mehrere Verbündete auf einer oder beiden Seiten sind, und end-
lich in einem Bürgerkrieg oder in einem solchen zwischen Glie-
dern eines zusammengesetzten Staates besteht. Ferner ist nur
der Geltungsbereich der Kriegserklärung unter den Vertrags-
staaten innerhalb der Staatengemeinschaft durch das dritte Ab-
kommer der II. Haager Konferenz geregelt worden. Dagegen
ist die Frage offen geblieben: Beschränkt sich die Verpflichtung
zur Kriegserklärung auf die 44 Vertragsstaaten der II. Haager
Konferen; oder kann eine Kriegserklärung auch gegenüber Nicht-
vertragsstaaten gefordert werden?
Endlich sind, weil durch die Konvention nicht geregelt, noch
die Fragen zu lösen, einmal „Welche feindseligen Handlungen
den Kriegszustand begründen und mithin eine Kriegserklärung
verlangen“ und sodann die Frage „Von wem diese Feindselig-
keitsahte begangen werden müssen, um einen Krieg und damit
die Verpflichtung zur Erklärung desselben zu begründen“?!
Zur Entscheidung aller dieser Fragen kommen die bis-
herigen, in der Praxis üblichen und in der Theorie erörterten
Grundsätze, soweit sie die Bedeutung gewohnheitsrechtlicher Nor-
men beanspruchen dürfen, zur Anwendung.
I. Kriegserklärung im Falle eines
Verteidigungskrieges.
Nur der Angreifer braucht eine Kriegserklärung abzugeben.
Seine Erklärung ist genügend, um den Kriegszustand zu kon-
statieren. Der Staat, dem der Krieg erklärt ist, oder der ange-
griffen wird, hat nicht nötig, auch seinerseits eine Kriegser-
klärung abzugeben, bevor er die gegen ihn beabsichtigten Feind-
seligkeiten zurückweist. Zum „Verteidigungskrieg“ bedarf es
einer vorherigen Kriegserklärung durch den Verteidiger nicht,
„Die kriegerische Abwehr des kriegerischen Angriffes macht die
Kriegserklärung entbehrlich.“ 1)
Es fragt sich nun aber, welcher Krieg gilt als Angriffs-
und welcher als Verteidigungskrieg? Welche Partei ist als An-
greifer und welche als Verteidiger anzusehen? Diese Frage
1) Bluntschli, § 524. Vgl. Bellat S. 106. Kivier a. a. O.,
S. 222.