106 2. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Völkerrecht.
sind. Wir müssen hier drei Fälle unterscheiden: 1. Nur auf
Seiten des Angegriffenen, 2. nur auf der des Angreifers, 3. auf
beiden Seiten sind Verbündete. Zu Grunde liegt gewöhnlich
ein Bündnisvertrag, welcher regelmäßig in Friedenszeiten ein-
gegangen wird. 1)0 In diesem Bündnisvertrag verpflichten sich
die Kontrahenten, sich gegenseitig Hülfe zu leisten für den Fall,
daß einer von ihnen angegriffen wird (Defensivallianz oder
Schutzbündnis); oder sie verbünden sich für den Fall, daß einer
von ihnen einen dritten Staat angreifen wird (Offensivallianz,
Trutzbündnis). Schließlich ist noch ein gegenseitiges Schutz= und
Trutzbündnis möglich und auch in der Praxis betkannt.
Wie steht es nun in diesen Fällen mit der Verpflichtung
zur Kriegserklärung?
a) Im ersten der drei genannten Fälle, bei einem Defen-
sivbündnis wird der Angreifer sich stets damit begnügen, seinem
Gegner den Krieg zu erklären. Auch dessen Verbündeten eine
Kriegserklärung zugehen zu lassen, ist nicht erforderlich. Dies
folgt unmittelbar aus der Natur des Bündnisvertrages, der
wie jeder andere Vertrag nur zwischen den Parteien rechtliche
Wirkungen auslöst. Wann diese Verpflichtungen entstehen, der
sogen. Bündnisfall, casus koederis, eintritt, ergibt sich im Ein-
zelfall aus den Umständen, die entweder ausdrücklich im Ver-
trag bestimmt sind, oder stillschweigend zu Grunde gelegt wer-
den. Das Vorliegen desselben zu konstatieren, ist aber immer
Sache der Kontrahenten. :) Daher kann aus dem bloßen Be-
1) Für solche Verträge gelten, wie schon Heffter, Völkerrecht S. 205,
hervorgehoben hat, die allgemeinen Grundsätze und Auslegungsregeln, wenn sie auch
gerade hier Schwierigkeiten bieten und leicht zu Meinungsverschiedenheiten führen.
2) Diejenigen, die die Gerechtigkeitsfrage über die Natur des Krieges ente
scheiden lassen, verneinen, daß der casus foederis im Falle eines ungerechten Ver-
teidigungskrieges eintritt. Der Bundesgenosse müsse daher zunächst prüfen, ob nicht
der Angegriffene seinem Feinde gerechten Anlaß zum Kriege gegeben habe. So
Vattel Ulc: VI § 90; o. Martens, § 299; Klüber, § 269; Heffter,
5 115. — Ob ein Ablehnungsrecht im Falle eines sog. „ungerechten“ Krieges dem
Bundesgenossen zusteht, wird aus dem jeweilig bestehenden Bündnisvertrage sich er-
geben. Prinzipiell verneine ich ein solches Recht. — Nach Art. 1 des deutsch-öster-
reichischen Bündnisverrages vom 7 Oktober 1879 (abgedruckt bei Fleischmonn,
Völkerrechtsquellen 1905 S. 168 Nr. 41), in dessen Einleitung die Majestäten beider
Reiche einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Verteidigung zu knüpfen
beschließen, indem sie einander feierlich versprechen, daß sie ihrem reinen Desensio-