1. Kapitel: Kriegserklärung nach deutschem Staatsrecht. 15
gliedes der Staatengemeinschaft. Er besitzt das in den Mo-
narchien dem Monarchen als Ausfluß seiner Souveränität zu-
stehende Recht der völkerrechtlichen Vertretung. So sagt An-
schütz: „Allein Sache des Kaifers ist es, das Reich als Mit-
glied der Staatengemeinschaft zu repräsentieren. In Ausübung
dieser Funktion hat der Kaiser die auswärtige Politik des
Reiches zu bestimmen, im Namen des Reiches Krieg zu er-
klären und Frieden zu schließen, Bündnisse usw. einzugehen.“ 1)
Aehnlich Laband (I S. 209): „Das Reich hat keinen an-
deren Vertreter als den Kaiser bezw. dessen Gehilfen. Weder
der Bundesrat allein, noch Bundesrat und Reichstag zusammen,
noch die einzelnen deutschen Landesherren in Person können
für das Reich einen Vertrag abschließen; der Kaiser allein,
bezw. der Reichskanzler als kaiserlicher Reichsminister 2) ist
zur Vertretung des Reiches befugt. s)
Von den Befugnissen, welche dem Kaiser als einzigem und
ausschließlichem Vertretungsorgan von der R. V. zugewiesen
sind, sind die wichtigsten in Art. 11 Abs. 1 aufgezählt. Es sind
dies die von Haenel sogen. völkerrechtlichen Hoheitsrechte,
nämlich das Recht Krieg zu erklären und Frieden zu schließen,
Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzu-
gehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.") Nach
Haenel (S. 532) bedeuten diese Einzelrechte nur Exemplifi-
zierungen, „sie sind nicht erschöpfende Bestimmungen“, sondern
lediglich als Entfaltungen des kaiserlichen Vertretungsrechtes
aufzufassen.)
Mit der Annahme des Grundsatzes, daß der Kaiser das
alleinige und ausschließliche Vertretungsorgan des Reiches ist,
1) Anschüg, St. R. S. 549.
2) Als solcher ist der Reichskangler auswärtigen Staaten gegenüber „legitimiert,
die Rechte des Reiches wahrzunehmen, Verhandlungen zu führen, Verträge zu verein-
baren, Leistungen entgegenzunehmen und zu gewöhren“. Hierzu bedarf er regelmäßig
keiner Spezialvollmacht. Vgl. Laband, 5. Aufl. S. 379.
3) Nicht unerwähnt bleide, daß auch die Verfügung über die Mittel, welche
eine dauernde und nachhallige Vertretung des Reiches gegenüber dem Ausland garan-
tieren, nämlich die Verfügung über die Machtmittel des Reiches, über Heer und
Marine, in der Hand des Kaisers liegl. Art. 63, 1; 58, 1 R. V.; vgl. Dam-
bitscha. a. O. und Rönne, Preuß. Staatsr. I S. 702 ff.; Laband, 5. Aufl. S. 232.
4) Haenel, Staatsr. 1 S. 531.
5) Lgl. Rönne, Staatsr. 1 S. 236.