62 2. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Völkerrecht.
Einc weitere wichtige Aufgabe auf dem Gebiete des Kriegs-
rechts war die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Kriegs-
erklärung und die Fixierung bestimmter Formen, unter denen
der Uebergang vom Friedens= zum Kriegszustand sich vollziehen
soll. Die Wichtigkeit dieser Frage, auf welche Weise der Kriegs-
zustand begründet wird, zeigt sich vor allem in den Folgen
des Kriegsausbruchs, die nicht nur die Kriegführenden, sondern
auch die neutralen Mächte treffen.
Die Frage nach dem Kriegsbeginn durch Kriegserklärung
hat historisch zwei große Abschnitte durchlaufen. Der erste
wird die Entwickelung der Kriegserklärung sowohl in der Praxis
der Geschichte als auch in der Theorie behandeln, der zweite
die Kriegserklärung im konventionellen Recht darstellen.
I. 1. Die Geschichte zeigt uns, daß die Kriegserklärung im
Laufe der Zeiten abwechselnd praktisch geübt und unterlassen
wurde, so daß es schwierig erscheint, die Existenz einer recht-
lichen Verpflichtung zur Kriegserklärung auf gewohnheitsrecht-
licher Grundlage zu behaupten.
a. Bereits das Altertum kennt eine Kriegserklärung. Schon
in den ersten Anfängen ihres Daseins pflegten die Staaten,
die sich gegenseitig bekriegen wollten, zunächst Genugtuung von
ihrem Gegner zu verlangen. Erst wenn sie diese vergebens ge-
fordert hatten, zeigten sie ihm an, daß sie beabsichtigten, mit
den Waffen ihr Recht zu suchen. 1)
Namentlich die Griechen 2) und die Römer s) betrachteten
es als eine strenge Pflicht, nicht ohne Kriegserklärung in den
Krieg einzutreten. Die Form der Kriegserklärung war eine
höchst feierliche. Sie geschah nach einem gewissenhaft beob-
achteten Ritus. So pflegten die Griechen an den Feind Herolde
zu schicken, welche die bevorstehenden Feindseligkeiten anzeig-
zu schicken, welche die bevorstehenden Feindseligkeiten anzeigten.“)
1) So charakterisiert schon K. Ward, An enquir) into the foundation
and history of ihe law of nations in Eturope, Londres 1795. T IH. S. 107
diesen Gebrauch der vorherigen Kriegserklärung als cine der ältesten internationalen
Gewohnheiten, er gehöre zu den ersten Schritten, die der Mensch auf dem Gebiete
der Zivilisation gemacht habe.
2) Lgl. Thucydides, Geschichte des peloponnesischen Krieges l. I. c 29;
Tenophon, Helleniea I. II. Herodot, Geschichte I, 31.
8) Clicero, De officlis I12.
9 Bgl. Blin de Ballleul S. 68, Maurel S. 10 ff.