Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 85
noch auf ihrem Posten im fremden Staate weilt. 1) Indes
ist, wie bereits erwähnt, in Verträgen zuweilen eine Verein-
barung des Inhalts getroffen worden, wonach der Abbruch der
diplomatischen Beziehungen als „das entscheidende und den
Augenblick der Kriegseröffnung bezeichnende“ zwischen den kon-
trahierenden Parteien galt. Trat ein solcher Fall ein, so be-
zeichnete die Abreise der Gesandschaft den Beginn des Krieges.)
Wic der Abbruch der diplomatischen Beziehungen, so kann
auch nach der überwiegenden Anschauung der Völkerrechtslehrer
die Publikation im Innern des Staates nicht als vollwertige
Kriegserklärung angesehen werden, da sie nicht geeignet ist,
den Feind über die eingetretenen Aenderungen zu informieren.
Die Publikation kann nur als Maßregel rein interner Natur,
nicht aber als solche mit internationalem Charakter betrachtet
werden.
II. Von den zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Staaten-
praxis gebräuchlichen Formen der Kriegserklärung hat die zweite
Haager Konferenz in Anbetracht der geringen praktischen Uebung
des Manifestes nur die beiden im Artikel 1 der Konvention
angegebenen Formen für eine gültige Kriegserklärung zuge-
lassen
Danach ist zur Kriegserklärung erforderlich: eine voraus-
gehende, unzweideutige Benachrichtigung (Avertissement préa-
lable et non Squivoque) und zwar entweder
1. in der Form einer mit Gründen versehenen Kriegser-
klärung (motivierte Kriegserklärung) oder
2. in der Form eines Ultimatums mit bedingter Kriegser-
Elärung. Art. 1 des 3. Abkommens.
A. Beiden Formen gemeinsam sind folgende Voraussetz-
ungen.
1. Die Benachrichtigung muß unzweideutig, non Squivoque,
sein, d. h. sie muß in klaren und bestimmten Ausdrücken gefaßt
sein, die für den empfangenden Staat Reine weitere Auslegung,
1) Lgl. Bruyas S. 170.
2) Vgl. Bruyas S. 171; Dupuis in Rev. d. dr. Int. 1906 S. 726;
Guelle, Precis des lols de la guerre. S. 36 l.