1664.
22
§ 68. Freilich war dies ganze Gebiet jetzt durch Krieg und
Pest entsetzlich entvölkert und verheert, das Volk verwildert und in
Aberglauben versunken. Ahnlich sah es überall in Deutschland aus.
Dazu hatte der westfälische Friede das Reich auch staatsrechtlich in
einen lockern Staatenbund verwandelt, wertvolle Gebiete an Frank-
reich (Ober-Elsaß) und Schweden (Vorpommern, Wismar, die Stifts-
lande Bremen und Verden) abgetreten und diesen ganzen schmachvollen
Zustand unter die Bürgschaft dieser beiden fremden Mächte gestellt.
Die Keime zu neuem Leben lagen im Protestantismus und
in der Selbständigkeit der weltlichen Einzelstaaten, die beide
jetzt gesichert waren.
4. Das Zeitalter der Türken= und Franzosenkriege.
Johann Georg II., III. und IV.
1656—1694.
§ 69. In der zweiten Hälfte des 17. Ihrdts. wurde die Ge-
schichte Deutschlands und Europas durch das Ubergewicht Frankreichs
und Schwedens und die fortdauernde Türkengefahr bestimmt. Zu-
gleich wirkten die unumschränkte Monarchie und das glänzende Hof-
leben Ludwigs XIV. vorbildlich auf die deutschen Staaten. Indessen
stieg Brandenburg unter dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm
(1640—88) durch innere Umgestaltung zum mächtigsten deutschen Staate
neben Osterreich empor. In Sachsen wurde eine solche nicht versucht,
und an den auswärtigen Verwicklungen nahm das Land nur als
Reichsglied Anteil.
§ 70. Johann Georg II. (1656—80, geb. 1613), pracht= und
kunstliebend, aber ohne politische Begabung, schloß sich der Tradition
gemäß eng an Osterreich an, unterstützte daher gegen Frankreich und
die rheinischen Kurfürsten die Wahl Leopolds I. zum Kaiser (1658—1705)
und stellte ihm ein Hilfscorps gegen die Türken, das an dem glänzenden
Siege bei St. Gotthard a. d. Raab 1. August 1664 Anteil nahm.
Aber durch französische Hilfsgelder gelockt, trat er noch in demselben
Jahre in ein enges Bündnis mit Frankreich, ließ es daher geschehen,
daß gegen Erfurt im Auftrage des Kurfürsten Johann Philipp von
Mainz die Reichsacht von französischen Truppen (wegen Ungehorsams)
vollstrect wurde, und verzichtete 1667 ausdrücklich auf das alte
Schutzrecht seines Hauses (f. § 29). Im 2. Raubkriege (1672—79)
ließ er feine Truppen gegen Frankreich fechten; nach dem Frieden von
Nymwegen 1678 verbündete er sich mit dem Kaiser und Bayern
gegen Brandenburg, um dies zur Herausgabe des eroberten schwe-
dischen Vorpommern zu zwingen, schloß aber 1679 einen neuen Ver-
trag mit Frankreich.
§ 71. Eine andere Politik schlug sein Sohn Johann Georg III.
(1680—91, geb. 1647) ein, der sich im französischen Kriege als