— 54 —
politische Neugestaltung Deutschlands unter der Führung
Preußens aufs wirksamste vor.
8 103. Nach dem Tode des greisen Königs Anton am 6. Juni
1836. 1836 bestieg Friedrich August II. den Thron (1836—54). Sachsen
war in raschem Aufblühen. Die von alten Fesseln besreite Land-
wirtschaft ging von der Dreifelderwirtschaft zur ertragreicheren
Fruchtwechselwirtschaft über“ Der Gewerbfleiß fand im weiten
Zollvereinsgebiet einen offenen Markt und wandte sich mehr und
mehr dem Dampkbetrieb zu, was wieder die Steinkohlenförderung
steigerte; den Betrieb der Freiberger Silbergruben sicherte der
Rotschönbergerstollen gegen Grubenwässer. Der Verkehr nahm einen
ungeahnten Ausschwung. In der Münzkonvention von 1838 nahmen
alle norddeutschen Staaten den preußischen Münzfuß an (1 Mark
Silber fein = 14 Thaler = 20 Gulden); zu dem immer weiter sich
ausdehnenden Straßennetz traten die Eisenbahnen, deren Erbauung
der Staat anfangs an Aktiengesellschaften überließ (Leipzig-Dresden,
die erste größere Linie in Deutschland, 1839 vollständig eröffnet;
Überbrückungen des Göltzsch= und Elsterthales), und die Dampf=
schiffahrt auf der Elbe (Gründung der sächsisch-böhmischen Dampf-
schiffahrtsgesellschaft 1837). So stieg die Einwohnerzahl von
1 595 000 E. 1834 auf 2 Millionen 1855, die Dichtigkeit der Be-
völkerung auf 1 Quadratmeile von 5800 auf 7500 E.
§ 104. Auch am Ausschwunge des deutschen Geisteslebens
nahm Sachsen regen Anteil. Das religiöse Leben gewann unter
den schweren Erfahrungen der Napoleonischen Zeit wieder eine
gläubigere Richtung, die sich in der Begründung der sächsischen
Bibelgesellschaft 1814, der evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft
1819 und des Gustav-Adolf-Vereins 1832 (1842) sowie in der all;
gemeinen Feier der großen reformatorischen Erinnerungsfeste 1817
und 1830 äußerte. Die Leipziger Universität verlor zwar ihre
veraltete Verfassung, behauptete aber ihren guten Ruf (der Philolog
G. Hermann). Ihr zur Seite trat die sächsische Gesellschaft der
Wissenschaften 1846. Die Gelehrtenschulen erhielten durch
das Regulativ von 1846 eine neue zeitgemäße Ordnung. In der
* Die im ganzen Mittelalter und bis in unser Jahrhundert hinein
herrschende Dreifelderwirtschaft teilt die gesamte Dorfflur in zwei Teile. Der
eine Teil bleibt als Weide und Wald unbebaut liegen, der zweite, dem Dorfe
näher gelegene, wird in drei „Felder“ geteilt und von diesen abwechselnd das
eine mit Winterkorn, das zweite mit Sommerkorn bestellt, während das dritte
als Brache „ruht“. Das Vieh ist wesentlich auf den Weidegang angewiesen,
der Dünger geht also größtenteils verloren. Bei der Fruchtwechselwirtschaft
wird die ganze Flur, abgesehen von Wiesen und Wäldern, unter den Pflug
enommen und in den verschiedenen Abteilungen abwechselnd mit Winterkorn,
ommerkorn und Futterkräutern bestellt. Damit verbindet sich die Stall-
fütterung. So lange die Weiderechte der Grundherren, also die bäuer-
lichen iebhängigleitsverhältniss, bestanden, war die Fruchtwechselwirtschaft
unmöglich. -