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Litteratur bildete zuerst Dresden (Christian Tiedge, Ludwig Tieck),
später Leipzig (das „junge Deutschland") einen weithin wirksamen
Mittelpunkt. In der Kunst behauptete Leipzig seinen alten Vorrang
als Musikstadt, aber auch das Hoftheater in Dresden öffnete sich der
deutschen Oper unter K. M. v. Weber seit 1817 und dem deutschen
Schauspiel, und erlebte dann in dem neuen prächtigen Hause seine
schönste Zeit. Zugleich nahm die bildende Kunst in Dresden einen
glänzenden Aufschwung (Gottsried Sempers Hoftheater und Museum,
die Bildhauer Ernst Hähnel und Ernst Rietschel, die Maler Schnorr
v. Carolsfeld, Ludwig Richter und Ernst Bendemann). Das könig=
liche Haus beteiligte sich eifrig an diesem Geistesleben (botanische
Forschungen des Königs, Prinz Johanns Danteübersetzung, die Lust-
spiele der Prinzessin Amalie).
« 8 105. Allein hinter dieser gedeihlichen Entwickelung der Kultur
blieben die politischen Zustände in Sachsen selbst und vor allem die
Gesamtverfassung Deutschlands weit zurück. Die liberale Partei,
die sich zuerst auf dem Landtage von 1836 zeigte, verlangte in
ersterer Beziehung besonders Beseitigung der Zensur, der drückenden
Jagdgerechtsame und der Patrimonialgerichtsbarkeit, zunächst ganz
vergeblich (Rücktritt Lindenaus). Das alte Mißtrauen gegen ka-
tholische Umtriebe (blutige Auftritte in Leipzig bei der Anwesenheit
Prinz Johanns 1845) und das schwere Notjahr 1846/47 ver-
bitterten die Stimmung noch mehr. In den allgemeinen deutschen
Verhältnissen genügte die lose Bundesverfassung dem Bedürfnis einer
kräftigen Vertretung nach außen so wenig, daß die Überzeugung von
der Notwendigkeit einer starken Zentralgewalt ganz allgemein wurde.
Doch bestand nirgends eine seste Ansicht über die Art der Reform.
So verbanden sich unzertrennlich die Bestrebungen nach größerer
Freiheit in den Einzelstaaten und nach festerer Einheit
Gesamtdeutschlands.
§ 106. Daher brach auf die Kunde von der Pariser Fe-
bruarrevolution (Sturz Louis Philipps, Frankreich Republik)
auch in Deutschland überall die revolutionäre Bewegung aus,
und Schleswig-Holstein erhob sich gegen Dänemark In Sachsen
hob daher der König die Zensur vorläufig auf und berief die Führer
der Liberalen, Braun und Oberländer, zu Ministern (15. März).
* Die Herzogtümer Schleswig und Holstein waren seit 1460 mit dem
Königreich Dänemark unter demselben Herrscherhause verbunden, bildeten
aber einen selbständigen Staat, obwohl nur Holstein zum Deutschen Reiche
(Bunde) gehörte. Um die Verbindung der Herzogtümer mit Dänemark für
alle Zeiten zu sichern, strebte die sogenannte eiderdänische Partei darnach,
mindestens Schleswig dem dänischen Reiche ganz einzuverleiben und für den
Fall, daß die männliche Linie des regierenden Hauses aussterben sollte, die Nach-
solge in Dänemark und Schleswig-Holstein der Glücksburgischen zu sichern,
während in diesem Falle die Augustenburger in den Herzogtümern erbberechtigt
waren. Den Anstoß zur Erhebung gab der Sieg der Eiderdänen in Kopenhagen
nach dem Regierungsantritte Friedrichs VII. im Jannar 1848.
1848.