Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Nach einer probeweise vorgenommenen Aus- 
zählung der Beobachtungsdaten dürften in dem 
Manuskript etwa 70 000 Zahlenangaben ent- 
halten sein! 
Es sind bereits Schritte gethan worden, 
um die wissenschaftliche Verwerthung und Aus- 
nutzung dieses staunenswerthen Materiales, das 
in der Entdeckungsgeschichte Afrikas nahezu 
unerreicht dasteht, mit Hülse der besten karto- 
graphischen Kräfte zu verarbeiten und der 
wissenschaftlichen Welt zugänglich zu machen. 
Außer dem Kartenmatcrial hat die Expe- 
dition auch auf vielen anderen Gebieten der 
Wissenschaft hervorragende Dienste geleistet. 
So sind allein 15 Kolli mit werthvollen natur- 
wissenschaftlichen und ethnographischen Gegen- 
siänden eingegangen. Ferner liegen Wörter- 
verzeichnisse von zwanzig verschiedenen Sprachen 
vor, welche theils von Emin Pascha, theils 
von Dr. Stuhlmann ausgenommen worden 
sind. Die Bearbeitung dieses Materials wird 
zum Theil durch besondere Fachgelehrte er- 
jsolgen, während Dr. Stuhlmann selbst sich 
zunächst der allgemeinen Bearbeitung seines 
Reisewerles widmen wird. 
Bericht des Dr. Schwesinger, betr. das vor- 
geben gegen den Sultan Sikki (Tabora). 
Ueber die Erstürmung des Quikura kwa 
Sili am Morgen des 6. Juni, über welche 
wir bereits (S. 444 ff.) Mittheilungen gemacht 
haben, liegt nunmehr der vollständige Gesechts- 
bericht des Dr. Schwesinger vor. Derselbe 
lautet wie folgt: 
Tabora, den 14. Juni 1892. 
Das Sultansdorf liegt 1¼ Stunde von 
der Station Süd zu Ost in einem flachen 
Thale von den Hihgelketten wechselnd entfernt 
zwischen 2000 bis 4000 Metern. Seine Ve- 
sestigung besteht aus einem Kranze von Euphor= 
biaceen, deren milchiger Saft als Augengift 
bei allen Eingeborenen bekannt und gefürchtet 
ist. Eine Spanne von 15 bis 20 Metern 
unebenen, mit Schlinggewächsen und Löchern 
armirten Terrains liegt zwischen jenem und 
einem soliden, verflochtenen Pallisadenzaune 
von 3,5 bis 5 Meter Höhe, durch welchen in 
den vier Himmelsrichtungen vier große und 
nach Südost ein kleiner Eingang, sämmtlich 
verrammbar, auf die Thüren des Tembenringes 
führen. Der Umfang des Zannes beträgt 
nicht unter zwei Kilomeler. Der Ring birgt 
in sich die Wohnungen und Wachen der stän- 
digen, geübten Sultans-Askaris, deren Zahl auf 
120 bis 130 angegeben wurde, 
außerdem 
608 
  
sollten noch an 200 Speer= und VBogenträger 
die Besatzung verstärken. Im Innern des 
Dorfes sollten im Kreise Thonhütten mit Stroh- 
dächern und kleinere Temben stehen und nach 
Südwest exzentrisch ein hohes Mauerviereck die 
Hütten des Sultans, seiner Weiber und Leib- 
wache einschließen. Derselbe sollte zur Zeit 
über 160 Gewehre verfügen und bedeutende 
Pulvervorräthe besitzen. 
Zum Angriffe wählte ich die Nordseite, 
nach Tabora zu liegend, Graf Schweinitz 
sollte auf der Westseite vom Wege nach Quihara 
aus beginnen. Ich verließ um 4 Uhr früh 
die Station mit 20 Sudanesen und 16 Ein- 
geborenen-Aslaris, übergab dem Lazarcth- 
gehülsen Jurock die Führung der 4,7 cm 
Schnellseuerkanone, dem Lazarethgehülfen Weid- 
ner den Munitionsersatz und langte nach 56 Mi- 
nuten beschleunigten Marsches vor dem Dorse 
an. Lautlos rückte ich, zur Hälfte ausgeschwärmt, 
durch die Euphorbienhecken bis zu dem Palli- 
sadenzaune vor, ließ die Schützenkette auf 
beiden Flügeln verlängern, das Geschütz dem 
Eingang gegenüber fertig machen und dann 
versuchen, durch Wuchten, Graben und Zer- 
schneiden der Stangen und des Flechtwerkes 
ohne auffallenden Lärm eine Oeffnung zu 
schaffen; aber ohne Erfolg. Mit einigen Su- 
danesen untersuchte ich eben die Thür, ob sie 
auszuheben wäre, als auf der Westseite ein 
Kanonenschuß fiel, dem sofort Schnellfeuer 
folgte. Es war 5½ Uhr früh. Durch den 
Zaun hindurch ließ ich die Schießscharten und 
die Thür unter Feuer nehmen; das Geschütz 
sollte den Eingang öffnen, aber nach drei 
Schüssen sah ich, daß es zu viel Munition 
kosten würde, und sprang mit vier Sudanesen 
vor, wo wir rechts und links die fauststarken 
Thürangeln mit Gewehrschüssen durchschnitten, 
so daß sie unserem vereinten Drücken nachgab 
und einstürzte. Unter verstärktem Feuer auf 
die vorliegende Thür, das anhaltend erwidert 
wurde, brachte Jurock das Geschütz vor. 
Beim zweiten Laden hier erhielt er einen 
Schrotschuß in den linken Arm, bediente aber 
ohne Pause das Geschütz weiter, bis beim 
achten Schusse die starke Bohlenthür krachend 
aufflog. Stürmend passirten wir über einer 
schmalen Stangenbrücke einen Graben und 
setzten uns an der Thüre fest, während ich 
gleichzeitig durch Hinaufheben der Leute das 
Tembedach zu beiden Seiten besetzen und das 
Geschütz nachrücken ließ. Außer Jurock 
waren bis jetzt verwindet die Sudanesen 
Mohamed Ali und Mohamed Achmed 
Selim und der Weasukuma -Askari 
Kirungu. Von der Thür übersah man 
einen Hofraum, aus dessen linker Hälfte
	        
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