Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

machen die Fahrt schwierig und man darf nicht ohne 
Eingeborene fahren, die das Fahrwasser genau kennen. 
Im späteren Verlaufe meiner Reise, als ich in Ge- 
genden kam, wo die Eingeborenen noch nie ein 
Dampsboot gesehen hatten, war es allerdings 
manchmal mit großen Schwierigkeiten verbunden, 
einen Führer zu erhalten; das Geräusch der Maschine 
und das den Leuten unerklärliche Sichvorwärtsbewegen 
der Boote flösten ihnen solche Furcht ein, daß ich 
manchmal gezwungen war, drei bis vier Führer ins 
Boot zu nehmen, welche sich gegenseitig die Furcht 
austreiben sollten. 
Um 6 Uhr p. m. desselben Tages wurde bei 
den Reisfeldern von Urangeke geankert, nachdem die 
„München“ kurz vorher auf einer hervorspringenden, 
unsichtbaren Sandbank aufgestoßen war, ohne jedoch 
fest zu kommen. Am Donnerstag den 12. Mai wurde 
weitergedampft. Am Fluß liegen große Reisfelder 
und Bananenpflanzungen und zahlreiche kleine Dörser 
unter schattigen Mangobäumen. Ungefähr beim 
Dorfe Jobine Jongo hört die Einwirkung von Ebbe 
und Fluth auf und werden von hier ab auch die 
User etwas höher. Die Kokospalme verschwindet 
allmählich, wohingegen die Fächerpalme häufiger 
wird. Der Fluß, dessen Strömung etwa 4 Meter 
beträgt, macht viele Windungen und bildet zuweilen 
starke Strudel. 
Um 12 Uhr 10 Minnten wurde nach verschie- 
denen vergeblichen Versuchen, eine Barre mit nur 
1,8 Meter Wasser zu passiren, beim Dorfe Kilindi 
geankert. Etwa sechs Wochen später sah ich bei 
meiner Rückkehr diese Barre vollkommen trocken und 
mußte einen anderen Flußarm benutzen, der von den 
Lootsen auf der „München“ als unpassirbar bezeichnet 
worden war, aber troßdem noch überall eine Tiefe 
von 2½ Meter hatte, entweder ein Zeichen der Un- 
zuverlässigkeit der Lootsen, die ich später oft geung 
festzustellen die Gelegenheit hatte, oder aber ein Zeichen 
der Veränderlichkeit des Flußlaufes. 
Um 2 Uhr 25 Minuten trennten sich die Boote 
von der „München“, nachdem die Pinasse so viel 
Kohlen genommen hatte wie möglich, und dampften 
stromaufwärts, während die „München“ zurückkehrte. 
Als drittes Boot nahm ich mir von der „München“ 
ein leichtes Dingi mit, welches zum Verkehr mit dem 
Lande und als Rettungsboot dienen sollte und uns 
gute Dienste geleistet hat; beim Stromabwärtsfahren 
ließ ich die Boote dagegen längsseits sestmachen, um 
beim eventuellen Festkommen ein Gerammtwerden der 
Pinasse zu vermeiden, eine Gefahr, die beim Dampfen 
gegen den Strom, wo also nur eine geringe Fahrt 
über den Grund gemacht wird, nicht zu befürchten ist. 
Durch ein Gewirr von Inseln, Lagunen und 
unsichtbaren Untiefen hindurch dampften wir bis zu 
einer seeartigen Erweiterung, durch welche eine 
schmale Fahrrinne von 4 bis 6 Meier Wassertiefe 
und etwa 4 Sm. Stromgeschwindigkeit führt. Drei 
flache Stellen bieten Ruheplatz für zahlreiche Kibokos 
und Schaaren von Wasservögeln; Taucher, Enten, 
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Gänse, Reiher, Pelikane u. s. w. bevölkern die Insel. 
Krokodile, welche in geradezu verblüfsender Anzahl 
vorhanden sind, liegen an den Ufern oder auf den 
Sandbänken, um auf Bente zu lauern, und lassen 
sich durch die kleinen Hütten mit Lebensmitteln, welche 
die Eingeborenen in abergläubischer Furcht opfern, 
nicht im mindesten in ihrer Beschäftigung stören. 
Nach dem Passiren dieser seeartigen Erweiterung 
wird der Fluß wieder schmaler und wir ankerten 
um 5 ½ Uhr bei dem Dorfe Kitonga. 
Während der Nacht trieb die Pinasse infolge 
des starken Stromes; nachdem der Anker wieder ge- 
faßt hatte, mußte die ganze Nacht hindurch gesteuert 
werden, um das wilde Gieren des Bootes zu ver- 
ringern. Um solchen Fällen auszuweichen, habe ich 
in der Folge stets vorgezogen, unmittelbar unter 
Land fest zu machen, wo der Strom erheblich 
schwächer ist, wo aber zahllose Insekten den Aufeut- 
halt im Boot nicht gerade zu einem angenehmen ge- 
stalten. Am 13. wurde die Fahrt, nachdem das 
Ankerlichten zwei Stunden in Anspruch genommen 
hatte, fortgesebt; die Landschaft verändert sich nicht. 
Am 14. wurden die Ufer etwas höher und sind dicht 
bevölkert. Ueberall viele Bananen, Reiskulturen, manch- 
mal auch Zuckerrohr. Bis hierher ist noch kein Dampf- 
boot gekommen, daher sind die Leute schen und sehr 
schwer zu bewegen, sich zu zeigen und stehen zu bleiben, 
wenn man sie anrust. Es wird mit Holzheizung 
begonnen, gutes trockenes Brennholz ist überall zu 
haben. Wir haben stets trockenes Ebenholz jedem 
anderen vorgezogen; es entwickelt große Hitze bei 
verhältnißmäßig geringem Verbrauch, hat aber aller- 
dings den Nachtheil, daß es die Aexte und Sägen 
durch seine Härte bald zu schanden macht. Ebenholz 
ist vom Dorfe Nyanda ab, woselbst wir am 14. 
abends ankamen, bis nach den Panganifällen hinauf 
sehr häufig; mit Ausnahme einer Strecke, wo über- 
haupt kein Holz zum Heizen ist. *½ 
Am 15. und 16. wurden die Kesselrohre gereinigt 
und gedichtet und Holz geschlagen. Am 17. kamen 
wir an die Stelle, wo am linken Ufer ein alter, jeht 
fast ganz ausgetrockneter Flußarm, welcher sich vom 
Hauptflusse beim Dorfe Kooni abzweigt, in den 
Rufiyi einmündet; später mündet, vom Kechegebirge 
kommend, der Rubongwefluß ein, der einzige Neben- 
sluß bis zu den Panganifällen, welcher selbst in der 
trockensten Zeit nach Aussage der Eingeborenen noch 
Wasser führt. Die übrigen Nebeuflüsse bringen nur 
in der Regenzeit Wasser in den Rufiyi. Leider war 
ich auf meiner Rückfahrt durch Krankheit des 
Maschinenpersonals verhindert, den Rubongwefluß zu 
untersuchen und damit in das Kechegebirge zu ge- 
langen, von welchem sich die Eingeborenen die aben- 
teuerlichsten Geschichten erzählen. 
Wir gelangen jetzt in eine Gegend, welche stark 
mit großen Dumpalmen bestanden und während der 
Regenzeit vollständig überfluthet ist. Auch jeßt 
standen noch weite Strecken unter Wasser, die von 
den in Pfahlbauten lebenden Eingeborenen unter
	        
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