nommen habe. Kurze Zeit vor dieser Eingabe
hatte der damals von seiner Kongoreise zurückgekehrte
Dr. Zintgraff unter dem 11. Dezember 1885 eine
Denkschrift an das Auswärtige Amt gerichtet, in der
auch er auf die große Wichtigkeit der Grenfellschen
Entdeckung für die Erforschung und Erwerbung des
Hinterlandes von Kamerun hinwies, und auf die
Vortheile, welche der Besitz eines Dampfers auf diesen
Gewässern für die genannten Zwecke nach sich ziehen
müsse. Er erbot sich gleichzeitig, seinen Vorschlag
selbst zur Ausführung zu bringen und vom Ubangi
aus nach dem Küstengebiete von Kamerun eine
Expedition zu unternehmen. Dr. Zintgraff ver-
langte außer den Kosten der Anschaffung und der
Uebersührung des Dampfers einen Betrag von
50 000 M. zur Ausführung seines Planes.
Lieutenant C. v. François reichte elwas später
einen ähnlichen Vorschlag ein, zu dessen Durchführung
er einen Kostenaufwand von insgesammt 140 000 M.
in Anschlag brachte. Es ist zweifellos, daß alle diese
von drei verschiedenen Seiten gemachten und tropdem
übereinstimmenden Pläne eine große Kolonialpolitik
der Zulkunft von der Kameruner Küste aus im Auge
hatten. Andererseits ist nicht zu leugnen, daß bei
Befolgung dieser Vorschläge das Recht der unmittel-
baren Gegenwart zu kurz gekommen wäre. Die
Theorie der Zukunft und die Praxis der Gegenwart
— lehztere durch die an der eben erworbenen Kolonie
unmittelbar Betheiligten vertreten — slanden ein-
ander gegenüber. Die Meinung derjenigen überwog,
deren Handelsthätigkeit am Kamerunfluß überhaupt
zu dem Erwerb des Schutzgebietes geführt hatte.
Im November 1885 hatte sich die Kaiserliche Re-
gierung in Rücksicht auf den Umstand, daß weite
Strecken des Schutgebietes Kamerun in nächster Nähe
des Meeres noch unerforscht waren, schon dahin
schlüssig gemacht, daß weitere Verwendungen aus dem
Afrikasonds ausschließlich für die Erforschung dieser
Gebiete hergegeben und Forschungsreisen nach weiter
im Innern belegenen völlig unbekannten Ländern als
ohne Werth für die Zwecke des Handels und für
die Ausnußung der bestehenden Kolonie nicht mehr
berücksichtigt werden sollten.
Die Afrikanische Gesellschaft, welche die Pläne
Dr. Zintgraffs zu den ihrigen gemacht und dieselben
lebhaft unterstützt hatte, wurde mit der Begründung,
daß es Absicht der Regierung sei, die für die Afrika=
sorschung verfügbaren Reichsmittel zunächst auf die
Erforschung des noch ganz unbekannten unmiltelbaren
Hinterlandes von Kamerumm und Togo von der
Küste aus zu verwenden, unter dem 2. März 1886
abschlägig beschieden. Der Bescheid hob noch be-
sonders hervor, daß nach Ansicht anderweiter Sach-
verständiger die Erforschung des Hinterlandes von
Kamerun zuvörderst am besten von der Küste aus
unternommen werde. Dementsprechend wurden auch
die Pläne von Dr. Zintgraff und Lientenant
v. Frangois abgelehnt.
166
Der Kameruner Kolonialpolitik wurde durch diese
Entscheidung eine Wendung gegeben, welche für das
spätere Schicksal des Hinterlandes maßgebend gewesen
ist. Sie hat ihre guten Früchte insofern getragen,
als der Handel einen unmittelbaren und größeren
Aufschwung erhielt, die Kolonie in kürzester Zeit
ohne einen Zuschuß vom Reich sich selbst erhalten
lounte und schon fünf Jahre nach dem Erwerb durch
Deutschland Einnahmen von mehr als einer halben
Million aufzubringen und einen Waarenaustausch
von nahezu 9 Millionen M. herbeizuführen vermochte.
Dagegen wurde jede Möglichkeit eines rechtzeitigen
Eingreifens deutscher Forscher am Ubangi, die, wenn
überhaupt, nur noch in jenem Abschnitt der Ent-
deckungsperiode des Kongobeckens ausführbar gewesen
wäre, unwiederbringlich aufgegeben und die mit Hülse
von Dampfern, wie die Thatsachen später gelehrt
haben, ungleich leichtere Erschließung des Hinter-
landes von Kamerun vom Kongo aus abgelehnt.
Die Beweggründe der Regierung im Jahre 1886
waren durch den praktischen und unter den ob-
waltenden Verhältnissen mit Recht für sie in
kolonialen Dingen maßgebenden Sinn der Kameruner
Betheiligten beeinflußt, welcher, wie bemerkt, mehr
darauf gerichtet war, für die Gegenwart einen Vor-
theil aus dem noch unerforschten Küstengebict zu
ziehen, als für eine anscheinend weit entfernte und
gänzlich ungewisse Zukunft durch unsichere, in ihrem
Ausgang zweifelhafte Expeditionen Vorkehrungen für
eine Erweiterung und Sicherstellung der Grenzen des
Schutgebietes zu treffen. Die Afrikanische Gesellschaft
sah sich sehr bald infolge der Entziehung der Beihülse
aus dem Afrikafonds zur Einstellung ihrer Thäligleit
und zur Auflösung veranlaßt, während Dr. Zint-
graff behufs Ersorschung der im Kamerungebiet
mündenden Flüsse Verwendung im Reichsdienst fand.
Das aus den Hamburger Firmen gebildcte, der
Regierung als Rathgeberin dienende sogenamnte
Kamerunsyndikat hatte sich, zu einer gutachtlichen
Aeußerung über die zunächst in Angriff zu nehmen-
den Gebiete ausgesordert, für eine Reihe einstweilen
nicht weiter als etwa 50 englische Meilen landein-
wärts dringender Expeditionen zur planmäßigen
Ersorschung der für Handel und Plantagenban
wichtigen Gebiete von Kamerun ausgesprochen und
die Unterstützung solcher Expeditionen seinerseits durch
Ueberlassung von Waaren zum Selbstkostenpreis
zugesagt.
Zu dieser „allmählichen und gründlichen Er-
forschung von Kamerm“ griff man im Jahre 1887
auf die Gründung einer wissenschaftlichen Station
zurück, zu der noch die Afrikanische Gesellschaft unler
dem 12. Mai 1886 die Auregung gegeben und zu
deren Leitung sie den nachmaligen Hauptmann Kund
nach dessen Rückkehr von seiner erfolgreichen Reise
im südlichen Kongobecken weiterhin in Vorschlag ge-
bracht hatte. Die Geschicke der Kundschen Batanga-
exbedition sowie der auf sie bis zur Gegenwart
gefolgten zahlreichen weiteren Unternehmungen, welche