Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

slets Unklarheit über die Ankunft und Abfahrt unserer 
Dampfer, da sich das Monatsdatum beständig ver- 
schiebt. Hat man den Termin des vorigen oder 
eines der letzten Schiffe nicht mehr im Kopf, so läßt 
sich der gewünschte Zeitpunkt kaum berechnen. Ist 
dagegen ein für allemal ein bestimmtes Monats- 
datum gegeben, an dem die Schiffe kommen und 
gehen, wie die französischen, so würde diese scheinbar 
unbeträchtliche Acnderung einen sehr sörderlichen Ein- 
fluß auf den Binnenlandverkehr gewinnen. Könnten 
sich serner die drei betheiligten Nationen beispiels- 
weise dahin einigen, daß jede einen monatlichen Turnus 
einhielte und zehntägige Intervalle zwischen den ein- 
zelnen Dampfern geschaffen würden, so dürfte man 
dies als einen wirthschaftlichen Fortschritt von weit- 
tragendster Bedeutung bezeichnen. Es kann dem 
Vorschlage nicht entgegengehalten werden, daß die 
Differenzen in Fahrgeschwindigkeit und Vertheilung 
der Anlageplätze, welche zwischen den einzelnen 
Linien bestehen, einem parallelen Betriebe Schwierig- 
keiten bereiteten. Die gewünschte Zeitregulirung 
kommt nur für den Punkt in Betracht, wo Aller 
Interessen sich vereinigen. Das ist hier Sansibar, 
darüber hinaus trennen sie sich wieder, und dort ist 
eine Interferenz der Fahrten belanglos. 
Es mag gerechtfertigt sein, daß, nachdem Sansibar 
in fremde Hände übergegangen ist, wir uns wirth- 
schaftlich mehr und mehr von der Insel abzulösen 
suchen. Aber im Poslverkehr hören im Allgemeinen 
nationale Bedenken auf. Das Gebiet der Nachrichten- 
vermittelung, die Erleichterung des allseitigen Ge- 
dankenaustausches kennt keine Völkerschranken; die 
Post trägt internationales Gepräge. Und darum 
kann es keinerlei Bedenken erregen, wenn wir bezlüg- 
lich dieses Verkehrszweiges den Anschluß an Sansibar 
aufrecht erhalten. Wer sich in diesem Punkte eigen- 
sinnig zurückzieht, verliert seine wirthschaftliche Be- 
weglichkeit; und eine solche müssen wir uns im inter- 
nationalen Wettbewerb nicht nur zu bewahren, sondern 
immer mehr zu erringen trachten. Der im Allge- 
meinen schwerfällige Deutsche sollte dies um so mehr 
berücksichtigen. 
Eine weitere Vorbedingung für die Entwickelung 
einer umfangreicheren wirthschaftlichen Thätigkeit am 
Kilimandjaro ist endlich die Einrichtung einer Tele- 
graphen= bezw. Telephonlinie zur Küste. Tanga ist 
schon heute mit Dar-es-Saläm und weiterhin Sansibar 
verbunden und somit an das überseeische Kabelnetz 
angeschlossen. Wie überhaupt durch jede Art von 
Kommunikationslinien die Entfernungen sich vermin- 
dern, so unterstützt der telegraphische Anschluß einer 
entlegenen überseeischen Binnenkolonie an den Welt- 
verkehr den wirthschaftlichen Aufschwung derselben 
doch in ganz besonderer Weise. Man glaube nicht, 
daß es bei derartigen relativ beschränkten Kolonisa- 
tionsunternehmen auf rein landwirthschaftlicher Basis 
wenig auf die Schnelligkeit der Verbindung ankäme. 
Je mehr gerade der Betrieb sich in Einzelwirthschaft 
auflöst, je selbständiger der Einzelne arbeitet, um so 
  
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nothwendiger wird die Zeilersparniß, da er ja von 
dem Erfolge seiner eigenen Arbeit abhängt. Eine 
rasche Rentabilität ist für ihn eine Lebensfrage, 
während weitläufige Gesellschaftsunternehmen länger 
Geduld haben können. Wenn z. B. ein Kolonist des 
Binnenlandes sich von irgend welcher maschinellen 
Einrichtung Vortheil verspricht, die er nur aus einem 
industriellen Kulturstaate beziehen lann, und sich 
dieserhalb mit dem betresfenden Produzenten in Ver- 
bindung setzt, so wird es ihn sehr unterstützen, wenn 
er nach Empfang der Prospekte die definitive Be- 
stellung auf telegraphischem Wege machen kann. Auch 
in der Landwirthschaft ist Zeit oft Geld, und das 
um so gewisser, je mehr das Arbeitsfeld den großen 
Wirthschaftscentren entrückt ist. Greist da ein 
prompter Nachrichtendienst ein, so wird ein beträcht- 
liches Maß der Hindernisse, welche die entlegene 
Situation mit sich bringt, von vornherein aus dem 
Wege geräumt.5) 
Auch auf den Lokalverkehr, wenn man die Ver- 
bindung zwischen dem Kilimandjaro und der Küste 
so nennen kann, wirkt die Einrichtung einer Tele- 
graphenlinie belebend. Aus ihrer Verbindung mit 
den übrigen Verkehrsarten, Güter-, Personen= und 
Briefbeförderung, entspringt für letztere ein nicht un- 
bedeutender Gewinn. Es ist klar, daß der ganze 
Betrieb der materiell und langsam arbeitenden 
Kommumikationsmittel durch den ausgleichenden Ein- 
griff des über Zeit und Raum erhabenen Telegraphen 
ein sichrerer und zuverlässigerer wird, daß Stockungen 
in vielen Fällen vermieden bezw. deren Folgen durch 
vorherige Bekanntgabe paralysirt werden können. Das 
gewinnt um so größere Bedeutung, je unvollkommener 
und daher komplizirter das Beförderungswesen noch 
ist, was hier troß aller Verbesserungen gegenüber 
dem bisherigen Zustande doch noch auf lange hinaus 
der Fall sein wird. Ebenso zieht der Privatverkehr 
aus einer telegraphischen Verbindung Nutzen, nicht 
zum wenigsten durch Avisirung von Sendungen. 
Wenn es überhaupt zu einer lebhaften Wirthschafts- 
entfaltung in der Kolonie kommen sollte, was im 
Wesentlichen von der Förderung abhängen wird, 
welche die Regierung in Zukunft kulturellen Bestre- 
bungen zuwendet, so dürfte sich an gewissen Küsten- 
plätzen europäische Kultur so weit festsetzen, daß der 
selbständige Verkehr hiesiger Konsumenten mit Pro- 
duzenten des Mutterlandes in den meisten Dingen 
aufhört. Kaufmännische Betriebsamkeit wird Waaren- 
lager schaffen, die den Bedürfnissen des Landes mit 
der Zeit mehr und mehr entgegenkommen, schüchtern 
wird auch hier und dort die industrielle Thätigkeit 
*) Die ersten Anlagen bei der Inangriffnahme von 
Kolonialgebieten sollten produktiver Nalur sein. Sie mussen 
die großen Hindernisse beseitigen, die der wirthschaftlichen 
Entwickelung im Wege stehen, so zwar, daß sich die General= 
unkosten von vornherein vermindern. Bei Binnengebieten 
liegen die letzteren vornehmlich im Verkehrswesen. Diese 
Kardinalfrage wurde beim bibherigen hiesigen Vorgehen 
außer Acht gelassen.
	        
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