Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

flaggten. Dazu ertönten Böllerschüsse, während 
Samuel mit seinen Großmannen zu unserer Be- 
grüßung vor seinem Hause stand. 
Durch derartige, an sich erfreuliche Sympathie= 
kundgebungen für die deutsche Sache dürfen wir uns 
jedoch nicht allzu sehr täuschen lassen. Dieselben 
kommen noch nicht aus dem Herzen der Hereros 
heraus, sondern sind von oben, Stationschef und 
Oberhäuptling, angeordnet. Und auch bei Letzterem 
sind sie weniger der Ausfluß der Liebe zu uns als 
der Liebe zu unserer Macht, die ich ihm bis jeht 
zur Stärkung seiner Autorität bereitwilligst zur Ver- 
fügung gestellt habe. Wenn wir indessen in unserer 
Wachsamkeit, sowie in unserer Machtentfaltung nicht 
nachlassen, so wird binnen nicht zu langer Frist auf 
diesen guten Anfang doch gewiß ein gutes Ende folgen. 
Der Häuptling Tetjo, den ich behufs Regelung 
seines Verhältnisses zum Oberhäuptling nach Okahandja 
bestellt hatte, war unter einer unstichhaltigen Ent- 
schuldigung ausgeblieben. Der Letztere wäre infolge- 
dessen am liebsten in Gemeinschaft mit mir sofort 
gegen ihn zu Felde gezogen; doch wollte ich mich 
darauf nicht einlassen. Ich habe mich vielmehr 
begnügt, an Tetjo einen tadeluden Brief zu schreiben 
und ihm meinen Besuch in einem halben Jahre in 
Aussicht zu stellen. Desgleichen schrieb ich an den 
Häuptling Kambazembi in Waterberg einen freund- 
schaftlich gehaltenen Brief, um einstweilen den Boden 
für meine ebenfalls in einem halben Jahre zu er- 
wartende Ankunst in Waterberg zu ebnen. Mit der 
Ueberbringung beider Briefe habe ich den Stations- 
chef von Okahandja beauftragt und demselben empfohlen, 
so viel Reiter als Begleiter mitzunehmen, als er auf- 
bringen könnte. 
Die Stärke der Station Okahandja beträgt jetzt 
1 Osffizier, 2 Unteroffiziere, 1 Lazarethgehülfen, 
23 Mann, wovon ein kleiner Theil noch auf eine 
Unterstation abgezweigt werden soll, deren Bestim- 
mung der Distriktschef auf Grund der empsangenen 
Anweisungen an Ort und Stelle selbst vornehmen 
soll. Den bisherigen Distriktschef von Okahandja, 
Sekondlientenant Eggers, habe ich wegen Er- 
krankung ablösen lassen müssen. An seiner Stelle 
habe ich den Sekondlientenant Lampe dorthin versetzt. 
Meine Hauptthätigkeit in Okahandja bestand in 
endgültiger Festsetzung der im Juli vorigen Jahres 
mit Samuel vorläufig vereinbarten Südgrenze des 
Hererolandes. Die Hereros haben von jeher die 
Neigung gehabt, mit ihren zahlreichen Viehherden 
ihre Grenzen zu überschreiten. Die Folgen waren 
früher die ewigen Kriege mit den Hottentotten. 
Ohne die Festsetzung einer bestimmten Südgrenze, 
verbunden mit dem energisch durchgeführten Zwang, 
dieselbe zu respektiren, würde dies seinen Fortgang 
nehmen, nur würden an Stelle der Hottentotten nun- 
mehr unsere Farmer treten und mit der Zeit un- 
bedingt schwierige Verwickelungen entstehen. Das 
haben auf meinen Vorhalt die Hererogroßen in 
Okahandja auch eingesehen und daher der Grenz- 
regulirung, wenn auch gerade nicht leichten Herzens, 
80 
  
zugeslinimt. Den Oberhäuptling gewann ich außerdem 
durch die ihm angebotene Jahressubvention von 
2000 Mk. Die bei ihm dadurch hervorgerufene 
günstige Stimmung benutzte ich überdies, um die 
Grenze noch weiter zurückzuschieben, als dies in dem 
vorläufigen Vertrage bestimmt gewesen war, und 
zwar bis an den oberen Nosob. Einerseits ge- 
winnen wir hierdurch einige Quadratmeilen frucht- 
baren Landes mehr, andererseits und hauptsächlich 
wird die Grenze klarer und — weil längs eines 
Flußlauses — auch dem böswilligsten Herervange 
sichtbar. Um die neue Grenze näher festzulegen, 
sowie die südlich derselben zahlreich wohnenden 
Hereros zurückzuschieben, haben sich der Assessor 
v. Lindequist und der Oberhäuptling Somucl 
verabredet, die Grenze gemeinschaftlich abzureiten. 
Schließlich gab ich den Hereros in wirthschaft- 
licher Beziehung noch zwei Lehren, welche bei der 
Zähigkeit derselben zwar nicht sofort wirken, aber, 
wenn stets wiederholt, mit der Zeit doch von Erfolg 
begleitet sein werden. Die Hereros scheuen vor 
zwei Dingen zurück, die mit unseren kolonialen Be- 
strebungen in direktem Widerspruch stehen. Einerseits 
wollen sie kein Land an Weiße verkaufen, sondern 
diesen lediglich die Erlaubniß zum dort Wohnen 
geben, andrerscits ihre Ochsenherden nicht verwerthen, 
sondern in das Ungemessene vermehren. Das Erstere 
sieht der gedeihlichen Entwickelung des Landes direkt 
im Wege, da ein Weißer, welcher nicht Besitzer, son- 
dern nur Nutzuießer desselben ist, nichts dafür thun 
wird, während die Wasser= und Weideverhältnisse 
hier noch sehr der Verbesserung harren. Außerdem 
liegt die ganze Zukunft der Kolonie in dem allmählichen 
Uebergang des nicht bewirthschafteten Landes aus 
den Händen der arbeitsscheuen Eingeborenen in 
diejenigen der Europäer begründet, was auf diesem 
Wege in der friedlichsten Weise geschehen wird. Das 
Anhäufen der Ochsenherden dagegen macht die 
Hereros für unsern Handel und Industrie unproduktiv, 
schädigt außerdem den Verkehr im Lande, da auf 
den stark mitgenommenen Weidefeldern Zugthiere 
und Pferde kein Futter mehr finden, was ich auf 
meinem letzten Zuge zu unserem Schaden selbst er- 
sahren mußte. Endlich würde der Zwang für die 
Hereros, steis nach neuen Weidefeldern zu suchen, 
nie aufhören, und infolge davon auch die Grenz- 
streitigkeiten kein Ende nehmen. Ich habe dies den 
Hererohäuptern vorgestellt und sie darauf hingewiesen, 
daß ein Ochse, welcher an Altersschwäche stirbt, seinen 
Beruf versehlt habe. Nupbringend sei ein solcher 
erst geworden, wenn er entweder eingespannt, zur 
Nahrung verwendet oder verkauft werde. Es wird 
lange währen, bis den Hereros diese Lehre einleuchtet. 
Wie der habgierige Europäer seine Gold= und Silber- 
münzen, so häufen sie ihre Ochsenherden an, nur 
um sich an deren Anblick zu weiden. Ich werde 
aber mit meinen Ermahnungen nicht ablassen und 
darf gewiß erwarten, daß die im Schutzgebiete fort- 
schreitende Civilisation meine Bemühungen unter- 
stützen wird. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.