Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Innern sitzen geblieben. Er empfiug Graf Goetzen 
mit allen Ehren. Die Stadt, welche 5000 Köpfe 
enthalten mag, macht einen blühenden Eindruck. Mais, 
Reis, Bataten, Maniok, Erdnüsse und Zuckerrohr, 
Bananen und Citronen gedeihen und werden von den 
zahlreichen Sklaven gebaut. 
In westlicher Richtung fortgehend, setzte die Ex- 
pedition am 17. August über den reißenden, sehr 
tiefen, etwa 100 m breiten Lowa, erreichte am 21. 
eine weitere große Ansiedelung von eingewanderten 
Wasuaheli und Manyema und lagerte am 27. am 
Oso, einem schönen, etwa 300 m breiten Nebenfluß 
des erstgenannten Flusses. Die nun folgende Zeit 
bis zum 10. September, dem Ankunftstage am Luvuto, 
brachte Leiden und Verluste schlimmster Art. Ge- 
täuscht durch unrichtige Wegeangaben und durch die 
falsche Versicherung, daß Ortschaften und Nahrungen 
auf der Noule zu finden seien, hatte Graf Goetzen 
die Leute nicht mit anscheinend unnützem Proviant 
belasten wollen. Leider stellte es sich heraus, daß 
auch in den beiden am Wege liegenden Nieder= 
lassungen nicht das Geringste zu haben war, daß zur 
Zeit des Araberkrieges alle Dörfer verlassen und 
erst kürzlich oder auch gar nicht von ihren früheren 
Insassen besiedelt worden waren, und so litt denn 
während zwei Wochen die Expedition unter völligem 
Nahrungsmangel und verlor durch Hunger, Ent- 
kräftung und Vergistung ungesähr 30 Lente. 
An dem stattlichen Luvuto hatten die Leiden ein 
Ende. Am 17. September traf ein auf die Nachricht 
von dem Nahen einer deutschen Expedition derselben 
entgegengesandter belgischer Beamter ein, und am 
21. September hielt Graf Goetzen seinen Einzug 
in dem am Kongo liegenden, — meist fälschlich mit 
„Kibonge“" bezeichneten, — Kivundu. Eine viertägige 
Bootsfahrt brachte die Karawane an die Hauptstation 
der Zone Arabe, das von Kommandant Lothaire 
neugegründete Vabundu, und weiter an die Stauley- 
sälle. Nach dreiwöchigem Warten holte ein großer 
Dampfer, mit dem Inspekteur Paul le Marinel an 
Vord, die noch 220 Köpfe zählende Expedition ab 
und erreichte Leopoldville am 11. November. 
In sämmtlichen Stationen des Kongostaates, die 
berührt wurden, waren die Agenten von ebenso großer 
ehrender Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit 
gegen den Führer und dessen Begleiter wie Fürsorge 
für die Mannschaften. Während Kanonenschüsse, die 
Klänge der Nationalhymne und wehende Fahnen die 
deutschen Farben begrüßten, erwarleten Festlichkeiten 
mit den Beamten die Europäer und waren Verpfle- 
  
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gung und Ouartier für die Leute vorbereitet. In 
Leopoldville empfing der Gouverneur Major Wahis 
den Grasen Goeßen und sicherte ihm jede nur 
mögliche Hülfe und Unterstützung zu. 
Trotzdem war wegen des chronischen Nahrungs- 
mangels der achtzehntägige Fußmarsch um die 
Schnellen des unteren Kongo herum noch mit einigen 
Verlusten verknüpst. Es waren noch drei Europäer 
und 207 Schwarze, welche am 29. November von 
den Höhen des Pallaballa nach Matadi herabstiegen. 
Von Ocean zu Ocean — denn Matadi ist als 
Sechafen zu betrachten — hatte die Durchquerung 
11 Monate und 8 Tage in Anspruch genommen. 
Ein Dampfer des Staates trug die Expedition 
weiter nach Boma und Banana. Ein dort liegendes 
englisches Kohlenschiff konnte nach der Ostküste ge- 
chartert werden, und bereits am 11. Dezember 
dampften die Mannschaften unter Leitung des 
Dr. Kersting nach Süden, während Graf Goetzen 
und Dr. v. Prittwitz über Cabinda und St. Thomê 
nach Lissabon zurückgingen. 
Der Zweck der Reise war ein rein geographischer, 
und die Erfolge der Expedition liegen lediglich auf 
diesem Gebiete. 
Zur besonderen Genugthuung gereicht es dem 
Führer, daß er diese seine Zwecke auf durchaus 
friedlichem Wege erreichte, selbstverständlich ohne Be- 
einträchtigung der Würde und des Ansehens der 
Weißen. Wenn von den Eingeborenen überhaupt 
Schwierigkeiten gemacht wurden, genügte eine ruhige, 
mit einiger Geduld geführte Verhandlung, eventuell 
mit Hinweis auf die der Expedition zur Verfügung 
stehenden Machtmittel, um jene gefügig zu machen. 
Zu einem offenen Kampfe ist es nie gekommen. Der 
Ueberfall in Meatu ist lediglich dem Umstande zu- 
zuschreiben, daß eine vorangegangene Expedition dort 
übel gehaust und Furcht und Haß gegen die Weißen 
verbreitct hatte. Es mag, um den diesbeziglichen 
Berichten einiger Blätter entgegenzutreten, kurz er- 
wähnt sein, daß der Wegezoll oder Tribut nie ver- 
langt wurde; sollte überhaupt je noch ein derartiges 
unverschämtes Ansinnen gestellt werden, so ist der 
Weiße es sich selbst und seinem Ansehen schuldig, 
auf das Energischste gegen die Heischenden vorzu- 
gehen. 
So hat die Expedition durch gewaltsamen Tod 
nur wenige Leute verloren. Eine Reihe erlagen den 
Pocken und der Dysenterie, ebenso dem Fieber. Ge- 
rade gegen diese lebtere Krankheit sind die Schwarzen 
durchaus nicht widerstandsfähig, und wären ohne die 
sorgfältige Behandlung, die Dr. Kersting jedem 
Kranken täglich aungedeihen ließ, die Abgänge wohl 
noch größer gewesen. Am schlimmsten hat der Hunger 
gewüthet; ungefähr 30 Menschen sind ihm, der Ueber- 
anstrengung und einer Vergistung mit Waldnüssen 
zum Opfer gefallen. Eine größere Anzahl der Träger 
zog es auch vor, zu entlaufen und in deu reichen 
Waldansiedelungen zu bleiben. Auf diese Art erklärt 
sich der immerhin starke Verlust von etwa 30 péCt. 
während des Marsches im Kongobecken. Am besten 
war der Gesundheitszustand natürlich auf dem Platcau 
von Ruhanda, wo eine Ansiedelung von Europäern 
  
durchaus möglich und lohnend erscheint. 
Das vorzügliche Befinden, dessen die Europäer 
sich während der ganzen Reise zu erfreuen hatten, 
ist in erster Linie der strengen Diät und slcten ärzt- 
lichen Aufsicht zuzuschreiben. Keiner der Reisenden
	        
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