Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

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Einfachheit, ja Armuth lebt. Ich sah deshalb auch 
unter den Leuten wenig europäische Stoffe, und sind 
auch hier die Hauptbekleidungsmittel gefärbte Rinden- 
stoffe; bei besonderen Gelegenheiten pflegen sic den 
Körper mit Rothholz zu bemalen. Eine große 
Sorgfalt verwenden die Wutés, Männer und Weiber, 
auf ihre Frisur, welche sie in langen Strängen von 
vorn nach hinten über den Kopf ziehen und seit- 
wärts in steisen Locken auslaufen lassen. Um diese 
Haarc fest, ja steinhart zu machen, verwenden sie 
eine Pomade aus Palmöl, Nothholz, Baumwachs 
oder auch Lehm. 
Das Kriegerabzeichen ist eine kleine, deckelartige 
Holzmütze, welche auf der Frisur befestigt wird. 
Es ist ein stolzer, selbstbewußter Stamm; ich 
wurde hier niemals durch die sonst dem Reisenden 
so lästigen Betteleien gestört, d. h. es ist eben hier 
Alles, auch das Betteln, Monopol des Häuptlings. 
Am folgenden Morgen sandte Ngila Essen für 
meine Leute, bestehend aus Durrhakuchen und Gemise 
mit gekochtem Biffelfleisch, und für uns Weiße 
Hühner und Bier. Ich rüstete mich, um ihm nach- 
mittags in feierlichem Aufzuge die für ihn bestimmten 
Geschenke zu überreichen. Dieselben bestanden aus 
10 Gewehren, 4 Fäschen Pulver, 1 rothen Haussalleid, 
1 Schwert, einer großen Menge verschiedener Stoffe, 
Dolchen, Feuersteinen und den üblichen Kleinigkeiten, als 
Perlen, Spiegel, Messer, Schmuck u. s. w. Ganz 
Ngila schien auf den großen Platz vor den Hütten 
des Häuptlings ausgerückt, um unsere Gaben zu 
sehen. Diese schienen Lionns Beifall gefunden zu 
haben, denn nachdem er prüfend jedes einzelne Stück 
gemustert hatte, gingen sie im Kreise seiner Großen 
und Lieblingsweiber von Hand zu Hand, und wie 
ein Kind bezeugte er durch Händeklatschen seine 
Freude über das eine oder das andere Stück, das 
ihm besonders gefiel. 
Er sagte mir seinen besten Dank für die bedeu- 
tenden Geschenke und vor Allem dafür, daß wir 
wieder zu ihm gekommen seien, und bat mich nun, 
auch das Wort des Weißen, welcher früher bei 
Ngila war, wahr zu machen und einc Station zu 
errichten; er würde mir hierzu den schönsten Platz 
im Orte anweisen. Ich erwiderte ihm, aus meinem 
Besuche könne er ersehen, daß es bekannt sei, daß er 
und sein Volk die Freunde der Weißen seien, und 
deshalb würden mir auch bald weiße Händler solgen, 
welche ein dauerndes Handelsverhältniß mit ihm 
anknüpfen würden. Was mich anbeträfe, könnte ich 
nicht sehr lange bei ihm verweilen, da ich auch seine 
Tributarherren in Tibati und wola besuchen müsse. 
Daß er jedoch in hohem Ansehen bei uns stände 
möge er daraus ersehen, daß wir den Weg dahin 
nicht über das große Wasser, sondern über sein Land 
genommen hätten. — Damit schien er zufrieden zu 
sein und bat uns, in unsere Häuser zurückzukehren, 
morgen werde er uns seine Gegengeschenke über- 
reichen. So lange jedoch sollten wir seine Gesell- 
schaft nicht entbehren, denn bereits am selben Abend 
  
– 
erschien er in meiner Wohnung, um mir einen soge- 
nannten Privatbesuch zu machen. Nach einigen ein- 
leitenden Redensarten ging er direlt auf sein Ziel 
los. Er sagte mir, ich hätte ihm zwar große Ge- 
schenke gemacht, und vor Allem hätten ihn die Ge- 
wehre sehr erfreut, denn die Wuts seien ein kriege- 
risches Volkl; aber von den 10 Stück, welche er 
erhalten, hätte er 7 an andere Häuptlinge abgegeben, 
so daß ihm nur 3 geblieben seien, und so möchte ich 
doch noch einige zulegen. So sehr ich nun aller- 
dings erstaunt war über die seltene Schamlosigkeit, 
mit welcher mich Lionn kurz nach Empfang meiner 
wirklich über das Maß hinausgegangenen Geschenke 
anbettelte, konnte mich doch sehr bald in dieser Hin- 
sicht nichts mehr in Erstaunen setzen, denn hiermit 
begannen erst die unaushörlichen Betteleien, denen 
ich während meines ganzen Aufenthaltes in Ngila 
von Seiten des habsüchtigen Häuptlings ausgesetzt 
war, denen er durch alle möglichen Mittel Nachdruck 
zu verleihen suchte, und welche mir den Aufenthalt 
derart verleideten, daß ich suchte, so bald als irgend 
möglich wegzukommen. Selbstverständlich blieb ich 
unempfindlich für jetzt und später, und konnte ich 
bereits bei Empfang seiner Gegengeschenke den Grad 
seiner Stimmung gegen mich bemessen, denn diese 
bestanden aus 10 theilweise sehr kleinen Elefanten- 
zähnen und einem recht minderen Pferde. Ich ließ 
ihm auch mein Mißfallen darüber durch Cornelins 
ausdrücken, und sagte er zu diesem, er würde mir 
viele und große Geschenke machen, doch müßte ich 
ihm auch noch viel geben, das hieß mit dürren 
Worten, er wollte mit mir ein großes Tauschgeschäft 
eingehen, bei welchem ich jedoch nicht hätte markten 
dürsen. Darauf nun konnte ich mich selbstverständ- 
lich nicht einlassen, und so trübte sich unser gegen- 
seitiges Verhällniß mehr und mehr. Täglich mußte 
ich stundenlang seine Betteleien ertragen, speziell 
wünschte er absolut einen Hinterlader zu besitzen. 
Wenn ich ganz taub für seine Bitten war, verlicß 
er meist im Zorn die Hütte, und ich merkte bald die 
Folgen desselben daran, daß es meinen Leuten nicht 
möglich war, im Orte Lebensmittel einzukausen, da 
Lionn seinem Volke verboten hatte, solche an uns 
abzugeben. Allerdings wurden wir dann nachts 
durch die Haussas mit Proviant versehen, doch war 
es erklärlich, daß diese geriebenen Kaufleute hierbei 
ihren Vortheil wahrnahmen und uns die Preise 
entsprechend höher berechneten. 
Ich möchte deshalb auch einer Handelskarawane 
nicht rathen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen 
nach Ngila selbst zu kommen, da sie dort zu sehr 
der Willkür des habsüchtigen Häuptlings ausgeseßzt 
ist, vielmehr dürste der Platz für eine vorüber- 
gehende Station eher an den Nachtigalfällen zu 
finden sein. 
Der dort herrschende Häuptling Nyumbe be- 
suchte mich während meines Aufenthalts in Ngila 
und hat auf mich einen bedeutend besseren Eindruck 
als alle anderen Häuptlinge gemacht. Er theilte
	        
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