Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

Was meinen dreimonatlichen Aufenthalt in Nkosi- 
land betrifft, so hatte derselbe den Zweck, wenn irgend 
Möglich, die ersten einleitenden Schritte zur Begrün- 
dung einer Missionsniederlassung daselbst zu thun. 
Inwieweit dieses Ziel zu erreichen war, hing zunächst 
vollständig von der Stimmung und dem guten Willen 
der Nkosibevölkerung ab. In dieser Hinsicht waren 
anfänglich die Aussichten so ungünstig als möglich. 
Geradezu ein Sturm der Erregung erhob sich durch 
das ganze Land, als mich der junge und verständige 
Häuptling Jebe (Dschebe) von Nyasoso in seinem 
Dorse willkommen hieß und meine Absichten billigte. 
Schon nach drei Tagen erklärten die großen Dörfer 
Sundem und Ngombo dem Häuplling Jebe den 
Kricg, wenn er mich nicht innerhalb einiger Tage 
aus Nyasoso verweise. Zwei Tage später, am 18.Fe- 
bruar, versammelte sich eine große Menge Volks im 
Dorse Sundem und beschlossen bei feierlichen Cere- 
monien, falls ich nicht abziehe, mich umzubringen. 
Die Stimmung in Nyasoso wurde durch die drohende 
Haltung der übrigen Dörfer mit jeder Stunde be- 
denklicher, und die Dorfhäupter verlangten von Jebe 
immer stürmischer, mich zu verjagen. Dieser blieb jedoch 
allen Androhungen gegenüber standhaft, doch zweifelte 
er zuletzt selbst, mich halten zu können. In dieser 
bedrängten Lage, in der die Möglichkeit meincs 
Bleibens abgeschnitten schien und meine Sicherheit 
bedroht war, entschloß ich mich noch zu einem Schritt, 
der leicht verhängnißvoll hätte werden können. Da 
ich jede Stundc den direkten Ausweisebefehl von 
Sundem und Ngombo erwarten mußte, dem auch 
Jebe sich nicht zu widersetzen gewagt hätte, so wollte 
ich die feindlichen Hauptdörfer Sundem und Ngombo 
durch mein persönliches Erscheinen überraschen und 
dadurch, wenn möglich, noch eine Aenderung der 
Stimmung herbeizuführen. Von dem am 18. Februar 
festgesetzten Beschluß wußte ich bis dahin nichts und 
vermuthete daher auch keine besondere Gefahr für 
meine Person; es war mir nur zu Ohren gekommen, 
daß am 17. Februar in mehreren Dörfern viel Vieh 
geschlachtet worden sei, weil man fürchte, ich werde 
durch meine Zaubermacht Menschen und Vieh zu 
Grunde richten. So machte ich mich am Morgen 
des 19. Febrnar mit drei Abo= und zwei Nhasoso= 
jungens auf den Weg nach Sundem. 
Gleich in dem nächsten Dorse, Mpako, ging ein 
Sturmlauf gegen uns los, der mich nicht wenig 
überraschte; man suchte uns aufzuhalten, und meine 
Jungens wurden fortwährend gestoßen und hin= und 
hergezerrt. Ich war mir meiner Situation bald 
klar, doch schritt ich so unverfroren als möglich 
weiter und trat, als ob ich vom ganzen Tumult, 
der hinter mir her sich bewegte, nichts merkte und 
flüsterte meinen angstvollen Jungens fortwährend 
Muth zu, denn ich war mir bewußt, daß, wenn wir 
hier zum Stehen gebracht und zurückgetrieben werden, 
unsere ganze Sache verloren war und froh sein 
mußten, wenn wir überhaupt noch ungefährdet das 
Nlosiland verlassen konnten. So schlugen wir uns 
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denn durch und erreichten unter Lärm und Tumult 
das große Dorf Sundem. Hier ging sofort ein un- 
geheurer Sturm los. Hätte ich gewußt, was tags 
zuvor hier beschlossen worden war, ich würde wohl 
an der Aussichtslosigkeit jenes Plans kaum mehr ge- 
zweifelt haben. Zum Glück war ich immer noch 
vertrauensselig genug, um keinen schlimmeren Be- 
fürchtungen Naum zu geben. Lange wogte der Tu- 
mult auf offener Straste hin und her, während meinen 
vor Angst schlotternden Jungens nicht geslattet wurde, 
ihre Lasten vom Kopfe zu thun. Ich wollte jedoch 
meine Sache nicht so leichten Kaufs verloren geben 
und sträubte mich aufs Aeußerste, das Dorf zu ver- 
lassen. Schließlich gelang es auch, in eine Hütte 
eingelassen zu werden und damit war meine Sache 
zu einem guten Theil gewonnen. Mit diesem Akt 
war mir nämlich, wenn auch erzwungen, das Gast- 
recht gewährt, und wollten sie nicht gegen alle Sitte 
verstoßen, so durfte ich nicht weiter vergewaltigt 
werden. Meine Lage war jedoch nichts weniger als 
angenehm. Immer von Neuem entstand wieder 
Numor, und in der folgenden Nacht war mein Schick- 
sal beinahe besiegelt. Eine Rotte wüthender Menschen 
sammelte sich um Mitternacht vor meiner Hütte und 
verlangte brüllend vom Häuptling, mich herauszugeben, 
um mir den Kopf abzuhauen und mein Fleisch zu 
kosten, welches, wie die Mordgesellen versicherten, 
„durch und durch so süß sei, wic lauter Salz“. Der 
Häuptling Lobwe, ein schwacher und furchtsamer 
Mann, wollte jedoch die Verantwortung nicht auf sich 
nehmen und gab die Erlaubniß nicht. So entlam 
ich zuletzt nach allen aufregenden Szenen doch un- 
beschadet den Händen meiner Gegner. Mit einiger 
Hosfnung auf die Möglichkeit meines Bleibens im 
Nkosiland konnte ich wieder von Sundem nach Nyasoso 
zurückkehren. Die stürmische Erregung der Gemüther 
war für den Augenblick etwas gelegt, doch war die 
Stimmung noch keineswegs günstig und war dadurch 
noch mehrere Wochen die Erreichung meines Zwecks 
in Frage gezogen. Da ich von Anfang an wußte, 
daß größtentheils abergläubische Furcht und unrichtige 
Vorstellungen die Ursache der feindseligen Aeußerungen 
waren, so ließ ich es mir aufs Aeußerste angelegen 
sein, den freundlichsten Verlehr zu pflegen und Alles 
zu thun, was geeignet war, die Leute vom Gegen- 
theil ihrer Befürchtungen zu überzeugen. Der Erfolg 
hiervon trat denn auch bald in erfreulichster Weise 
zu Tage. Das Zutrauen wenigstens der Nyasoso- 
leute wuchs zusehends, und nach fünf bis sechs Wochen 
war es so weit, daß mich die Nyasosolente selbst baten, 
bei ihnen zu bleiben, sie mir auch ihre Beihülfe zur 
Errichtung eines Wohnhauses zusagten. Die übrigen 
Dörfer sahen zwar noch immer nicht gut zur Sache, 
doch bereitete man mir keine sonderlichen Schwierig- 
keiten mehr. 
Die folgende Zeit war nun ausgefüllt mit der 
Errichtung eines provisorischen Wohnhauses, welches 
ganz aus einheimischem Material, nämlich aus roh 
aczimmerten Balken und Brettern, letztere mit dem
	        
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