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strator 3. Klasse. Weiteres Vorrücken war von er-
neuten Prüfungen abhängig gemacht, eine nicht glück-
liche Bestimmung, weil sie geeignet ist, Theorctiker
zu erziehen. Das Dekret gewährte serner den Be-
amten nach dreijähriger ununterbrochener Dienstzeit
in der Kolonie sechs Monate Heimathsurlaub mit
vollem Gehalt, der unter Umständen verdoppelt, ja
verdreisacht werden konnte. Es gab gegen Suspen-
dirung und Abberufung gewisse Sicherheiten und er-
höhte neben Gewährung von Miethsentschädigung und
sonstigen Vortheilen die Gehälter (Inspekteur
18 000 Frcs., Administrateure 13.000, 10 000 und
8000 Fres., Stagiaire 5000 Fres.). Für die Zu-
kunft des Beamten wurde dadurch gesorgt, daß für
jedes volle Dienstjahr in der Kolonic eine bestimmte
Summe (compte de prevoyance) beponirt wurde
(Inspekteure 5500 Frecs., Administrateure 4500, 4000
und 3500 Frcs.), welche Beträge nach 12 vollen Dienst-
jahren in der Kolonie einschließlich der aufgelaufenen
Zinsen zur Auszahlung gelangten und ein beträcht-
liches Kapital bildeten (75000, 65,000, 50 000 und
45 000 Frcs.). Leider wurden diese Bestimmungen,
welche der Kolonie gute Administratoren zugeführt
haben, durch ein Dekret von 1881 geändert, um die
in der Mehrzahl befindlichen Beamten niederen
Nanges für Wahlzwecke zu gewinnen. Man schaffte
die Vorbereitungsschule ab, verminderte die Ansprüche
an die höheren Beamten, trennte deren Funktionen,
gab die comptes de prévoyancc auch an andere
Beamte als an Inspekteure und Administrateurc,
sete sie bei letzteren herab und beseitigte sic schließ-
lich ganz, weil sie in ihrer Ausdehnung den Etat
zu stark belasteten. Durch Alles dies wurde die
Qualität der Beamien in Cochinchina sehr herab-
gesetzt.
Von den englischen Kolonien bestehen, abge-
sehen von Indien, nur für Hongkong, die Straits-
Settlements und Ceylon besondere hier inter-
essirende Bestimmungen. Die Bewerber müssen sich
zunächst einer eingehenden ärztlichen Prüfung unter-
ziehen. Für die höhere Laufbahn ist die Zu-
lassung an eine Prüfung geknüpft. Für diese
sind obligatorisch: eine Uebersetzung aus dem Lateini-
schen und ein lateinisches Exerzitium; dasselbe nach
Wahl in Griechisch, Französisch, Deutsch oder Italienisch;
ein englischer Aufsat, und ein Verwaltungsthema.
Ferner fakultativ zwei der nachfolgenden Gegen-
stände: reine und angewandte Mathematik, Geographie,
Geschichte, Völkerrecht, Nationalölonomie, Geologie,
Planzeichnen, Geniewesen. Obschon das Examen
nicht leicht ist, melden sich Bewerber weit über
Bedarf. Nach bestandenem Examen begiebt sich der
„Eastern Cadet" in die Kolonie, wo er zunächst
die Sprache (Chinesisch) lernt und 1500 Dollar
jährlich bezieht. Nach Bestehen einer zweiten Prü-
sung wird er mit einem Anfangsgehalt von 1800
Dollar angestellt. Die Gehälter der höheren Stellen
sind sehr bedeutend.
Besonders sorgfältig ist die Answahl und Vor-
bildung der für den Dienst in Indien bestimmten
Beamten. Ein Land von dieser Größe und Ver-
schiedenartigkeit kann nur durch besonders befähigte
Personen verwaltet werden, welche Geschichte, Sitten
und Charakter des von uns so verschiedenen Volkes
gründlich kennen. Nur dadurch, daß sie die Beamten
der Elite der Nation zu entnehmen verstanden, ist
es den Engländern gelungen, mit einem verhältniß-
mäßig sehr kleinen Stab europäischer Beamten ein
derartiges Reich zu verwalten.
Für das Zulassungsexamen wird eine allgemeine
Bildung, wie sie auf den Universitäten von Oxford
und Cambridge erworben wird, verlangt, damit der,
welcher das Examen nicht besteht, noch eine andere
Laufbahn wählen kann. Die sich Meldenden müssen
21 bis 23 Jahre alt sein. Das Examen hat einen
allgemeinen Charakter, von besonderen Fächern wer-
den nur etwas indische Geschichte, sowie die Anfangs=
gründe des Sanskrit und des Arabischen verlangt.
Der Kandidat hat größte Freiheit in der Wahl der
Stoffe, muß aber das, wofür er sich meldet, gründ-
lich beherrschen. Nach Bestehen der Prüfung beginnt
eine Fachausbildung, welche privatim oder auf einer
dazu geeigneten Anstalt erworben wird. Die Kandi-
daten müssen sich auch körperlich üben, insbesondere
lange Reittonren zu machen im Stande sein. Sie
stehen übrigens stets in Verbindung mit den Mit-
hliedern der ersten Prüfungskommission (zum Theil
ehemaligen indischen Beamten), die sie mit Bezug
auf ihre körperlichen und moralischen Eigenschaften
stetig überwachen und die nach Ablauf eines Jahres
das zweite Examen abnehmen. Dieses ist im Gegen-
satz zum ersten ein spezielles. An Stelle der eng-
lischen Geschichte tritt die indische; an Stelle des
römischen und englischen Rechts das indische; es
wird nicht mehr Sanfkrit oder Arabisch allein ver-
langt, sondern auch persisch, das am Hofe der indi-
schen Fürsten gesprochen wird, sowie ferner die
Vulgärsprache (hindustanisch, birmanisch u. s. w.) der
Provinz, für die der Betreffende bestimmt ist. Die
meisten Fächer sind obligatorisch, und besonderer
Werth wird auf das mündliche Examen gelegt. Nach
Bestehen des zweiten Examens werden die Betreffen-
den als sogenannte inellective ollicers einem
höheren Beamten beigegeben. Nach definitiver An-
stellung steht ihnen eine sichere und ehrenvolle Lauf-
bahn bei hohem Gehalt und Pensionsansprüchen offen.
Auch Holland besitzt nur für einen Theil seiner
Kolonien, die ostindischen (Java, Sumatra), besondere
Einrichtungen hinsichtlich der Vorbildung der Beamten.
Für Beamte mit weniger als 150 fl. monatlicher
Remuneration besteht ein in der Kolonie selbst ab-
zulegendes elementares Examen. Für die höheren
Beamten kommt im Wesentlichen die große Staats-
prüfung (Groot- ambtenaars examen) in Be-
tracht. Das Examen findet entweder in Holland
oder in Indien statt. Die Bedingungen der Zu-
lassung sind: holländische Nationalität, Freiheit von
jeder militärischen Dienstverpflichtung, Abgangszeugniß