wollenindustrie, namentlich in England, seit der Er-
findung moderner Maschinen und über den Einfluß
der verbesserten modernen Fabrikationsweise auf den
Handel zwischen England und Ostindien mit Baum-
wolle und Baumwollenfabrikaten.
Seinen Angaben über die interessante und wechsel-
volle Geschichte dieser Handelsbeziehungen entnehmen
wir Folgendes:
Der Ursprung der Baumwollenindustrie ist in
Ostindien. Viele Jahrhunderte lang deckte Indien
den Bedarf der vorderasiatischen Länder und der
östlichen Theile Afrikas an baumwollenen Kleidungs-
stücken. Auch nach England entwickelte sich eine
starke Ausfuhr der verschiedensten Baumwollenfabrikate,
die besonders im 17. Jahrhundert durch die Thätig-
keit der englisch= und holländisch-ostindischen Handels-
gesellschaften eine große Ausdehnung gewann. Im
Jahre 1621 berechnete einer der Direktoren der
East India Company, Mr. Main, die jährliche
Einfuhr indischer Kalikostoffe nach England auf
50 000 Stück. Der Werth der Einfuhr indischer
Baumwollenfabrikate steigerte sich im Jahre 1674/75
auf 160 000 Pfd. Sterl. Die indischen Baumwollen-
stoffe kamen in dieser Zeit derart in England in
Aufnahme, daß dort bald darauf eine starke Gegenbewe-
gung gegen ihre Einfuhr entstand, da durch sie die
heimische englische Wollindustrie ruinirt zu werden
drohte. Man suchte deshalb beim Beginn des
18. Jahrhunderts sowohl in England wie in anderen
europäischen Ländern die Einfuhr indischer Baum-
wollenstoffe auf dem Wege der Gesetzgebung mög-
lichst einzuschränken sowohl durch hohe Einfuhrzölle
als durch gänzliche Verbote der Einfuhr unter An-
drohung von Strafen. Im 17. Jahrhundert erklärte
sogar das britische Parlament, der ostindische Handel
schädige den nationalen Wohlstand, weil er dem
Volke seine Reichthümer entziehe.
Seitdem trat eine allmähliche, aber völlige Um-
kehrung des Verhältnisses zwischen England und Ost-
indien bezüglich des Baumwollenhandels ein. Wäh-
rend die Baumwollenfabrikation in Indien fast ohne
jede Verbesserung auf der seit uralter Zeit über-
lieferten primitiven Herstellungsweise stehen geblieben
war, entwickelte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts
in England eine eigene Baumwollenfabrikation, welche
schließlich infolge der Amwendung moderner Maschinen
einen solchen Umfang annahm, daß umgekehrt Indien,
dessen Fabrikation dieser Konkurrenz unterlag, ein
Hauptabsatzgebiet für die englischen Baumwollen=
fabrikate wurde.
Einige Daten mögen zur Veranschaulichung dieser
Umwandlung dienen. In der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts war Rohbaumwolle als Handels-
artikel in England kaum bekannt. Die erste englische
Baumwollenfabrik, welche im Jahre 1771 erbaut
wurde, beschäftigte nur zehn Mädchen; die Maschinen
wurden durch zwei Esel in Bewegung gesetzt. Im
Jahre 1790 wurde die Wattsche Dampfmaschine als
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Triebkraft eingeführt. Noch im Jahre 1800 konnten
auf einem Webestuhl wöchentlich nicht mehr als vier
Stück Zeug hergestellt werden. 1813 betrug die
Zahl der mit Dampfkraft getriebenen Webestühle
2400; sie wuchs bis zum Jahre 1833 auf 100 000
bis 1860 auf 400 000.
Im Jahre 1861 gab es in England mehr als
2470 Baumwollenfabriken, 1885 nach zuverlässigen
Angaben 2635. Die Zahl der Spindeln stieg von
32 Millionen im Jahre 1863 auf 41 Millionen
im Jahre 1885; in demselben Jahre betrug die
Gesammtzahl der durch die Baumwollenindustrie
direkt beschäftigten Personen mehr als eine halbe
Million.
Was den Gesammtexport von Baumwollenfabri-
katen aus England anbetrifft, so betrug derselbe im
Jahre 1861 im Ganzen 52 Millionen Pfd. Sterl.;
er wuchs auf 67 Millionen Pfd. Sterl. im Jahre 1885
und auf 71 Millionen im Jahre 1887; es ist dies un-
gefähr ⅜/ des jährlichen Gesammtexports Englands.
Nach Indien exportirte England schon im Jahre
1862 Baumwollenfabrikate im Werthe von ungefähr
9 Millionen Pfd. Sterl., 1866 im Werthe von
ungefähr 13½ Millionen, im Jahre 1886/87 da-
gegen von ungefähr 29 Millionen Pfd. Sterl.
Mit der fortschreitenden Entwickelung der eng-
lischen Baumwollenindustrie stieg gleichzeitig die
Ausfuhr von Rohbaumwolle aus Indien nach Eng-
land, und zwar von 5 Millionen Pfd. im Jahre
1781 auf 1000 Millionen Pfd. im Jahre 1881.
Mit der indischen Baumwolle trat die amerikanische
in Wettbewerb. Noch im Jahre 1818 lieferte Indien
eine größere Quantität Baumwolle nach England als
Amerika, und zwar zu einem billigeren Preise als
letzteres. Dann aber verdrängte die amerikanische
Baumwolle die indische vom Markte infolge der
Kultur einer längeren, stärkeren Faser und der An-
wendung verbesserter Reinigungsmaschinen in Amerika.
Auch die größere Sorgfalt bei der Ernte, billiger
Transport bis zur Küste und niedrige Frachten be-
günstigten die amerikanische Baumwolle. Außerdem
hatte der indische Pflanzer unter den ihm nach-
theiligen Maßnahmen der Regierung des eigenen
Landes zu leiden, die eine möglichst hohe Steuer
auf die Baumwollenkulturen legte und nichts für
deren Förderung that. Die Folge war, daß der
Export indischer Baumwolle nach England im Jahre
1822 auf 2 Millionen Pfd. sank, während der
Export aus den Vereinigten Staaten auf 100 Mil-
lionen Pfd. Sterl. stieg.
Zu gleicher Zeit war auch in Indien die ein-
heimische Handweberei, durch die die werthvollen
Musseline u. s. w. hergestellt wurden, nach langem
Kampfe dem Mitbewerb der englischen Dampf-
webereien endlich unterlegen. Denn die Einfuhr
der indischen Fabrikate nach England wurde durch
hohe Prohibitivzölle erschwert, während die englisch-
indische Regierung die entwickeltere englische Industrie
begünstigte durch Zulassung der Einfuhr ihrer Fabri-