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so gut ihre Schattenseiten wie eine rein aus Ein-
geborenen bestehende. Das günstigste Ergebniß liefert
die Vermischung von beiden. Unter den 500 Reitern,
aus welchen am Schlusse des letzten Feldzuges die
Truppe bestand, befanden sich kaum 180 Weiße, und
doch war der Erfolg ein völlig zufriedenstellender.
Auf Grund solcher Erfahrungen müssen wir unsere
Bemühnungen, die Eingeborenen an unsere Interessen
zu fesseln, soviel in unseren Kräften steht, fortsetzen,
dabei aber bedenken, daß die Eingeborenen ein sach-
liches Interesse nicht kennen, sondern lediglich ein
versönliches. Nur das Vertrauen zur Person wird
ihnen auch Interesse zu deren Sache beibringen.
Des Beispiels der Hottentotten von Hoachanas habe
ich bereits gedacht (Pevestorff). Ganz dasselbe trat
auch bei Witboois und Simon Cooper-Leuten zu
Tage. Auch diese wollten lediglich mit ihren be-
treffenden Stationsmannschaften zu thun haben,
während sie sich gegen die übrigen Angehörigen der
Schutztruppe durchaus ablehnend verhielten. An-
genehm siel mir das gute Verhältniß der Simon
Cooper-Leute zu dem Stationschef von Gokhas,
Unteroffizier Stubenrauch, auf. Bei den Hereros
waren ähnliche Erscheinungen in Bezug auf die zum
Theil auch mit in das Feld gerückten Stations-
mannschaften Okahandya nicht zu bemerken.
Ich komme hiernach zum Schluß, daß die fernere
Entwickelung der in Frage stehenden Einrichtung in
erster Linie von dem Vertrauen abhängt, welches
die Distriktschefs nebst Untergebenen den eingeborenen
Distriktsangehörigen einzuflößen verstehen. Besonders
viel lassen in den bezüglichen Bemühungen zu-
weilen Unteroffiziere und Mannschaften zu wünschen
übrig. Aus je kleineren Verhältnissen die Letteren
von Hause kommen, um so mehr scheinen sie geneigt,
hier den Herrn zu spielen. An Stelle von christ-
licher Geduld und wohldurchdachter Erziehungs-
methode pflegen bei ihnen Schroffheit und Roheit
zu treten. Solches schreckt die Eingeborenen ab,
während sic für ein gerecht gehandhabtes Straf-
system, welches neben dem Wohlwollen durchaus
unentbehrlich ist, volles Verständniß zeigen. Menschen-
kenitniß und Fähigkeit für Umgang mit Menschen,
Eigenschaften, welche in Bezug auf Eignung zum
Kolonialdienst grundlegend sind, werden in jedem
einzelnen Falle stets das Nichtige zu treffen wissen.
Ferner möchte ich den Hinweis nicht unterlassen,
daß wir über die militärischen Eigenschaften der
Eingeborenen auch nicht vorschnell urtheilen dürfen.
Bei ihnen kämpft jeder ohne militärische Disziplin
und Ausbildung für sich, während er Belohnung für
gutes Verhalten und Strafe für Feigheit nicht kennt.
Wer zuerst wegläuft, hat die meisten Chancen, Leben
und Gesundheit zu retten, irgend welchen Nachtheil
aber aus diesem Akte des Selbsterhaltungstriebes
nicht zu befürchten. Unter solchen Bedingungen
würden, wie die Erfahrung bereits reichlich gelehrt
hat, weiße Truppen — ich möchte fast sagen — noch
weniger leisten. Das beste Beispiel bilden die Bastards,
welche derjenige, der sie in den Witbooi-Kriegen
gesehen hat, nicht wiedererkennt. Und diese Ver-
änderung hat eine Ausbildung von nur sechs Wochen
ferlig gebracht.
Einige der Herren Distriktschefs drücken die Be-
fürchtung aus, daß ausgebildete Eingeborene bei
Kriegsausbruch zu ihren Stammesgenossen übergehen
und dann mit den bei uns erhaltenen Fertigkeiten
(möglicherweise anch Waffen) uns selbst gefährlich
werden könnten. Diese Befürchtung ist nicht un-
gerechtfertigt. Auch die Engländer haben neuerdings
in Matabeleland eine derartige Erfahrung gemacht.
Dort sind sämmtliche eingeborenen Polizisten mit
Waffen und Munition zu den Aufständischen über-
gegangen. Indessen würde ich in einem solchen Falle
den betreffenden Distriktschef von Schuld nicht frei-
sprechen können, sondern ihm sagen müssen, daß er
statt wirklicher Erfolge nur Scheinerfolge erzielt und
sich mit solchen begnügt habe.
Angesichts solcher Möglichkeiten bin ich auch weit
entfernt, die Herren Distriktschefs in irgend einer
Weise zu drängen. Haben dieselben Erfolge, so werde
ich dies hoch anrechnen, aber sie auch für die Treue
jedes eingestellten Eingeborenen haftbar machen. Ich
empfehle daher Vorsicht und langsames Vorgehen.
Wo ein Distriktschef glaubt, zu den Eingeborenen
geschlossen, unter Führung ihrer Kapitäne mehr Ver-
trauen haben zu sollen, und sonach unter Mitwirkung
der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Wehrverträge
mit denselben abschließt, wie solches s. Z. in Gibeon
und jetzt neuerdings bei den Feldschuhträgern
geschehen ist. so ist gegen ein solches Verfahren nichts
einzuwenden, um so mehr, als dasselbe mit der Ein-
stellung von Soldaten aus denselben Stämmen Hand
in Hand gehen kann. Indessen hat nicht jeder
Kapitän so viel Verständniß für Vertragstreue wie
Kapitän Witbooi, noch weniger aber alle Ein-
geborenen so viel Sinn für Gehorsam wie dessen
Unterthanen.
Derartige Verträge sind daher an sich nicht als
gleichwerthig zu betrachten. Lediglich der Erfolg
wird dem Geschehenen seinen Werth verleihen.
Ich halte daher im Großen und Ganzen doch
mehr von der Einstellung und Ausbildung der Ein-
geborenen als wirkliche Soldaten. Ueberhaupt ist
„bei der Sache jeder Zwang zu vermeiden. Aus
diesem Grunde möchte ich auch nicht den Vorschlägen
einiger Distriktschefs zustimmen, welche, um die
Stämme zu trennen, die Eingeborenen versetzt wissen
wollen. Ein derartiger Gedanke ist noch nicht spruch-
reif. Zunächst wirbt sich jeder Distriktschef seine
Leute selbst an, wo, bleibt ihm überlassen, und
behält sie dann auch. Ebenso übernimmt derselbe
im Kriege die Führung etwaiger Stämme seines
Distrikts, mit welchen Verträge über die Heeres-
folge abgeschlossen sind. Hinsichtlich der rein mili-
tärischen Verhältnisse verweise ich auf den Truppen-
befehl vom 7. Mai 1895, Nr. 1442, welcher auch
ferner siunngemäß in Kraft bleibt. Durch Letzteren