Kapital ist dem Kolonialrath eine besondere Denk-
schrift zugegangen. Schon hat auch aus unseren
Schutzgebieten eine mehr und mehr wachsende Ausfuhr
stattgefunden. Bereits im vergangenen Jahre hat
allein die Ostafrikanische Gesellschaft 100 000 Pfund
Kaffee von ihren Plantagen nach Deutschland gebracht.
In Kamerun ist z. B. die Kakaoausfuhr von etwa
5000 kg des Jahres 1890 auf 141 973 im Jahre
1895 gestiegen. Ueberall ist klargestellt, daß der
Plantagenbau in unseren Schutzgebieten eine außer-
ordentliche Zukunft hat. In Ostafrika sind werthvolle
Kohlenlager entdeckt und die Möglichkeit des Auf-
findens werthvoller Gesteine in eine größere Nähe
gerückt. In Kamerun haben die Bodenuntersuchungen
ergeben, daß wahrscheinlich Kohlen und andere werth-
volle Gesteine zu finden sind. Auch in Südwestafrika
kann die Hoffnung auf den Betrieb eines einträglichen
Bergbaus nicht als eine aussichtslose bezeichnet werden.
Während die Sterblichkeit in den ersten Jahren un-
serer Kolonialpolitik eine erhebliche war, ist dieselbe
insbesondere auch dadurch glücklicherweise gesunken,
daß einerseits überall für gesunde und zweckmäßige
Wohnungen und eine gute körperliche Verpflegung
gesorgt ist, und daß andererseits durch Entsendung
zahlreicher Aerzte und durch die Erbauung wohl-
eingerichteter Krankenhäuser die Tropenkrankheiten mit
großem Erfolge bekämpft werden. In allen afrika-
nischen Schußgebieten bestehen Krankenhäuser, die
gleichzeitig mit wissenschaftlichen Laboratorien ver-
bunden sind, in welchen sehr werthvolle Forschungen
über die Malaria und andere tropische Erkrankungen
gemacht werden. Der letzte Kongreß deutscher Natur-
forscher und Aerzte hat der Kolonial-Abtheilung wegen
ihrer Fürsorge auf dem Gebiete der Tropenhygiene
seine besondere Anerkennung ausgesprochen. Was
wissenschaftlich auf unserem kolonialen Gebiete geleistet
worden ist, davon geben nicht nur die Sammlungen
unserer Museen Auskunft, sondern nicht minder die
mit Unterstützung der Kolonial-Abtheilung heraus-
gegebenen wissenschaftlichen und kartographischen Werke.
Auch in den Schutzgebieten sind überall Regierungs-
schulen für die Eingeborenen eingerichtet und Wander-
lehrer angestellt. Einen geradezu staunenswerthen
Aufsschwung hat das Missionswesen in unseren Schutz-
gebieten genommen. Im Jahre 1890 waren im
Ganzen in unseren Kolonien sechs deutsche Missions-=
gesellschaften thätig. Jetzt haben sich allein 12 pro-
testantische deutsche Missionsgesellschaften mit 66 Sta-
tionen und acht deutsche katholische Missionsgesellschaften
mit 79 Stationen gebildet. Die Zahl der Missionare
ist im Wachsen begriffen. In Togo sind 27, in
Kamerun 37, in Ostafrika in drei Küstenstädten
allein 45. Diesem geistigen Rüstzeug zur Seite steht
in allen afrikanischen Gebieten eine kriegstüchtige
Schutztruppe; während im Jahre 1890 von allen
Seiten darüber geklagt wurde, daß in unseren Kolo-
nien weder für Missionen noch für wirthschaftliche
Unternehmungen ein ausreichender Schutz vorhanden
sei, ist jetzt überall Eigenthum und Leben gesichert,
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und soweit überhaupt ein dauernder Friede in Afrika
schon jetzt möglich sein kann, der Friede im Wesent-
lichen gewahrt und es sind alle Mittel vorhanden,
um einen Bruch des Friedens sofort niederzuschlagen.
Für die nächste wichtige Aufgabe zur Erschließung
der Kolonien, für den Eisenbahnbau, sind alle er-
forderlichen Vorarbeiten abgeschlossen.
Nach außen sehen wir in der Mehrzahl der
Kolonien die Grenze festgelegt, und in Togo ist
unsere Stellung derart gesichert, daß die Hinter-
landsfrage zu unseren Gunsten gelöst werden
muß. Im Innern ist für die Verwaltung eine
feste Grundlage geschaffen, der Ausbau der ein-
zelnen Zweige ist so weit gefördert, daß es nur noch
Einzelheiten sind, die näher auszugestalten sind;
die Grundzüge, wie sie geschaffen sind, werden un-
berührt bleiben. Im Besonderen ist in dem letzten
Jahre das schwere Werk der Schutztruppen-Organi-
sation vollendet. Der Dualismus zwischen Militär-
und Civilverwaltung ist beseitigt und Einrichtungen
geschaffen, die die Anforderungen des Militärdienstes
mit denen der kolonialen Entwickelung in durchaus
zutreffender und allgemein anerlannter Weise vereinigen.
Die Wege, welche die Regierung einzuschlagen hat,
um die Thätigkeit der christlichen Missionen zu schützen
und zu fördern, sind geebnet. Die wirthschaftliche
Erschließung ist vorbereitet; die Projekte, um durch
den Bau von Eisenbahnen Handel und Verkehr,
Plantagenbau und jede Kultur zu erweitern, sind
ausgearbeitet. Die Zeit liegt nicht mehr fern, in
der die Kolonien nicht mehr als Bittende vor das
Reich treten werden.
Seine Hoheit der Herzog Johann Albrecht
zu Mecklenburg sprach hierauf dem scheidenden
Vorsitzenden das tiefste Bedauern aller kolonialen
Kreise aus und äußerte die feste Ueberzeugung, daß
die Zukunft seine großen Verdienste um die koloniale
Sache voll anerkennen werde, während Herr
v. d. Heydt erklärte, daß er dieses Bedauern nicht
theile und sich alsdann für die weitere Tagung
beurlaubte.
Der Kolonialrath trat alsdann zunächst in die
BVerathung des Etats von Deutsch-Ostafrika ein.
Längere Erörterungen veranlaßten die Kosten der
Zollverwaltung des ostafrikanischen Schutzgebietes
sowie die Anstellung von Wanderlehrern. Herzog
Johann Albrecht regte die Hinaussendung von Forst-
beamten zum Schutze der Forsten des Schutzgebietes
an. Besondere Aufmerksamkeit erregte die Nachricht,
daß es dem Bergassessor Bornhardt gelungen ist,
am Nyassasee das Vorkommen von Steinkohlen, die
in einer Schlucht zu Tage träten, festzustellen, und
daß Proben dieser Kohlen von sachverständiger Seite
eine günstige Beurtheilung gefunden haben. Im
Anschluß hieran wurde die Erschließung des Rufidji
und Ulanga, welche den besten Wasserweg zum Nyassa
darstellen, in Erwägung genommen.