In der Nachmittagssitzung begrüßte der zu den
Sitzungen des Kolonialraths eingetroffene, zum Direk-
tor der Kolonial-Abtheilung ausersehene Geheime
Legationsrath Dr. Freiherr v. Richthofen den Ko-
lonialrath und erbat dessen Unterstützung und Wohl-
wollen für seine künftige Amtsführung. Hierauf
wurde mit den Etatsberathungen fortgefahren. Der
Gouverneur v. Wissmann befürwortete die An-
schaffung eines größeren Dampfers zu Transport-
zwecken und zum Tonnenlegen und fand dabei die
Zustimmung des Kolonialraths. Hinsichtlich des
Eisenbahnbaues in Ostafrika theilte der Vorsitzende
mit, daß diese wichtige Angelegenheit noch innerhalb
der Reichsbehörden erwogen werde. Freiherr
v. Richthofen erklärte sein Interesse für den Bahn-
bau in den Kolonien, den er für eine der wichtigsten
Aufgaben der gegenwärtigen Kolonialpolitik erachte.
Er habe für den Bau von Eisenbahnen dem Innern
Afrikas zu, wesentlich mit Hülfe deutschen Geldes, in
fremdem Lande erfolgreich gewirkt und hoffe, auch im
Dienste des eigenen Vaterlandes mit gleichem Erfolg
in gleicher Richtung wirken zu dürfen.
Es wurde alsdann in die Berathung des Etats
für Togo und Kamerun eingetreten. In dem ersteren
Schutzgebiet ist neuerdings der Guttapercha liefernde,
sehr ergiebige Baum Kicksia africana in großen
Mengen entdeckt worden, und es wurden daran Hoff-
nungen auf einen erheblichen Aufschwung des Handels
geknüpft. Einstimmig befürwortete die Versamm-
lung die Erhöhung der Gehälter der Landeshaupi-
leute in Togo und Südwestafrika.
Die befürwortete Anlage einer Handelsfaktorei
am Benus erachtete Herr Woermann wegen der zu
großen Entfernung von der Küste zur Zeit für aus-
sichtslos. Er wünsche dringend den Bau einer Eisen-
bahn in Kamerun, um dem Handel ein größeres
Gebiet zu erschließen.
Zuletzt wurde in eine allgemeine Besprechung der
südwestafrikanischen Verhältnisse eingetreten und dabei
die Nothwendigkeit einer direkten Telegraphenverbin=
dung mit dem Schutzgebiete hervorgehoben.
Die Berathungen des Kolonialraths am 20.
wurden mit einem Antrage Seiner Hoheit des Her-
zogs Johann Albrecht zu Mecklenburg eröffnet,
welcher die fernere Unterstützung des Brüsseler Iu-
stitut colonial bezweckte. Die Versammlung trat
dem Antrage einstimmig bei und ging alsdann zur
Berathung des Entwurfs einer Verordnung, betreffend
die Erfüllung der Wehrpflicht in dem deutsch-füdwest-
afrikanischen Schutzgebiet, über, an welcher ein Ver-
treter des Reichs-Marinc-Amts theilnahm. Nach der
Verabschiedung des Entwurfs wurden Vorschläge zur
Hebung des Handels in Deutsch-Ostafrika erörtert.
Es zeigte sich dabei allseitiges Einverständniß darüber,
daß von dem Bau von Bahnen und Straßen am
meisten Förderung des Handels und der Volkswirth=
schaft des Schutzgebiets zu erwarten sei.
Nach einer Pause schritt der Kolonialrath nach-
mittags zur Erörterung des vom Reichstag seinerzeit
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abgelehnten Vertrages mit der Neu-Guinca-Kompagnie.
Die allgemeine Debatte ergab die einstimmige Ansicht,
daß der Uebergang der Landeshoheit auf das Reich
im dringenden Interesse des Schutzgebiets und des
Reichs liege. Behufs genauerer Erörterung wurde
die Vorlage einem Ausschuß überwiesen, der aus
Seiner Hoheit dem Herzog Johann Albrecht zu
Meckleuburg und den Herren v. Jacobi, Sche-
ring, Kraetke, Hernsheim und Hespers be-
steht, und welcher am 21. vormittags zur Berathung
zusammentrat.
Die Plenarsitzung des Kolonialraths am 21. Ok-
tober wurde nachmittags 2 Uhr eröffnct. Der Staats-
minister v. Hofmann beantragte vor Eintritt in die
Tagesordnung, daß seitens der Regierung dem Ko-
lonialrath der Entwurf des Auswanderungsgesetzes
in seiner jetzigen Form nochmals vorgelegt und ihm
Gelegenheit gegeben werde, sich erneut über denselben
zu äußern. Nachdem seitens Seiner Hoheit des
Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg wiederholt
die Bedeutung betont worden war, welche der Kolo-
nialrath der Berücksichtigung seiner Beschlüsse in dieser
Frage beimesse, wurde der Antrag einstimmig ange-
nommen. Die Versammlung ging alsdann zu der
Verathung der Regelung des Erwerbs von Kronland
in Ostafrika über. Wie der Vorsitzende besonders
betonte, bestehe zwischen der Kolonialleitung und dem
ostafrikanischen Gouvernement keinerlei sachlicher Ge-
gensatz. Beide Theile hätten lediglich das Interesse
des Schutzgebiets im Auge und wünschten die Ent-
scheidung über die vorliegenden Schwierigkeiten in
die Hand dieser sachverständigen Körperschaft zu legen.
In der lebhaften und eingehenden Erörterung der
Angelegenheit wurden insbesondere Bedenken gegen
den Landerwerb durch Beamte sowie gegen die Er-
schwerung der Eigenthumsübertragung von verschie-
denen Seiten geltend gemacht. Man erachtete es
für angezeigt, dem Kaiserlichen Gouverneur möglichste
Unbeschränktheit in der Vergebung von Land an ge-
eignete Unternehmer zu lassen. Die Versammlung
nahm schließlich mehrere Resolutionen an, wonach
Personen, die im Reichsdienst in den Schutzgebieten
thätig sind, der Erwerb anderer als zur Wohnung
benutzter Grundstücke untersagt, der Erwerb von Land
möglichst erleichtert und von einem Erlaß allgemeiner
Bestimmungen hierfür abgesehen werden soll.
Der Kolonialrath berieth bei Beginn seiner Sitzung
am 22. Oktober vormittags den Bericht des Aus-
schusses für Vorbildung der Kolonialbeamten. An
den eingehenden Erörterungen betheiligte sich neben
einer größeren Anzahl von Mitgliedern des Kolonial-
raths auch der Kaiserliche Gouverneur v. Wissmann.
Es wurde besonders betont, wie überaus wichtig die
jetzt nur in geringem Maße vorhandene Möglichkeit
weiterer Verwendung der nicht mehr tropendienst-
sähigen Kolonialbeamten im Reichs= und Staatsdienst
sei, da ohne eine solche Aussicht es nicht möglich sei,
dauernd über tüchtige Beamte zu versügen. Gegen-
wärtig bleibe nichts übrig, als gute Beamte in den