Full text: Deutsches Kolonialblatt. VII. Jahrgang, 1896. (7)

Baumwolle 
wurde in dem botanischen Garten in Victoria im 
Jahre 1891 angepflanzt. Der Versuch glückte im 
Ganzen nicht sonderlich aus verschiedenen hier nicht 
zu erörternden Gründen, jedoch war das gewonnene 
Produkt gut, und die einzelnen Pflanzen zeigten ein 
so üppiges Wachsthum und entwickelten so reichlich 
Frucht, daß an ein gutes Gedeihen der Baumwolle 
auf dem Boden des Kamerungebirges nicht gezweifelt 
werden kann. Allerdings gingen die Pflanzen auf 
dem sehr fruchtbaren Boden sehr üppig ins Kraut. 
Die Produktion dürfte in dem mehr sandigen Lehmboden 
des südlichen Schutzgebietes eine größere werden. 
Ein Hektar Baumwolle liefert etwa 270 bis 375 kg 
Faserstoffe. Das Kilogramm kostet von 0,66 bis 
1,03 Mark, der Ertrag ist also für den Hektar rund 
180 bis 390 Mark. Das ist zwar ein großer 
Spielraum, aber die Kakaopreise haben auch von 
1892 bis 1896 von 1,48 Mark bis 0,94 Mark 
das Kilogramm geschwankt und würden demgemäß 
die Erträge für den Hektar von 517 bis 888 Mark 
gewechselt haben. 
Jute 
wird im Versuchsgarten in Victoria noch nicht kul- 
tivirt, jedoch sollen Corchorus capsularis und 
C. olitorius demnächst eingeführt werden. Daß 
Jute gedeihen wird, ist als sicher anzunehmen. 
Jedoch würden die theueren Arbeitslöhne, der fehlende 
Pflug und Dünger die Kultur auf die Dauer kaum 
gewinnbringend machen, abgesehen von den schon 
früher erörterten Gründen. Ein Hektar Jute soll 
1500 kg Faserstofse geben im Werthe von 375 bis 
465 Mark. 
Ramie 
wird schon seit einigen Jahren im Versuchsgarten 
kultivirt. 
In einem nur mit der Hacke bearbeiteten Boden 
treiben frisch gelegte Saatwurzeln Stengel von nicht 
mehr als 1 m Länge. Nimmt man jedoch, nachdem 
die Pflanzen alt und kräftig geworden sind, die erste 
Ernte fort, so treiben aus den Wurzeln ungemein 
üppig zahlreiche Stengel heraus, die in vier bis 
fünf Wochen bis 1,80 m hoch werden. Ohne 
Zweifel kann man von der Ramie mehrere Ernten 
im Jahre gewinnen. Ueber die Qualität der Faser 
läßt sich leider ohne eine vorschriftsmäßige Gewin- 
nung derselben vermittelst Maschinen kein Resultat 
erzielen. Die Ramie soll 1100 bis 1200 kg Faser- 
stofse pro Hektar jährlich geben im Werthe von 
792 Mark bis 960 Mark. Das sind allerdings 
verlockende Zahlen, gegen die der Kakao zurücksteht, 
aber wie sich die Produktionskosten der Ramie 
stellen würden, darüber fehlt mir jede Vermuthung. 
Es folgen nun die Faserpflanzen, die ich als 
zweiter Ordnung bezeichnen möchte. Sie bedürfen 
meist geringerer Kultur, nehmen mit schlechtem Boden 
fürlieb, brauchen wenig Regen, wachsen aber auch 
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langsam und fangen frühestens in zwei bis drei 
oder gar vier Jahren an Erträge zu liefern. Baut 
man sie auf gutem Boden, so wachsen sie schneller 
und liefern eine weit bessere und werthvollere Faser. 
Es sind Sisalhanf: Agave rigida var. sSisalana, 
Mauritiushauf: Tourcroya gigantea (die auch wohl 
als Sisalhanf bezeichnet wird) und Bogenstranghauf: 
Sanseriera guineensis. 
Agave rigida var. sisalana (Sisalhanf). 
Die Agave rigida var. sisalana existirt nicht 
im botanischen Garten. Die unter dem Namen 
Agave rigida geführte Pflanze besitzt Blätter von 
wenig mehr als 1 m Länge, welche am Rande mit 
scharfen Dornen besetzt sind und außerdem einen 
harten sehr scharfen Enddorn haben. Wahrscheinlich 
ist es die Agave rigida var. elongata, welche den 
Henequenhauf liefert. In Habitus, Lebensbedingungen 
und Fortpflanzungsweise ist sie der eigentlichen 
Sisalhanfpflanze sehr ähnlich, jedoch ist die Faser 
minderwerthig und die Ernte und Behandlung wegen 
der scharfen Dornen an den Blatträndern sehr er- 
schwert. Auf einen Heklar pflanzt man etwa 
1600 Pflanzen, d. h. die Pflanzenweite beträgt 
2,5 m nach jeder Richtung. Jede Pflanze liefert 
im Jahr 33 Blätter, also ein Hektar 52 800 Blätter. 
Tausend Blätter liefern etwa 25 bis 35 kg Faser, 
also gewinnt man vom Hektar 1320 bis 1848 kg 
Faser im Preise von 158 bis 295 Mark. Der 
Prozentsatz von Fasern zu den grünen Blättern ist 
im Gewicht 2,5 bis 3,5. Daraus geht hervor, daß 
eine kolossale Menge Saftgewebe vorhanden, welches 
nutzlos ist und die Ernte und Bearbeitung sehr 
kostspielig macht. Rentabel kann die Kultur von 
Henequen nur dort werden, wo die Arbeitslöhne 
auf ein Minimum beschränkt werden können. 
ie Aguvc rigida var. sisalana, deren Blätter 
bedeutend länger sind als die der eben erwähnten 
Varietät, und welche nur einen scharfen Enddorn 
haben, pflanzt man in Abständen von 2,5:2,5 m, 
oder 2,5:3 oder 3:3 m. Es gehen also 1600 bis 
1100 Pflanzen auf den Hektar. Da die Pflanzen 
drei bis vier Jahre wachsen müssen bis zur ersten 
Ernte, so nimmt man oft eine Zwergbaumwolle als 
Vorfrucht. Jede Pflanze bringt mindestens 25, 
höchstens 40 Blätter im Jahre, also ein Hektar 
mindestens 27 500, höchstens 64 000 Blätter. Eine 
Maschine soll täglich 50 000 Blätter zu 1500 kg 
Faser verarbeiten. Um der Maschine also täglich, 
das ganze Jahr hindurch 50 000 Blätter liefern zu 
können, müßte man durchschnittlich rund 470 ha in 
Bearbeitung haben. Diese würden etwa 547 500 kg 
Faser liefern im Preise von rund 285 000 Mark, 
ein Hektar also durchschuittlich 6oo Mark. Diese 
Zahlen sind allerdings nur ungenau. Immerhin 
läßt sich aber daraus ersehen, daß eine Pflanzung 
von Sisalhanf eine sehr bedeutende Ausdehnung 
haben muß. Zu beachten ist außerdem, daß, wie 
bereits erwähnt, die frisch geschnittenen Blätter im
	        
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