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Von Kwai ist ein schöner, bis auf wenige schwie-
rige Stellen fahrbarer Weg (40 km lang) bis Mombo
in die Ebene geführt. An diesem liegt der neue
Hauptort des Bezirks Westusambara, das spätere
Bezirksamt in der Landschaft Rusotto. Der Bezirks-
chef hat seinen Sitz von Masinde hierher verlegt, da
hier oben in den Bergen und nicht unten in der
unfruchtbaren Steppe der Mittelpunkt der Geschäfte
liegt. Die Station ist sehr geschickt und zweckmäßig
angelegt, der Hausbau ist noch im Stadium der Vor-
bereitung, hat aber an den gleichen Anlagen in Kwai
ein vortreffliches Muster. Der Bezirk wird fortan
nicht mehr den Namen Masinde, sondern West-
usambara führen.
Als letzter interessanter Punkt dieser Landschaft
wurde noch die von Herrn Illich angelegte Plantage
Sakarre besucht. Der Platz, auf etwa 1300 m
Meereshöhe, ist ganz vortrefflich gewählt, ein sehr
großer Komplex besten Kaffeebodens mit mehreren
durch die Pflanzung fließenden Gebirgsbächen ist mit
verhältnißmäßig geringen Geldmitteln gerodet, be-
pflanzt und mit bequemem Wegenetz versehen. Gegen-
wärtig standen 160 000 einjährige Bänme im Felde,
die trotz der Dürre ein gutes, gesundes Aussehen
zeigen. Aus den Samenbeeten werden in der Regen-
zeit weitere 150 000 verpflanzt, wozu alle Vorbe-
reitungen getroffen sind. Die ganze Anlage macht
einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck.
Im Luengerathale besichtigte ich die Vermessungs-
arbeiten des Premierlieutenants Ganßer, der dort
unter den größten Schwierigkeiten und unter hartem
Kampfe mit dem Sumpfklima einen 3100 m langen
Erddamm aufführt, um eine Basis für die Ver-
messung von Ost= und Westusambara zu schaffen.
Zwei Europäer sind ihm gestorben, mehrere mußten
abgelöst, andere ins Lazareth nach Tanga geschickt
werden. Die sehr bedeutenden Erdarbeiten — der
Damm ist am Südende 5 m hoch aufgeschüttet —
werden auch während der Regenzeit fortgesetzt; Ende
Mai soll die Basis fertig vermessen sein. Ich habe
angeordnet, daß bis zum 1. Oktober d. Is. das
Dreiecksnetz von Handei mit den Punkten 1. bis
4. Ordnung vermessen sein soll. Alsdann wird die
Herstellung der so dringend nöthigen Karte des
Plantagengebietes eifrigst gefördert werden.
An Missionsanstalten habe ich zu sehen bekommen:
1. Die Missionen der schwarzen Väter in Bagamoyo,
Mandera, Mhonda, Kilema und Kiboscho;
2. die lutherischen Leipziger Missionen in Moschi,
Mamba und Madschame;
3. die evongelischen (unirten) Berliner Missionen
in Bethel und Hohenfriedeberg in Westusambara.
I1. Die katholischen Missionsanstalten im nördlichen
Theil der Kolonie (kirchlicher Sprengel Nordsansibar)
slehen jetzt unter dem thätigen Einfluß des Bischofs
Allgeier. Derselbe ist geborener Elsässer, sein Be-
streben ist, olle im deutschen Gebiet gelegenen Missions-
anstalten mit Missionaren deutscher Abkunft zu be-
setzen. Der Bischof weist seine Missionare an, die
ihrer Obhut anvertrauten Kinder neben der Christen-
lehre auch streng zur Arbeit zu erziehen und anzu-
halten. Um jede katholische Missionsanstalt dehnen
sich Frucht-, Gemüse= und Versuchsgärten aus, in
denen außer den für den Tisch nothwendigen Kar-
tosseln und Gemüsen auch Kaffee und andere wichtige
Kulturpflanzen gezogen werden. In Kilema trinken
die Missionare selbstgezogenen (Bourbon-) Kaffee; in
Kiboscho hat Pater Rohmer ein wahres Kunstwerk
von terrassirten Gartenanlagen geschaffen, deren Er-
zeugnisse die höchste Anerkennung verdienen.
Mandera und Mhonda sind durch dorthin ent-
sandte Zöglinge des Mutterhauses Bagamoyo ge-
gründet worden. Am Kilimandjaro scheint sich für
die Mission ein dankbares Feld zu eröffnen, da die
Wadschagga sich der neuen Lehre gern zuwenden
und zahlreich zum Gottesdienst und zur Schule
erscheinen.
2. Neben der katholischen Mission wirkt am
Kilimandjaro die lutherische Leipziger Missionsgesell-
schaft in drei Stationen: Moschi, Mamba und Mad-
schame. Bislang hat jede der hiesigen Anstalten eine
ganze Landschaft für sich, und eine gegenseitige Stö-
rung der beiden Konfessionen hat nicht stattgefunden.
Auch die Herren dieser drei Stationen, die ich
besucht habe, sind recht zufrieden mit ihren Erfolgen
in kurzer Zeit. Die Frauen, die in keiner Anstalt
fehlen, geben letzteren den Anstrich des behaglichen
deutschen Pfarrhauses. Sie sorgen für die Pflege
der Gärten und Kartoffelselder, während die Männer
ihrem Missionsberufe als Verbreiter der christlichen
Lehre obliegen.
3. Von den Missionsstationen in Westusambara
konnte ich nur Mtai (Bethel) und Mlalo (Hohen-
friedeberg) besuchen. In ersterer ist es noch nicht
gelungen, eine feste Gemeinde zu begründen, bei
Hohenfriedeberg dagegen sind bereits zwei Christen-
dörfer in der Nähe der Mission angesiedelt. Hier
sind die Missionare mit dem Bau einer Kirche aus
Luftziegeln beschäftigt. Dem Herrn Pastor Roehl
in Mtai gebührt das Verdienst, durch den über sechs
Stunden breiten Urwald zwischen Mtai und Mlalo
einen guten Weg tracirt und durchgeschlagen zu haben.
Ueber die Trappisten, die sich neuerdings in
Gale im südlichen Usambara niedergelassen haben,
ist noch nichts zu berichten, da sie bis jetzt dauernd
mit schwerer Erkrankung zu kämpfen hatten und cine
Thätigkeit noch nicht zu entwickeln vermochten.
Die auf dieser Reise gesammelten Erfahrungen
möchte ich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Die Entwickelung des ganzen Nordens der
Kolonie hängt von der Fortführung der Tanga-
Eisenbahn ins Innere ab. Erfolgt diese, so werden
Westusambara, Südpare und das weitere Hinterland
sofort sich der Kultur erschließen.
2. Die Entwickelung Westusambaras ist so weit
fortgeschritten, daß die dortigen Interessen die Ein-
richtung eines Bezirksamts dringend erfordern.