Full text: Deutsches Kolonialblatt. IX. Jahrgang, 1898. (9)

für Schritt vorwärts. Der Geistliche aber fördert 
ihn mit Stolz und Liebe und hat doch schon die 
Freude gehabt, den Gottesdienst darin abhalten zu 
können. Weiter landeinwärts folgen dann die alte 
protestantische Holzkirche, die Schule, die katholische 
Kirche mit Kloster, ferner ein Hospital, das etwa 
die Mitte der Thalmulde einnimmt. Auf der öst- 
lichen Seite giebt es dann eine Reihe Privathäuser 
von Europäern auf den Höhen zerstreut, und wieder 
etwas niedriger und näher der Hafenstadt die Büreaus 
der vornehmeren europäischen Kaufleute und Schiffs- 
agenturen, das Regierungsgebäude, der Tennisklub, 
das „Museum“ und das Gerichtshaus. Das Ge- 
fängniß steht noch ein Stück östlich von der Hafen- 
stadt, wo auch ein sogenanntes „Fort“, d. h. ein 
ebener, aber sandiger Platz, auf einem Hügel am 
Meere sich befindet. Dort halten die Polizeisoldaten 
zuweilen Uebungen ab, und einige kleine Geschütze 
sind aufgestellt. Auf der westlichen Seite, jenseits 
des Government House am Strande, befindet sich in 
einiger Entfernung von der Stadt, aber durch eine 
Reihe von Häusern Eingeborener verbunden, eine 
Cutch-Fabrik und eine Sägemühle. Die Fabrikation 
von Cutch (einem Farb= und Gerbstoff aus Man- 
grovenrinde) scheint sehr zuzunehmen und guten Vor- 
theil abzuwerfen. 
Die Gesammtzahl der Einwohner von Sandakan 
wird auf etwa 5000 angegeben, von denen etwa 70 
Europäer sind, darunter 20 Damen. Die asiatische 
Bevölkerung besteht zum weitaus größten Theil aus 
Chinesen, im Uebrigen aus Eingeborenen von Borneo 
(Dayaks, Dusuns, Bajaus 2c.) und der Insel Sulu. 
Die Chinesen befassen sich mit Handel in größerem 
und kleinerem Maßstab, Handwerk und Ackerbau, die 
Eingeborenen in geringem Umfange auch mit dem 
Anbau von Gemüse, sonst mit Fischerei und nament- 
lich mit Sammeln und Herbeischaffen von Produkten 
der Wälder, von Vogelnestern, mit dem Fällen von 
Holz und dergleichen. Die Straßen in Sandakan 
sind gut, was um so mehr anzuerkennen ist, als sie 
bei dem hügeligen Charakter des Geländes und der 
Menge des Regenfalles natürlich der Zerstörung in 
hohem Grade ausgesetzt sind. Das Straßennetz ge- 
nügt auch dem Bedürfniß, und an seiner Erweiterung 
wird beständig gearbeitet. Lerider reichen aber die 
für Straßenbau ausgesetzten Mittel nicht aus, um das 
Innere des Landes den größeren Hafenorten näher 
zu bringen. Nur eie größere Straße ist von San- 
dakan aus bis jetzt angelegt aber noch nicht durch- 
geführt. Sie soll zu der an dem einige Mellen 
nördlich von der Sandakan-Bucht ins Meer fließenden 
Byte Fluß gelegenen Regierungspflanzung führen. 
Außerdem ist mit großen Kosten quer durch Nord- 
Borneo von Sandakan nach Labnan eine Tele- 
graphenleitung gelegt, welche Sandakan mit London 
in Verbindung setzen soll, da Labuan seit einiger 
Zeit durch Kabel mit Singapore und Hongkong ver- 
bunden ist. Leider ist die Leitung eine oberirdische 
und daher im Urwalde vielen Zufällen ausgesetzt, 
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wie dem Umstürzen hoher Bäume, Zerstörung durch 
Thiere und wohl auch gelegentlich dem Muthwillen 
der Eingeborenen. Die Thätigkeit des Telegraphen 
ist deshalb sehr häufig unterbrochen. Eine kleinere 
Linie geht noch nach Lamag, einer etwa 80 eng- 
lische Meilen von Sandakan entfernten Pflanzung 
am Oberlauf des Kinabatangan-Flusses, in deren 
Nähe sich auch ein Regierungsposten (Sitz eines 
„Magistrate“) befindet und von dort weiter bis 
nach Darvelbai. Der Verkehr zwischen dem Regie- 
rungssitz in Sandakan und den übrigen Stationen 
im Staate ist wesentlich auf die Verbindung zu 
Wasser angewiesen. 
Von Sandakan aus beschloß ich, einige in diesem 
Bezirk belegene Pflanzungen zu besuchen, und zwar 
insbesondere die von einem deutschen Pflanzer, Herrn 
Breitag, geleitete „Batu Putch (weißer Stein) 
Estate“ an dem großen Kinabatangan-Flusse, und 
die Regierungsplantage am Byte-Fluß. Am 5. Sep- 
tember bestieg ich den kleinen Dampfer „Sabah“, 
einen kleinen Flußdampfer, auf dessen Verdeck im 
Vorderraum ein Platz von etwa 20 Fuß im Quadrat 
für Europäer reservirt war. Wir waren deren 
nur 4; der Maschinist und Führer des Schiffes, 
Mitbegründer der Sabas-Gesellschaft, welcher das 
Schiff gehörte, dazu ein Advokat aus Singapore, 
der um einer Prozeßsache willen hergekommen war, 
und der junge Wilhelm Schück, der einen Bruder 
auf einer der Plantagen besuchen wollte, zu denen 
wir fuhren. Auf dem hinteren Raume des Verdecks 
drängten sich eine Menge von Chinesen und Ein- 
geborenen, und auf dem Unterdeck wimmelte es von 
lebender und todter Ladung, wovon namentlich einige 
Kühe mit einem Kalbe, Schweine, Ziegen, Gänse 
und Hühner sich recht bemerklich machten. Unter 
dem Verdeck befanden sich vier kleine Kabinen für 
die Europäer. Wir fuhren aus der Bucht hinaus 
nach Südosten bis zur Mündung des Kinabatangan- 
Flusses. Der Fluß hat mehrere Mündungen, von 
denen wir die nächste wählten, die wir nach 1½ stün- 
diger Fahrt erreichten. Der Fluß ist breit und, 
nachdem die Barre überschritten ist, tief und hat 
sandig gelbes Wasser. Die Ufer sind zu beiden 
Seiten dicht von Mangrovewaldungen eingefaßt, die 
nach einiger Zeit hier und da von Nirapalmen 
unterbrochen werden. Später werden die Nipa- 
palmen häufiger, und die Mangrovebäume verschwinden 
allmählich. Weiter flußaufwärts kommen dann auch 
andere Bäume dazwischen, bis man endlich in den 
eigentlichen Urwald kommt. Wir fuhren am ersten 
Abend bis Dunkelwerden — 6¼⅛ Uhr — und 
gingen dann vor Anker, weil in der Nacht die 
Weiterfahrt zu gefährlich wäre, namentlich weil 
häufig große Baumstämme im Flusse schwmmen. 
Es läßt sich denken, daß es unter den seltsamen 
Umständen nicht ganz leicht war, Schlaf zu finden, 
besonders das Gethier an Bord störte die Ruhe 
vielsach. Da es aber gegen Morgen recht kühl 
wurde, fühlte man sich doch gestärkt, als um 5¼ Uhr
	        
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