fressen; wirklich kein Wunder daher, wenn dieselben dort
jährlich zu vielen, vielen Hunderten — Tausenden könnte
man sagen — der Erschöpfung zum Opfer fielen.
Der ganze Bayweg (d. i. sowohl der Weg nach der
Walfischbay als auch der nach Swakopmund) war ein-
gesoßt von den gebleichten Skeletten gefallener Ochsen.
Was aber an Zugochsen lebend die Wüste ver-
ließ, war so zum Skelett abgemagert, daß es zwei bis
drei Monate Zeit bedurste, um neue Kräfte zu
sammeln.
Wirkliche Abhülfe in dieser Noth konnte nur ein
leichtes Schienengeleis bringen; da aber daran da-
mals gar nicht zu denken war, so galt es, ein Pro-
visorium zu schaffen.
Eine Straßenlokomotive, welche, diesen harten
Grund benutzend, den Ochsenwagen bis Heigamgab
ihre Fracht entgegenzubringen bestimmt war, sollte
den Frachtführern etwa die Hälfte der furchtbaren
Tage in der Wüste ersparen. Letztere sollten infolge-
dessen nicht allein keine werthvollen Transportochsen
mehr in der Wüste verlieren, sondern mit verhällniß-
mäßig frischen Thieren dieselbe verlassen, welche, am
Bestimmungsorte angelangt, nunmehr nicht zwei bis
drei Monate, sondern höchstens soviel Wochen bis
zur neuen Fahrt der Ruhe bedurften. Statt etwa
dreier Fahrten im Jahre hätte der Frachtfahrer
dann mit demselben Zugmaterial vielleicht fünfmal
von Windhoek zur Küste fahren können und war außer-
dem so gut wie gesichert gegen die früheren Unfälle.
Wir verließen Hamburg mit dem Dampfer
. Leutwein“ Anfang 1896, einige Passagiere, die
Straßenlokomotive und ich.
Ich wollte mir Kruneger bei der Vorbeifahrt
an der Liberiaküste mitnehmen, wenn wir dort so
eintreffen würden, daß wir keinen weiteren Tag hier-
durch verlören, dem Zufall also die Entscheidung
überlassend. Doch dieser entschied dagegen; bei
Sonmenuntergang, wo alles Leben vorbei war, pas-
firten wir Monrovia.
Doch in Swakopmund angekommen, sollte sich
diese falsche Sparsamkeit schwer rächen, denn dort
konnte ohne Kruleute von irgend einer Landung
gar keine Rede sein. Ich mußte also zur Walfisch-
bay meine Zuflucht nehmen und dort den ganzen
machtigen Apparat löschen, obwohl kein Mensch an
eine Passage der furchtbaren Sanddünen mit einer
Lokomotive von 280 Centner Gewicht glaubte.
Wichtige Geschäfte riefen mich aber zunächst nach
Kapstadt. Darauf brach der Feldzug gegen die ver-
emigten Khauas-Hottentotten und Feldhereros aus,
und ich übernahm die Station Swakopmund, die ich
also nicht verlassen konnte.
So stand der Dampfochse (es sei mir erlaubt,
dieses drüben aufgekommene Scherzwort auch hier zu
brauchen) nach über 4½ Monaten noch ruhig in der
Balfischbay. Hätte ich die Lokomotive damals für
ein Hundertstel ihres Werthes angeboten, es hätte
sich kaum ein Abnehmer gefunden.
Da, eines schönen Tages setzte sich die Maschine
65
in Bewegung und, was kein Mensch mehr erwartet
hätte, sie lief, sie lief wirklich, wenn auch unter den
so ungünstigen Verhältnissen sehr langsam.
Doch die fünf Kontraktmonate meines Lokomotiv=
führers waren abgelaufen, und er wollte nach Hause,
ohne daß er seine Hauptaufgabe hätte lösen können:
nämlich eine möglichst große Anzahl Weißer wie
Eingeborener in der höchst einfachen Handhabung
und Behandlung der Maschine praktisch auszubilden.
An Spazierfahrten war in der Walfischbay, wo man
1000 Liter Süßwasser mit 30 Mark bezahlte, eben
nicht zu denken gewesen.
So war ich schließlich auch herzlich froh, als sich
mir ein amerikanischer Goldsucher für eine kurze
Zeit, wie er gleich sagte, anbot, welcher wenigstens
behauptete, schon mal mit einer Maschine zu thun
gehabt zu haben.
Mit anerkennenswerthem, großem Geschick und
der diesem Volke so eigenthümlichen Ausdauer und
Energie brachte derselbe die Lokomotive thatsächlich
über die schlechtesten Stellen hinweg.
Ein schweres Stück Arbeit; alle 50 Meter, oft
noch häufiger, sank die Lokomotive so tief ein, daß
sie mit der Feuerbuchse auf dem Sande auflag.
Schuld daran war aber weder das zu große Ge-
wicht, noch viel weniger etwa mangelnde Kraft der
Maschine, sondern der Umstand, daß die Räder,
welche nur mit sechs für Sandstrecken aufsetzbaren
Querschaufeln ausgestattet waren, nicht genügend
Angriffspunkte in dem Sande fanden.
Wenn unter den breiten Triebrädern durch deren
Bewegung der Sand zwischen zwei Schaufeln auch
nur ein wenig weggescharrt war, kam die nächste
Schaufel häufig schon zu spät, um den Schaden ver-
hindern zu können: das Loch war da.
Jedesmal mußte sie alsdann durch untergelegte
Klötze und Blöcke, untergeschaufelten Sand sich müh-
sam herausarbeiten bezw. herausgearbeitet werden,
indem man dieselbe rückwärts gehen ließ, mit Blöcken
und Sand das Loch ausfüllte, etwas vorwärts gehen
ließ, um hinten nachzufüllen, dieselbe dann abermals
zurücknahm, um das Loch jetzt völlig zuzumachen.
Um diese Arbeitsleistung der Maschine richtig zu
würdigen, muß man noch bedenken, daß sich dieselbe
doch immer etwas in den Sand hineindrückte, vorne
also stets Sand vorgelagert fand, was gleichbedeutend
ist mit einem beständigen Bergauffahren. Nicht un-
erwähnt darf bleiben, daß überdies dann noch alle
150 Meter der schwere Begleitwagen mittelst Draht-
seils herangeholt werden mußte.
Dazu die Arbeiterfrage. Hatten die arbeits-
scheuen Hottentotten wirklich zwei oder drei Tage
ausgehalten, so liesen sie weg, und andere Ein-
geborene oder Arbeiter waren da nicht zu haben.
Daß bei solcher Arbeitsleistung der Wasser-
verbrauch der sonst auf sparsamsten Verbrauch kon-
struirten Compoundmaschine ein enormer war, erhellt
von selbst. Und dies Wasser, das obendrein noch
ganz verzweifelt schlecht war, war bald weit, sehr