Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Vielleicht läßt sich diese befremdende Erscheinung 
durch ein im Quellgebiet befindliches großes Reservoir 
erklären, welches während der Regenzeit ungeheuere 
Wassermassen aufsammelt und dieselben erst in der 
Trockenzeit allmählich in das Marabett abgiebt oder 
durch die Annahme zeitlicher Unterschiede der Regen- 
perioden im Mündungs= und Quellgebiet, dessen 
Entfernung dann eine große sein müßte. Die Wakenye 
des Sultans Kibore erwiesen sich als ein durchaus 
zutrauliches Völkchen. Die lang herabhängenden 
Ohrlappen beweisen auch hier die Abstammung oder 
wenigstens einen früheren Zusammenhang mit den 
Massai. Der Sultan Kibore war eifrig bemüht, sich 
unsere Freundschaft zu sichern, und bat um Bestrafung 
der Wasweta, die sein Land kürzlich überfallen und 
eine große Zahl Weiber und Vieh fortgeschleppt 
hatten. Im weitesten Umkreise herrschte die größte 
Furcht vor den Wasweta, deren Gewerbe Raub und 
Mord bilde, und deren Tapferkeit so groß sei, daß 
Niemand einen Kampf mit ihnen wage. In ihrer 
riesengroßen, von hohen Mauern umgebenen Boma 
Kiboroswa seien sie überdies unangreifbar. Die 
Schilderung des Sultans Kibore machte zwar den 
Eindruck krasser Uebertreibung; trotzdem wurde am 
2. August der Marsch nach Kiboroswa unternommen, 
um das Vertrauen der Wakenye zu rechtfertigen und 
durch den Augenschein ein Urtheil über den Charakter 
der Wasweta zu gewinnen. Leider bestätigten sich 
die Behauptungen des Sultans Kibore durchaus. 
Am 2. August, vormittags 11 Uhr, befand sich 
die Expedition einer Negerfestung von überraschenden 
Dimensionen gegenüber. Die Boma Kiboroswa, 
zwischen zwei fließenden kleinen Wasserläufen auf 
einem etwa 50 m hohen Rücken gelegen, zeigte auf 
der der Marschrichtung zugekehrten Seite eine etwa 
600 m lange, 3 m hohe, durch Dornenverhau auf 
der Mauer verstärkte Mauer. Dieselbe war in ihrer 
ganzen Länge dicht mit Kriegern besetzt, deren Speere 
meterhoch die Spißen des Dornverhaus überragten. 
Der Anblick war ein äußerst kriegerischer und zeigte 
deutlich den Hochmuth und die feindlichen Absichten 
der Wasweta. Nach zweimaliger Absendung von 
Boten wurde die Aufforderung, Verpflegung an die 
Expedition zu verkaufen, in beleidigender Weise da- 
durch beantwortet, daß drei Negergreise mit einem 
mageren Schaf aus der Festung heraustraten und 
sich dem Lager näherten. Auf halbem Wege machten 
dieselben jedoch ohne jeden Grund Kehrt und gingen 
langsam zur Festung zurück. Einer sofort nachge- 
sandten Askaripatrouille gelang es, einen der Greise 
zu fangen. Dieser erklärte im Lager, daß unsere 
Bemühungen, mit den Wasweta friedlich zu verhan- 
deln, vergebliche bleiben würden, denn schon seit 
mehreren Tagen sei bei den Wasweta Kriegsrath 
abgehalten worden, in welchem die wenigen alten 
Männer zum Frieden gerathen hätten. ohne die jungen 
Krieger beeinflussen zu können, die „sehr Krieg“ 
verlangten. 
Nach dieser Erklärung und angesichts der drohenden 
  
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Haltung der Waswetakrieger, die einen nächtlichen 
Ueberfall erwarten ließ, ging ich unverweilt 12 Uhr 
mittags zum Angriff über. (Vergl. Gefechtsbericht, 
Anlage.) Nach halbstündiger tapferer Gegenwehr 
der Wasweta wurde die Boma Kiboroswa gestürmt. 
Von den naheliegenden Hügeln aus schauten die 
Nachbarn der Wasweta dem Kampfe zu, der all- 
gemein für eine Probe auf unsere Tapferkeit be- 
trachtet zu werden schien. Die Wakenye wagten 
jedoch nicht, mit uns am Kampfe theilzunehmen, weil 
sie wohl an einem Siege unsererseits zweifelten und 
für diesen Fall die Rache der Wasweta doppelt 
fürchteten. Nach Einnahme der Festung kamen die 
Wakenye des Sultans Kibore glückwünschend herbei 
und betheiligten sich in großer Zahl an der gewal- 
tigen Arbeit der Niederlegung der am Fuße 2,5 m 
dicken Cyklopenmauern, die am 3. August abends 
vollendet war. 
Rasch eilte die Kunde von dem Siege der Wa- 
dakki (Deutschen) über die Wasweta durch die Lande 
nördlich des Mara bis nach Ugaya hin, und die 
Folge war, daß die Sultane des Nordens um 
Freundschaft baten. 
Ohne die Eroberung von Kiboroswa aber würde 
die Expedition wohl auch weiterhin allenthalben 
aktiven oder passiven Widerstand gefunden haben, 
und die Anlage eines Postens nördlich des Mara, 
eine Hauptausfgabe der Station, wäre auf große 
Schwierigkeiten gestoßen. 
Am 4. August wurde der Marsch nach der 
Moribucht angetreten. Drei Märsche durch ein nur 
stellenweise bewohntes, malerisches, sehr wildreiches 
Pori längs des Segengheflusses führten nach der 
Moribucht. Diese im Norden und Süden von 
bizarren Granitfelsen umgebene Bucht ist von wild- 
romantischer, landschaftlicher Schönheit und zeigt 
einen scharf abgesetzten, nur stellenweise mit Papyrus 
bewachsenen Strand. In Kirugu auf der Nord- 
und Nordostseite bilden einige Felsdörfer, die von 
Wakiseruleuten bewohnt sind, das kleine Reich des 
Sultans Nyamkami. Der große Holzmangel, der 
auf weite Strecken um die Moribucht herum auf- 
tritt, im Verein mit der verschwindend geringen 
Bevölkerungsmenge, ließen die Anlage eines Postens 
daselbst, die rasch und billig von Statten gehen und 
von Nutzen sein soll, nicht zu. Der Morifluß zeigte 
bei seiner Ueberschreitung dicht oberhalb der Bucht 
einen Wasserstand von Kniehöhe. Während im Jahre 
1886 Dr. Fischer in Mara einen minimalen Wasser- 
stand vorfand, zwang ihn wenige Tage nach dessen 
Ueberschreitung die Hochstuth des Mori zu zwei- 
tägigem Aufenthalt. Jetzt hat sich also gerade eine 
entgegengesetzte Erscheinung gezeigt. 
Am 8. August, als die Expedition noch in Kirugu 
lagerte, traf eine Flottille von 21 Kanus, meist 
Wakerewe-Kanus, in der Moribucht ein mit Post 
und Europäerlasten. Der Sultan Mkaka von Uke- 
rewe führte die Flottille selbst. Er erzählte, auf 
Ukerewe und im südlichen Muanzabezirk habe sich
	        
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