Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Ramerun. 
Ueber jeine Rongo —Sanga — Agolo- Reise 
berichtet der Kaiserliche Gouverneur v. Puttkamer 
das Folgende: 
Da der knappe Raum an Bord des „)Nachtigal“ 
ein Einschiffen der gesammten Expedition nicht ge- 
stattete, so habe ich mit einem Theil des Gepäcks an 
Bord S. M. S. „Habicht“, der gleichzeitig seine 
Reise nach Kapstadt antrat, Dr. Plehn mit dem 
Gros der Expedition an Bord des „Nachtigal“ am 
1. Dezember v. Is. Kamerun verlassen. Am 5. des- 
selben Monats trafen beide Schiffe in Banana ein 
und dampften am 7. stromauf nach Boma, wo wir 
von dem General-Gouverneur a. i. Fuchs in üblicher 
Form auf das Zuvorkommendste empfangen und be- 
wirthet wurden. 
Der überaus reißenden Strömung halber erschien 
es nicht gerathen, das Kriegsschiff weiter nach oben 
fahren zu lassen. Zur Fahrt nach Matadi stellte 
mir der Gouverneur in liebenswürdigster Weise 
seinen Dampfer „Hirondelle“ zur Verfügung. Am 
10. trafen die Dampfer „Hirondelle“ und „Nachtigal“ 
nach glücklicher Fahrt durch den berühmten „Chandron 
d'enfer" in Matadi ein, wo der Woermann-Dampfer 
„Bruxellesville“ an der Eisenbahnbrücke lag. Unter 
den mich an Land empfangenden Herren befanden 
sich der dortige Generalkommissar und Distrikts- 
kommandant in Matadi Chevalier de Cing. Mercq 
und der französische Konsul Quillé de St. Anges. 
In Matadi ist seit einigen Monaten ein französisches 
Berufskonsulat eingerichtet. Die beiden genannten 
Herren leben dort, wie übrigens noch mehrere Euro- 
päer, mit ihren Frauen; das Klima scheint den 
Damen nicht übel zu bekommen. Abends fand für 
unsere Reisegesellschaft ein Diner an Bord „Bruxelles- 
ville“ statt. 
Am 14. früh 6½ Uhr verließ ich mit Leutnant 
Kramsta, welcher sich als Volontär meiner Expedition 
angeschlossen hatte, und Sergeant Gruschka und der 
Hälfte der Expedition mittelst Sonderzuges Matadi, 
in meiner Begleitung der Betriebsdirektor Herr 
Debacker, der mich bis zum Stanley Pool brachte. 
Die Bahnverwaltung hat seit Vollendung der Ge- 
sammtstrecke einen großen Theil des Personals an 
Europäern und Farbigen entlassen, beschäftigt aber 
noch immer der häufigen Reparaturen und Strecken- 
änderungen halber mehrere Tausend Arbeiter. Die 
Anlage ist großartig und bewunderungswerth. Auf 
der ganzen Strecke befindet sich kein Tunnel, sämmt- 
liche Brücken sind eiserne Hängebrücken ohne Pfeiler, 
mit bis zu 100 m Spannung, nicht selten in einer 
steigenden Kurve liegend; kühne Steigungen sind 
durch gewagte und mannigfaltige Kurven überwunden; 
diese Kurven verbieten, daß ein Zug aus mehr als 
Lokomotive und drei Wagen besteht. Die Bahn hat 
eine Breite von 81 cm zwischen den Achsen der 
  
272 — 
den Meter, die Geschwindigkeit 25 bis 30 km die 
Stunde, Güterzüge 15 km die Stunde; wöchentlich 
fahren drei Personenzüge von beiden Endpunkten ab, 
Montags, Mittwochs und Freitags, die sich in der 
Mitte, auf der Station Tumba, wo übernachtet wird, 
kreuzen. Güterzüge nach Bedarf, nachts wird nicht 
gefahren. Zunächst in die steile und romantische 
Felsenschlucht des Mpozoflusses hineingesprengt, erhebt 
sich der Schienenweg bis auf die Höhen von Pala- 
balla auf einer Strecke von 18 km von 26 auf 
280 m, erreicht bei 40 km die Station Kenge 
(260 m), überschreitet bei 80 km den Lufufluß auf 
einer 50 m langen Brücke (293 m hoch) und steigt 
bei Zole (130 km) als prachtvoll geschwungene Ge- 
birgsbahn auf 450 m. Hier findet sich in der Gegend 
des Col de la Hutte ein eigenartig geäderter Marmor 
in größeren Mengen. Die Bahn senkt sich wieder 
bis auf 345 m, in welcher Höhe sie auf 80 m langer 
Brücke den Kwilufluß überschreitet, hat einen weiteren 
außerordentlich gewundenen Abstieg beim Bahnhof 
Kimpesse, wo die gebirgige Landschaft von großer 
Schönheit, und führt dann wieder bergauf in ziemlich 
geraden Linien auf und durch das Hochplateau von 
Tumba etwa 450 m, wo wir auf dem Bahnhof der 
Hauptstadt des District des Cataractes um 4 Uhr 
50 Minuten nachmittags eintreffen (190 km). Auf 
dem mit belgischen, holländischen, kongostaatlichen und 
deutschen Flaggen geschmückten Bahnhof empfing mich 
der Distriktskommissar Baron Kosen, bei dem ich 
dann in Gesellschaft der Honoratioren des Orts zu 
Abend speiste. Fast ständig bestreicht eine kühlende 
Brise die ausgedehnten, fast baumlosen Steppen von 
Tumba, die Nächte sind kühl, das Klima gilt für 
gesund und als durchaus geeignet zur Anlage einer 
größeren Europäerniederlassung. 
Die Umgebung bietet Antilopen-, Büffel= und 
Hühnerjagd, Vieh gedeiht vortrefflich. 
Abfahrt am anderen Morgen früh 6 Uhr; es 
hatte in der Nacht geregnet und staubte infolgedessen 
nur wenig. Die Bahn steigt nun ständig und er- 
reicht nach Ueberwindung der steilen Windungen des 
Waldgebirges von Luvoka bei 230 km ihren höchsten 
Punkt, 750 m hoch. Langsam bergab ins Thal des 
Inkissiflusses, in Höhe von 530 m führt eine 100 m 
lange Brücke ohne Pfeiler über den schäumenden 
Fluß (262 km), zur Rechten dehnen sich die Anlagen 
der Jesuitenmission von Kisantu aus, der Wald tritt 
unmittelbar an die Linie, über den Guoufluß führt 
eine provisorische Holzbrücke; daneben arbeiten einige 
Hundert Eingeborene unter Leitung von weißen 
Ingenieuren an der eisernen Brücke. Man darf 
sagen, daß die Bahn bis hier vollständig fertig, ein 
sicherer Betrieb gewährleistet ist. Von nun an 
kommen zur Zeit noch unfertige Stellen vor; die 
eisernen Brücken fehlen noch; man fährt im lang- 
samsten Tempo über provisorische, übrigens sehr gut 
hergestellte Holzbrücken. Vor Allem aber beginnt 
hier Lehmboden, und macht sich daher der Mangel 
Schienen; die schärfste Steigung beträgt 45 mm auf eines genügenden Unterbaues empfindlich bemerkbar.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.