Berschiedene Mittheilungen.
Sur Frage der Schifffahrtsverhältnisse auf den afrika-
nischen Flüssen.
Einem Aufsatze*) des Pariser Professors A. Pillet
über die Frage, welches Recht sich zur Regelung
der Schifffahrtsverhältnisse auf den afrikanischen
Flüssen empfehle, entnehmen wir Folgendes:
Die Grundlage des gegenwärtigen Rechtszustandes
bilden die Beschlüsse des Wiener Kongresses und die
Akte des Berliner Kongresses von 1884/85.
Der Verfasser erörtert zunächst die Frage, ob
die Berliner Artikel heute noch genügen oder nach
den seitherigen jahrelangen Erforschungen und Ent-
deckungen nicht zugleich einer Ausdehnung und einer
Prüfung ihrer Bestimmungen bedürsen.
Er gliedert seine Betrachtungen in vier Theile
und behandelt im ersten theoretisch den Grundsatz
der freien Schifffahrt auf den internationalen Flüssen,
im zweiten die Anwendung desselben auf die euro-
päischen und afrikanischen Flüsse, im dritten die Un-
zulänglichkeit der Bestimmungen der Berliner Akte
und stellt im vierten und letzten Theil Vorschläge zu
neuen Grundsätzen auf.
I. Hinsichtlich des Grundsatzes der freien Schiff-
fahrt auf den internationalen Flüssen ständen zwei
Interessen sich gegenüber: das unbestreitbare Inter-
esse der handeltreibenden Staaten daran, daß ihre
Unterthanen die großen Wasserläufe für ihren Handel
benutzen können, und das des Uferstaates, der fremden
Schifffahrt die heimischen Gewässer zu verbieten oder
wenigstens den Zugang beliebigen Bedingungen zu
unterwerfen.
Die aufzustellende Nechtsregel müsse das erstere,
gerechtfertigte Interesse, das Recht auf den inter-
nationalen Handel, gewährleisten.
II. Anwendung des Grundsatzes auf die euro-
päischen und afrikanischen Flüsse.
Der wirkliche Ausdruck der Freiheit der Fluß-
schifffahrt finde sich in dem Artikel 5 des Pariser
Vertrages vom 30. Mai 1814, welcher die Schiff-
fahrt auf dem Rhein von dem Punkt an, wo er
schiffbar wird, bis zum Meer für frei erklärt und
einem zukünftigen Kongreß die nähere Regelung und
Ausdehnung der Bestimmung auf alle Flüsse vor-
behält, welche in ihrem schiffbaren Laufe verschiedene
Staaten scheiden oder berühren. Die Artikel 108
bis 116 der Schlußakte bezweckten, diesen Grundsatz
endgültig in das össentliche europäische Recht über-
gehen zu lassen.
Verfasser stellt nun die aus dem Grundsatze der
Freiheit der Schifffahrt auf den europäischen Flüssen
sich ergebenden hauptsächlichen Folgen zusammen:
1. Freiheit des Handels.
2. Erösfnung des schiffbaren Laufes eines Flusses
und aller seiner Zuflüsse unterschiedslos für alle
Flaggen.
* Abgedruckt in „Revue générale de droit inter-
national public“, Heft 6, 1898 und Heft 1, 1890.
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3. Unzulässigkeit aller willkürlichen Abgaben,
d. h. solcher, welche nicht ihren Grund in durch die
Schifffahrt bedingten Unkosten haben.
4. Gemeinsame Regelung der Schifffahrtspolizei
durch die Uferstaaten.
5. Gleichmäßige Erhebung und übereinstimmende
Regelung der Schiffsgebühren nur auf Grundlage
der den Uferanwohnern durch die Schifffahrt er-
wachsenden Abgaben.
6. Einrichtung der Zollämter derart, daß die
freie Schifffahrt in keiner Weise beeinträchtigt wird.
Die Berliner Akte feien über diese Grundsätze
der Wiener Akte in folgenden Punkten hinaus-
gegangen: «
1. Die Absicht der Freiheit nicht nur des
Handels, sondern auch der Schifffahrt selbst.
2. Freiheit der Schifffahrt zwischen dem offenen
Meer und den Häfen des Innern, an der Küste
und auf allen schiffbaren Zuflüssen wie Mündungen
oder Abflüssen.
3. Freiheit des Verkehrs auch auf den Seiten-
kanälen und selbst auf den Straßen und Eisen—
bahnen, welche gebaut werden sollten als Ergänzung
der möglichen Nichtschiffbarkeit einzelner Theile der
Flüsse.
4. Verbot jeder nur auf der Schifffahrt be-
ruhenden Gebühr.
5. Neutralität des Niger und Congo.
Der Verfasser prüft dann die späteren, seit 1885
abgeschlossenen Handels= und Schifffahrtsverträge und
gliedert sie, je nach den gegenseitigen Zugeständnissen,
in vier Gruppen:
1. Grundsatz der Gleichstellung der handel-
treibenden Fremden mit den Einheimischen, aus-
genommen im Allgemeinen bezüglich der Fischerei
und der Küstenschifffahrt, z. B. zwischen Deutschland
und Rußland vom 29. Januar, 10. Februar 1894.
2. Gegenseitige Gewährung der Rechte der meist-
begünstigten Nation, z. B. Deutschland und Türkei,
vom 24. August 1890.
Mitunter 1 und 2 abwechselnd, z. B. Deutsch-
land und Serbien vom 9./21. August 1892.
3. Einschränkung der Freiheit der Schifffahrt
auf die dem fremden Handel geöffneten Flüsse, so
besonders im äußersten Osten und mit Anmerika,
z. B. zwischen Deutschland und Columbien vom
20. Juli 1892.
4. Unterscheidung zwischen den Küsten= und
Binnengewässern, die ersteren der Schifffahrt ge-
öffnet, die letzteren unter der Herrschaft des ein-
heimischen Rechts belassen, so in den mit Egypten
abgeschlossenen Verträgen, z. B. seitens Italiens vom
1. Februar 1892.
Alle diese Abmachungen seien nur Vergünstigungen.
In Afrika sei die Anwendung der vom Berliner
Kongreß aufgestellten Grundsätze noch nicht allgemein,
wie aus verschiedenen besonderen Verträgen hervor-
gehe. Die beiden nicht in den Berliner Vertrag
aufgenommenen großen afrikanischen Flüsse würden