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mäßig beladenen Kanus für die Bergfahrt 86, für
die Thalfahrt 25 Stunden gebraucht. Wenn ich die
wahrscheinlich zu gering geschätzte Geschwindigkeit
von 3 km pro Stunde für die Bergfahrt zu Grunde
lege, so liegen die Schnellen etwa c = 2 30
4= 13° 40“ östl. Greenwich. Doch möchte ich
vermuthen, daß die Geschwindigkeit größer war.
Meine eingesandten astronomischen Ortsbestimmungen
werden das ja ergeben.
Die ganze Strecke von den Schnellen bis zur
Mündung des Ngoko in den Sanga (etwa 330 km)
ist selbst für größere Flußdampfer gut schiffbar. Ich
habe von den Fällen an alle zwei Minuten lothen
lassen und erreichte bei dem jetzigen mittleren Wasser-
stand mit einer 3 m langen Rute nur an ganz ver-
einzelten Stellen Grund, wobei noch zu erwägen ist,
daß ich mit den Kanus natürlich fuhr, ohne mir das
Fahrwasser irgendwie auszusuchen. Das Bett des
Ngoko und Dscha ist tief in felsigen Boden ein-
geschnitten. Die Strömung wechselt sehr, ist jedoch
meist gering. Stellen, die für einen Heckraddampfer
von 10 bis 15 Tonnen, wie sie auf dem Kongo
fahren, irgendwie schwierig sind, falls der Führer
sich einigermaßen mit dem Fahrwasser und nament-
lich mit den an einzelnen Stellen vorkommenden vom
Wasser bedeckten Klippen bekannt macht, giebt es
auf der ganzen Strecke nicht. Nicht ganz so günstig
steht es mit dem Bomba, welcher über Kodiu hinaus,
etwa 20 km von der Mündung entfernt, für Dampfer
nicht schiffbar ist. Es sind auch auf dieser Strecke
an einzelnen Stellen Klippen vorhanden, doch lassen
sich dieselben bei Kenntniß des Fahrwassers leicht
umgehen.
Die übrigen Nebenflüsse des Ngoko bezw. Dscha
sind kleine Bäche, von denen einige nicht weit von
der Mündung Teiche bilden, die wegen ihres Fisch-
reichthums von den Eingeborenen viel besucht werden.
Seiner Breite und Tiefe nach könnte der 50 m
breite Kudu, der bei dem Dorfe Balla mündet, wohl
schiffbar sein, doch versperren zahllose umgestürzte
Baumstämme sein Fahrwasser schon nahe bei der
Mündung.
Was die Ufer betrifft, so sind dieselben weiter
oberhalb, wie schon erwähnt, stark gebirgig, Alles,
soweit das Auge reicht, ist von dichtem Urwald be-
deckt. Die Oelpalme kommt in demselben nur von
Dschama an stromaufwärts und nur in ganz ver-
einzelten Exemplaren vor. Gummi kommt überall,
an einzelnen Stellen sogar in großen Mengen vor.
Elephanten giebt es überall in großen Mengen,
gesehen habe ich während der Reise zwar nur drei,
doch sind beide Ufer auf der ganzen Strecke von
ihnen buchstäblich zertreten; da ist keine Lache, kein
Grasplatz, auf dem man nicht frische Spuren in
Menge sieht, der ganze Wald ist von ihren Pfaden
dicht durchzogen. Flußpferde und Krokodile sind
im Fluß häufig, Büffel spürt man viel am Ufer,
der Fischreichthum ist groß.
Was die Bevölkerung anbetrifft, so theilt man
den seßhaften Theil derselben in die Nzimu und die
Misanga ein. Der Name Nzimu bedeutet Busch-
bewohner und umfaßt eine Vielheit von Stämmen,
deren größter Theil die unmittelbare Nähe der
Flüsse meidet und überhaupt keine Kanus besitzt, im
Gegensatz zu den wasserliebenden Misanga; zu ihnen
gehören die Tzimburi, die Kunabembe, die Bama-
bassa und Bangandu. Die sämmtlichen Nzimu sind
ihrer Sprache, ihren Waffen und Geräthschaften
nach mit den Fan zweifellos stammverwandt, doch
werde ich über alle rein völkerkundlichen Sachen
später gesondert berichten.
Auffallen muß hier vor Allem die außerordent-
lich geringe Zahl der Bevölkerung. Der ganze
Stamm der Misanga, der von der Ngokomündung
bis Dschama und Dangolo dicht am Fluß oder auf
den Inseln sitzt, kann kaum mehr als 1000 Seelen
betragen. Was die Nzimu anbetrifft, so schließt sich
an Kunabembe und Tzimburi nach Nordost der
etwas zahlreichere Bangandustamm. Auf die
kleinen bis an den Fluß vorgeschobenen Bamabassa-
dörfer, die zusammen nicht 400 Einwohner haben
mögen, folgt nach Süden der größere Bamabassa-
stamm erst in einer Entfernung von 3 bis 4 Tage-
märschen. Von der Station an zieht sich bis zum
Sanga hin in spärlichen kleinen Dörfern eine weitere
Abtheilung der Nzimu, deren Zahl wohl auch kaum
über 1000 hinausgeht. Hiermit ist aber auch die
Zahl der seßhaften Stämme, die sich in diesem
großen Gebiet feststellen lassen, erschöpft.
Nach meinen Erkundungen soll man von Kuna-
bembe aus die erste Ortschaft im Nordwesten erst
nach 10 tägigem Marsch durch unbewohnten Urwald
erreichen. Von den Bangandu aus soll man nach
Nordosten ebenfalls 10 Tagemärsche durch unbe-
wohnten Urwald gehen, ehe man ein Dorf trifft.
Nach Norden und nach Westen zu über die Schnellen
des Bumba und des Dscha hinaus wußten die Leute
überhaupt nichts von der Existenz von Ortschaften.
„Wer nach dort geht, stirbt im Busch und findet
kein Dorf“, lautete stets die Antwort, so viel Leute
ich auch aus den verschiedensten Ortschaften befragte.
Völlig übereinstimmend lauteten auch die Angaben
dahin, daß das ganze Terrain soweit es bekannt ist,
mit Urwald bedeckt ist. Von Grasland weiß man
überhaupt nichts, charakteristisch ist, daß man dasselbe
hier in dem aus Bangalla und Misanga zusammen-
gesetzten Kauderwelsch „dzamba nam putu“ (wört-
lich „Busch der Weißen“) nennt. Es scheint nach
Allem, daß wir es hier mit einem ungeheueren,
viele 1000 qkm großen zusammenhängenden inner-
afrikanischen Urwaldgebiet zu thun haben, dessen
spärliche Bevölkerung, soweit sie seßhaft ist, sich in
die Nähe der Flußläufe zusammendrängt, im Innern
große Strecken unbewohnt lassend.
Neben der seßhaften Bevölkerung spielen hier
wirthschaftlich die Stämme der wohhnsitzlosen Ele-
phantenjäger eine große Rolle, die von den Einge-
borenen Badyiri, Bakollo oder Bayaka genannt