Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Bestrafung von Sklavenhandel und der Befreiung 
von Sklaven sowie eine statistische Uebersicht über 
den Schiffsverkehr im Hafen von Sansibar. 
  
Rus fremden Kolonien. 
Bericht des Baudirektors Gurlitt über seine indische 
Reise. 
Der Regierungsbaumeister bei dem Kaiserlichen 
Gouvernement in Dar-es-Saläm, Gurlitt, hat zu 
Ende des vorigen und zu Anfang d. Is. eine größere 
Reise in Indien zu seiner Information unternommen. 
Aus dem nunmehr vorliegenden Reiseberichte ver- 
dienen die nachstehenden Ausführungen allgemeines 
Interesse: 
Die großen ingenieurtechnischen Anlagen 
der Bewässerung des Landes, die die erste Haupt- 
sorge der Regierung gewesen sind und in einem fast 
ebenso großartigen Maßstab zur Durchführung ge- 
langt sind, wie in dem durch den Nil schon natürlich 
bewässerten Aegypten, haben Millionen verschlungen, 
kommen deshalb für unsere Kolonie zunächst nicht in 
Frage und erfordern ein eigenes Studium. 
Die Versorgung der Städte mit frischem Wasser 
geschieht durch Brunnen oder meist aus aufgestauten 
Seeanlagen vermittelst Wasserkünste, die in ihren Ein- 
richtungen den in der Heimath gemeiniglich bekannten 
Gepflogenheiten entsprechen. Eine Abführung der 
Gebrauchswässer erfolgt, wenn überhaupt vorhanden, 
in offenen Rinnsteinen und Kanälen. Eisenbahnen 
und Wege sind in mustergültiger Verfassung; auch 
die Straßenbeleuchtung steht den heimischen Ein- 
richtungen, als Oel-, Gas-, Gasglüh= oder elektrisches 
Licht, in keiner Weise nach. Alle diese technischen 
Anlagen sind nach europäischem Muster und machen 
ein indisches Studium nicht eben erforderlich. 
Anders verhält es sich mit den hochbaulichen 
Anlagen. Hier konnte ich die verschiedenartigsten 
Beobachtungen machen und feststellen, daß selbst in 
einer Kolonie wie Indien die Frage des zweckmäßigen 
Bauens durchaus nicht allgemein geklärt ist. Neben 
den mit Berücksichtigung der klimatischen Verhältnisse 
angelegten, auf der Grundlage derselben konstruirten 
und aus ihren Forderungen abgeleiteten Bauten findet 
man gerade in den neuesten Gebänden eine große 
Masse von Bauten, die den tropischen Anforderungen 
ebenso wenig gerecht werden, wie der Ausnützung 
der heimischen Einrichtungen und den ästhetischen 
Ansprüchen, deren Rücksichten doch gerade in erster 
Linie die Grundlage dieser baulichen Erzeugnisse ge- 
bildet zu haben scheinen. Was ich an wirklich nütz- 
lichen und nachahmenswerthen Einrichtungen angetroffen 
habe, soll kurz in Folgendem zusammengestellt sein. 
Der größte Werth ist auf genügenden Luft- 
wechsel und die damit verbundene Kühlung gelegt. 
Um diese Vortheile zu gewinnen, werden geschlossene 
Mauern thunlichst vermieden. Diese sind nur bei 
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Gebäuden oder Gebäudetheilen unentbehrlich, die aus 
besonderen Gründen, wie Schutz vor Einbruch oder 
Abtrennung der Hauswirthschaft und Dienstboten, 
abgeschlossen werden müssen. Sonst tritt an ihre 
Stelle der weite, offene Bogen sowohl in den äußeren 
Umfassungsmauern, wie in den inneren Trennungs- 
mauern, unbeschadet, ob sie die Last eines oberen 
Stockwerks aufzunehmen haben oder nicht. Es ent- 
steht ein zusammenhängender, großer, luftiger Bogen- 
raum, der nun wieder durch hölzerne bezw. Jalousie- 
scheidewände in einzelne Theile zerlegt werden kann, 
ohne daß die Luftwege abgeschnitten werden. Die 
Hausstände in den Tropen werden bei dem Vorrath 
an Dienstpersonal eine derartige offene Anlage stets 
unbedenklich erscheinen lassen, so daß sich auch der 
an die heimische Abgeschlossenheit gewohnte Deutsche 
ungefährdet den Vorzügen dieser tropischen Freiheit 
hingeben kann, die ihm bei der Einfachheit der Haus- 
einrichtungen nicht die Schätze birgt, wie sie zu einer 
heimischen Einrichtung heutzutage gehören. Der Vor- 
theil der bequemen Veränderung der Raumeintheilung 
durch Versetzung der leichten Zwischenwände je nach 
den Anforderungen der Benutzung kann diese An- 
ordnungen nur befürworten. Diese natürliche Kühlung 
hat beträchtliche Vorzüge vor jeder künstlichen, sei es 
nun vermittelst der staubfangenden und stäubenden 
Punkas oder der elektrisch bewegten Flügelapparate, 
die eine Unruhe im Raume und eine Nervenaffektion 
erzeugen, ohne mehr als eine ganz lokale Kühlung 
zu bewirken. Die Scheidewände sollen die Räume 
nur vor Einsicht schützen und werden daher am besten 
nur in der Höhe angebracht, in der das menschliche 
Auge in das innere Weichbild einzudringen vermag, 
während unten am Fußboden und besonders ober- 
halb der Kopfhöhe der freie, offene Raum der Luft 
ungehinderten Durchgang gestattet. Leicht läßt sich 
dieser Abschluß je nach der Art der Wände, ihrem 
Material, ihrer Konstruktion, ihren Abmessungen 
modifiziren, und es besteht die Möglichkeit der An- 
passung an die bestimmten verschiedenartigen Zwecke 
und Anforderungen. Auch die Handhabung der be- 
weglichen Wände erfährt durch Klappen, Seitwärts- 
und Aufwärtsschieben wünschenswerthe Anlage und 
Abwechselung. 
Die zweite Forderung ist die Abhaltung der 
Wärme. Die Mittel sind ein vorzügliches Deckungs- 
material aus gebranntem Thon (meist Falzziegel, 
entweder in doppelter Eindeckung (als Kronendach 
oder auf Bretterschalung), bei den besseren Leuten 
unter Abtrennung des Dachraumes durch eine wage- 
rechte Holzdecke, die dann auch noch mit Konkret- 
fußboden auf Ziegelplatten abgedeckt sein kann, und 
andererseits der Schutz der Umfassungswände gegen 
Bestrahlung, was vollkommen dadurch erreicht wird, 
daß die Hauptdächer oder besondere Vordächer nach 
unten verlängert werden, soweit es die Beschränkung 
des Ausblickes irgend gestattet. Die letzte Anordnung 
verdient den Vorzug, weil die Trennung zwischen 
Haupt= und Vordach die Anlage der Luftzuführung
	        
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