Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

Unser Marsch führte uns am 1. Mai durch dieses 
Pori am Westrande eines riesigen Sumpfsees, einer 
seenartigen Erweiterung des Kagera, entlang. Der 
Sumpf, welcher auf weite Entfernungen offenes 
Wasser mit vielen Inseln zeigte, wurde mir als 
Murguero= und weiter südlich als Luvambuko-See 
bezeichnet. In neunstündigem angestrengten Marsche 
überwand die Karawane dieses Grenzgebiet, in welchem 
wir die ersten Antilopen wieder zu Gesicht bekamen, 
und lagerte am Südende des Luvambuko= Sees in 
der Landschaft Ivusome. 
Der Ort, wo wir lagerten, ist eine große Ein- 
geborenenstadt zu nenuen, eine geschlossen wohnende 
Gemeinde, welche sich hier wohl der Grenzgefahren 
gegen Ruanda wegen so dicht zusammengedrängt hat. 
Große Rinderherden, nach Hunderten zählend, wurden 
am Nachmittage eingetrieben, und der breite ausge- 
tretene Weg hatte durch den Regen und unter den 
Tausenden von Huftritten das Aussehen einer recht 
verwahrlosten Dorfstraße bekommen. 
Die Anstrengungen der beiden letzten Tage ver- 
anlaßten mich, hier einen Ruhetag zu machen, welchen 
ich zu einer ganz rohen Konstruktion, behufs unge- 
fährer Feststellung unseres augenblicklichen Standortes 
benutzte. Auch suchte ich über die Grenzverhältnisse 
zu Ruanda Genaueres in Erfahrung zu bringen. 
Nach meiner Annahme mußte ich ungefähr etwa 
acht Marschtage nordwestlich der Missionsstation 
Missugi, welche das nächste Marschziel bildete, sein, 
und ich begann hier von Neuem meine Erkundigungen 
nach den weißen Vätern, welche mir im südlichen 
Kissakka stets die Antwort eingebracht hatten, daß 
nichts von Europäern, die bei den Warundi wohnen 
sollten, bekannt sei und daß aus Urundi überhaupt 
keine Nachrichten nach Ruanda kämen. 
Wohl aus Furcht, ich könne als Freund des 
Kigeri mit ihnen Krieg machen, gaben sich die Be- 
wohner von Ivusome erst für Wanyaruanda aus, 
dann als Warundi unter dem Schutz des Juhi und 
endlich nach meinen Vorhaltungen, daß viele Gründe, 
das Pori, ihr Armschmuck und die Bewaffnung da- 
gegen sprächen, bekannten sie sich als reine Warundi 
unter der Oberherrschaft des Mwesi, dem auch die 
großen Rinderherden gehören sollten. Von den 
Missionaren hätten sie gehört, jedoch den Ort könnten 
sie nicht angeben. 
Meine Führer, welche mich bis hierher gebracht 
hatten, erbaten sich sofort nach Eintreffen im Lager 
die Erlaubniß zur Rückkehr, da sie fürchteten, er- 
mordet zu werden. 
Waren in Ruanda auf dem ganzen Marsch keine 
Schwierigkeiten wegen der Führer, Verpflegung oder 
Auskunft über die Gegend entstanden, so begannen 
diese jetzt und mehrten sich von Tag zu Tag. 
Am 3. Mai überschritt die Karawane den süd- 
lichen Endsumpf des Kansigiri-Sees und trafen wir 
hier auf die Route des Obersten v. Trotha; am 
4. lagerte ich in Wambarangwe bei dem Sultan 
Lussokosa, einem vertriebenen Neffen des Mwesi, 
  
welcher erst nach sehr dringendem Zureden und Fest- 
setzung von drei Großleuten sich dazu herbeiließ, am 
folgenden Tage unter großem Pomp Lebensmittel zu 
schicken und dann, wie zur Entschuldigung, wunderbare 
Kriegstänze aufführen ließ, die er selbst leitete. Ich 
war nahe daran, ihn als den sogenannten „salschen 
Mwesi“ zu bezeichnen, wofür die Lage seines Dorfes, 
und seine anscheinend sehr große Macht sprachen, 
kam aber aus anderen dagegen sprechenden Gründen 
wieder davon ab. 
Am 9. Mai überschritt ich die Grenze von Lusso- 
kosas Gebiet und lagerte nun in dem unter direktem 
Einfluß des Mvwesi stehenden Lande bei Nyarutoro, 
in der Nähe der Stelle, an der Oberst v. Trotha 
seiner Zeit angegriffen worden war. 
Bisher war ich noch ohne zu große Schwierig- 
keiten ausgekommen, jetzt aber mehrten sich dieselben 
derartig, daß ich anfing, an einer völlig friedlichen 
Durchführung der Unternehmung zu zweifeln. 
Nach Lussokosas Angaben sollten die Missionare 
in Bujogoma, etwa noch vier bis fünf Tagemärsche 
entfernt, wohnen; hier leugneten jetzt die Bewohner, 
überhaupt etwas von den Europäern zu wissen, ver- 
suchten, mich nach Westen abzudrängen, und begannen, 
mit geringschätzenden Bemerkungen sich über meine 
Leute lustig zu machen; die Lebensmittel zur Ver- 
pflegung der Karawane wurden von Tag zu Tag 
geringer, und während Hunderte von Leuten von Dorf 
zu Dorf mitzogen und das Aufschlagen des Lagers 
begafften, waren die Eingänge der Gehöfte mit 
Dornen und Hölzern verlegt und die Bevölkerung 
geflüchtet. 
Am 11. Mai erreichte ich die Baumannsche Route 
und lagerte an den Kumogongobergen, etwa 200 m 
oberhalb eines früheren Lagers des Obersten v. Trotha. 
Hier kam es zum offenen Angriff der Eingeborenen 
auf meine Leute, was mich zum Eingreifen mit der 
Waffe zwang. 
In den kleinen Gefechten am 11. (abends), 12. 
und 13. Mai fielen 36 Warundi, 10 Gefangene wur- 
den gemacht und müssen, nach den Blutspuren zu 
urtheilen, viele Leute verwundet worden sein. An 
Beute brachten die Patrouillen 24 Rinder und gegen 
400 Stück Kleinvieh. Von der Kompagnie wurde 
ein Askari leicht durch einen Pfeil am Handgelenk 
verletzt. 
Der Mtwale „Munina“ oder „Serusanse“ soll 
ein leiblicher Sohn des Mwesi sein, die ihm gehören- 
den Dörfer wurden niedergebrannt, und marschirte 
ich am 14. Mai weiter, nachdem Serusanse sich ge- 
stellt und vollkommen unterworsen hatte. Auf meine 
eindringlichsten Fragen nach den Missionaren gab er 
an, wenn ich den Ruvuvu überschritten haben würde, 
könne ich in zwei Tagen dort sein und er wolle 
Führer stellen, den Ruvuvu würde ich in zwei 
Märschen erreichen. 
Weder im Guten noch im Bösen war etwas 
Genaueres über den Sitz der Mission herauszubringen, 
und konnte ich, da ich nicht im Stande war, durch
	        
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