Unser Marsch führte uns am 1. Mai durch dieses
Pori am Westrande eines riesigen Sumpfsees, einer
seenartigen Erweiterung des Kagera, entlang. Der
Sumpf, welcher auf weite Entfernungen offenes
Wasser mit vielen Inseln zeigte, wurde mir als
Murguero= und weiter südlich als Luvambuko-See
bezeichnet. In neunstündigem angestrengten Marsche
überwand die Karawane dieses Grenzgebiet, in welchem
wir die ersten Antilopen wieder zu Gesicht bekamen,
und lagerte am Südende des Luvambuko= Sees in
der Landschaft Ivusome.
Der Ort, wo wir lagerten, ist eine große Ein-
geborenenstadt zu nenuen, eine geschlossen wohnende
Gemeinde, welche sich hier wohl der Grenzgefahren
gegen Ruanda wegen so dicht zusammengedrängt hat.
Große Rinderherden, nach Hunderten zählend, wurden
am Nachmittage eingetrieben, und der breite ausge-
tretene Weg hatte durch den Regen und unter den
Tausenden von Huftritten das Aussehen einer recht
verwahrlosten Dorfstraße bekommen.
Die Anstrengungen der beiden letzten Tage ver-
anlaßten mich, hier einen Ruhetag zu machen, welchen
ich zu einer ganz rohen Konstruktion, behufs unge-
fährer Feststellung unseres augenblicklichen Standortes
benutzte. Auch suchte ich über die Grenzverhältnisse
zu Ruanda Genaueres in Erfahrung zu bringen.
Nach meiner Annahme mußte ich ungefähr etwa
acht Marschtage nordwestlich der Missionsstation
Missugi, welche das nächste Marschziel bildete, sein,
und ich begann hier von Neuem meine Erkundigungen
nach den weißen Vätern, welche mir im südlichen
Kissakka stets die Antwort eingebracht hatten, daß
nichts von Europäern, die bei den Warundi wohnen
sollten, bekannt sei und daß aus Urundi überhaupt
keine Nachrichten nach Ruanda kämen.
Wohl aus Furcht, ich könne als Freund des
Kigeri mit ihnen Krieg machen, gaben sich die Be-
wohner von Ivusome erst für Wanyaruanda aus,
dann als Warundi unter dem Schutz des Juhi und
endlich nach meinen Vorhaltungen, daß viele Gründe,
das Pori, ihr Armschmuck und die Bewaffnung da-
gegen sprächen, bekannten sie sich als reine Warundi
unter der Oberherrschaft des Mwesi, dem auch die
großen Rinderherden gehören sollten. Von den
Missionaren hätten sie gehört, jedoch den Ort könnten
sie nicht angeben.
Meine Führer, welche mich bis hierher gebracht
hatten, erbaten sich sofort nach Eintreffen im Lager
die Erlaubniß zur Rückkehr, da sie fürchteten, er-
mordet zu werden.
Waren in Ruanda auf dem ganzen Marsch keine
Schwierigkeiten wegen der Führer, Verpflegung oder
Auskunft über die Gegend entstanden, so begannen
diese jetzt und mehrten sich von Tag zu Tag.
Am 3. Mai überschritt die Karawane den süd-
lichen Endsumpf des Kansigiri-Sees und trafen wir
hier auf die Route des Obersten v. Trotha; am
4. lagerte ich in Wambarangwe bei dem Sultan
Lussokosa, einem vertriebenen Neffen des Mwesi,
welcher erst nach sehr dringendem Zureden und Fest-
setzung von drei Großleuten sich dazu herbeiließ, am
folgenden Tage unter großem Pomp Lebensmittel zu
schicken und dann, wie zur Entschuldigung, wunderbare
Kriegstänze aufführen ließ, die er selbst leitete. Ich
war nahe daran, ihn als den sogenannten „salschen
Mwesi“ zu bezeichnen, wofür die Lage seines Dorfes,
und seine anscheinend sehr große Macht sprachen,
kam aber aus anderen dagegen sprechenden Gründen
wieder davon ab.
Am 9. Mai überschritt ich die Grenze von Lusso-
kosas Gebiet und lagerte nun in dem unter direktem
Einfluß des Mvwesi stehenden Lande bei Nyarutoro,
in der Nähe der Stelle, an der Oberst v. Trotha
seiner Zeit angegriffen worden war.
Bisher war ich noch ohne zu große Schwierig-
keiten ausgekommen, jetzt aber mehrten sich dieselben
derartig, daß ich anfing, an einer völlig friedlichen
Durchführung der Unternehmung zu zweifeln.
Nach Lussokosas Angaben sollten die Missionare
in Bujogoma, etwa noch vier bis fünf Tagemärsche
entfernt, wohnen; hier leugneten jetzt die Bewohner,
überhaupt etwas von den Europäern zu wissen, ver-
suchten, mich nach Westen abzudrängen, und begannen,
mit geringschätzenden Bemerkungen sich über meine
Leute lustig zu machen; die Lebensmittel zur Ver-
pflegung der Karawane wurden von Tag zu Tag
geringer, und während Hunderte von Leuten von Dorf
zu Dorf mitzogen und das Aufschlagen des Lagers
begafften, waren die Eingänge der Gehöfte mit
Dornen und Hölzern verlegt und die Bevölkerung
geflüchtet.
Am 11. Mai erreichte ich die Baumannsche Route
und lagerte an den Kumogongobergen, etwa 200 m
oberhalb eines früheren Lagers des Obersten v. Trotha.
Hier kam es zum offenen Angriff der Eingeborenen
auf meine Leute, was mich zum Eingreifen mit der
Waffe zwang.
In den kleinen Gefechten am 11. (abends), 12.
und 13. Mai fielen 36 Warundi, 10 Gefangene wur-
den gemacht und müssen, nach den Blutspuren zu
urtheilen, viele Leute verwundet worden sein. An
Beute brachten die Patrouillen 24 Rinder und gegen
400 Stück Kleinvieh. Von der Kompagnie wurde
ein Askari leicht durch einen Pfeil am Handgelenk
verletzt.
Der Mtwale „Munina“ oder „Serusanse“ soll
ein leiblicher Sohn des Mwesi sein, die ihm gehören-
den Dörfer wurden niedergebrannt, und marschirte
ich am 14. Mai weiter, nachdem Serusanse sich ge-
stellt und vollkommen unterworsen hatte. Auf meine
eindringlichsten Fragen nach den Missionaren gab er
an, wenn ich den Ruvuvu überschritten haben würde,
könne ich in zwei Tagen dort sein und er wolle
Führer stellen, den Ruvuvu würde ich in zwei
Märschen erreichen.
Weder im Guten noch im Bösen war etwas
Genaueres über den Sitz der Mission herauszubringen,
und konnte ich, da ich nicht im Stande war, durch