Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

um eine neue Schonung zu erhalten. In Bulot- 
schina, einer Pflanzung der Deli-Gesellschaft, die von 
einem alten Sumatra-Pflanzer, Herrn Opry, muster- 
gültig administrirt wird, befindet sich eine 15jährige 
Diattipflanzung, die den Eindruck wie ein 50 bis 
60 Jahre alter Buchenwald in Deutschland macht.?) 
Das Arbeitssystem auf den Tabakspflanzungen 
Sumatras ist mit einem Geschick und Verständniß 
organisirt, und die Arbeiter sind so gut erzogen, daß 
ers als mustergültig bezeichnet werden kann. Der 
ganze Apparat auf einer Farm, die im Durchschnitt 
500 bis 600 Leute täglich beschäftigt, arbeitet 
geräuschlos. Es wird von morgens bis abends 5 Uhr 
mit nur einstündiger Mittagspause unermüdlich ge- 
arbeltet, und es gehört eine gute Disziplin dazu, den 
Chinesen, der von Natur gern schwatzt, diese lange 
Zeit hindurch zum Arbeiten und Schweigen anzu- 
halten. Allerdings kommt dem Pflanzer zu statten, 
daß seine Arbeiter fremd im Lande und durch einen 
Kontrakt gebunden sind, daß dieselben möglichst viel 
Geld verdienen wollen, um ihre Leidenschaften — 
Opium rauchen und Hazard spielen — befriedigen 
zu können, und daß es infolge dieser Geldsucht dem 
Europäer leicht gemacht wird, die schon von der 
Heimat her an Arbeit gewöhnten, intelligenten Leute 
auf Akkordarbeit zu stellen. Trotz dieser Vortheile, 
die der Europäer hier hat, gehört doch eine lange 
Erfahrung und ein gewisses Taktgefühl dazu, den 
Arbeiter richtig zu erziehen, und man muß den 
Holländern die vollste Anerkennung für die Art der 
Behandlung ihrer Leute aussprechen. Diese Kunst, 
durch Ernst und gerechte Behandlung, verbunden 
mit der nöthigen Strenge, die hier lebenden Völker- 
stämme zu erziehen, sind den Holländern in großem 
Maße eigen. Nachdem in der Pflanzung die Wege 
und Gräben gezogen sind, wird zu beiden Seiten 
des Weges das Land in Parzellen eingetheilt, die 
so bebaut werden, daß die am Wege errichteten 
Trockenscheunen drei Jahre hindurch benutzt werden 
können. Diese Parzellen werden wieder in Bouws 
getheilt, von denen jeder Chinese einen zur Tabaks- 
kultur erhält. Nach der dreimaligen Vorbereitung 
des Bodens erhält er die im Beet gezogenen Pflänzchen, 
von welchen im Durchschnitt 15 000 Stück auf den 
Bouw gerechnet werden. Unter Ausfsicht eines Auf- 
sehers, dessen Lohn er selbst zu zahlen hat, und der 
außerdem 2 pCt. von den in die Fermentirscheune 
eingelieferten Blättern erhält (auf 13 bis 15 Leute 
kommt ein Aufseher) hat der Chinese nun alle 
Arbeiten, die mit dem Tabak bis zu seiner Fertig- 
stellung vorzunehmen sind, zu leisten und erhält dafür 
je nach der Güte der von ihm abgelieferten Blätter 
pro 1000 Pflanzen 1 bis 8 Dollar. Sein Verdienst 
hängt also lediglich von der Güte seiner Arbeit ab. 
Für die Zeit bis zur Auszahlung seines Ver- 
dienstes kann er Vorschuß nehmen, der ihm dann 
*) Die Tabakkultur im Einzelnen behandelt ein Buch 
von Harsmer: „Die Tabakkultur in Dell“. 
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von seinem Verdienst abgezogen wird. Da dieser 
vorher schwer zu schätzen ist, so kommt es nicht selten 
vor, daß der genommene Vorschuß den Verdienst 
überschreitet. Der Chinese ist in diesem Falle ge- 
zwungen, noch über seine kontraktliche Verpflichtung 
hinaus auf der Pflanzung weiter zu arbeiten, um 
seine Schulden bezahlen zu können, denn der von 
ihm genommene Vorschuß ist inzwischen längst verspielt 
und in dem theuren Opium verbraucht. Bei dem 
Vortheill, der dem Pflanzer aus diesem Leichtsinn des 
Chinesen erwächst, wird der verlangte Vorschuß 
natürlich in der bereitwilligsten Weise gewährt. Das 
System der Akkordarbeit wird auf das Möglichste 
ausgedehnt und wird nicht nur auf den Tabakbau, 
sondern fast auf jede Verrichtung angewandt, so daß 
eine Tagelohnarbeit zu den Seltenheiten gehört. 
Z. B. erhält der Chinese beim Bretterschneiden den 
Stamm an der Stelle, an welcher er im Urwalde 
gefällt ist, und muß dann die geschnittenen Bretter 
auf den Weg abliefern. Alle Arbeiten, die er mit 
dem Baume vorzunehmen hat, besorgt er selbst, und 
es ist interessant, wie geschickt der Mann ohne jede 
maschinelle, auch oft ohne menschliche Hülfe, die 
großen Stämme in die zum Schneiden nöthige 
Lage bringt. Das Schneiden selbst besorgt er stets 
allein mit einer handbreiten, langen Spannsäge. Die 
Akkordsätze schwanken etwas je nach der Stärke des 
Holzes. Bei dem sehr festen Marbauholze sind sie 
wie folgt, wobei zu bemerken ist, daß alle Bretter 
die bestimmte Länge von 18 Fuß und Breite von 
9 Zoll haben müssen. 
Pro Stück werden für diese Bretter gezahlt: 
Bei 1 Zoll Stärke 35 Dollarcent pro Brett 
r 1 ½ 2 1 40 r- 5 # 
- 2 2 „: 45—50 - 2- " 
- 2½ * -J 54 “7" 2 * 
---- 3 - 60 * 
Nachdem der Urwald heruntergeschlagen ist, 
werden alle Gräben je nach Breite, Tiefe und Boden- 
beschaffenheit nach laufendem Meter vergeben, das“ 
aus dem Urwald geschlagene schwächere Holz zum 
Scheunenbau wird auf Akkord an die Wege geschleppt, 
kurz, wo irgend angängig, wird der Arbeiter in die 
Lage versetzt, seinen Verdienst selbst zu bestimmen. 
Ist eine Arbeit nicht gut einem Akkordsatz anzupassen, 
so hängt der Lohn des Mannes immer noch von 
seiner Tüchtigkeit ab und schwankt zwischen 5 und 
10 Dollar pro Monat. Die Javanischen Frauen, 
die ebenfalls zur Arbeit verpflichtet sind, erhalten 
3 Dollar pro Monat. 
Die Trockenscheunen werden bei 60 m Länge 
und 15 m Tiefe mit 500 Dollar in Akkord ver- 
geben, abgerechnet die Herbeischaffung des Bau- 
materials, das ungefähr 400 Dollars beträgt, so daß 
eine fertige Scheune 900 bis 1000 Dollar kostet. 
Die Verwaltung einer Tabakpflanzung besteht 
aus einem Administrator und einigen Assistenten, 
deren jeder ebenso wie der Administrator ihr eigenes 
Haus mit allen für einen Haushalt nöthigen Neben-
	        
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