Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

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in Erfahrung bringen konnten. Um 2 Uhr wird 
unweit der großen Insel geankert und mit einem 
Eingeborenen-Kanu, das alsbald längsseit kommt 
und dessen Insassen zeitweilig das Schiff betreten, 
Verkehr begonnen. Diese Insulaner scheinen in noch 
roherem Naturzustande zu sein wie die der vorher 
besuchten Inseln. Als Lendenschurz dienen ihnen 
nur Blätter, und ihre Waffen sind sehr roh ge- 
arbeitet; die Speere zum Theil ohne Obsidianspitzen 
nur aus Holz. Bogen und Pfeile werden bei ihnen, 
wie übrigens auch bei den vorher angetroffenen 
Admiralitäts-Inselbewohnern, nicht gesehen. Zunächst 
wird mit der Polizeitruppe auf einer schmalen Land- 
zunge der großen Insel gelandet und dann noch 
eine der kleineren vorgelagerten Inseln besucht. 
Ueberall finden wir eine herrliche urwaldartige 
Vegetation mit Lianen, Orchideen, Baumfarnen 
und geradezu riesigen Calophyllum ilophyllum- 
Stämmen. 
Soweit man sehen kann, haben hier alle Inseln 
die üppige Vegetation und werden einmal, da gute 
Häfen vorhanden zu sein scheinen, ein aussichtsreiches 
Gebiet für tropische Agrikultur bilden. Die Ein- 
geborenen waren hier noch sehr scheu und zurück- 
haltend. Nur noch ein zweites kleines Kanu kam 
längsseits der „Möwe“, und einige andere wurden 
in weiter Ferne sichtbar. Vergebens ward nach dem 
Australier, Kapitän Hamilton, der an den Admi- 
ralitäts-Inseln mit einigen kleinen Fahrzeugen mit 
Genehmigung des Gouvernements Perlmuscheln fischt, 
ausgesehen. Nach Aussage der Eingeborenen hatte 
er die Gegend vor sechs Tagen verlassen, nachdem 
er angeblich eine gute Ausbeute an Muscheln ge- 
habt hatte. 
Die Tätowirungen der Admiralitäts-Insulaner 
sind unregelmäßig, zum Theil dick aufliegende Brand- 
narben. Irgendwelche besondere Bedeutung dieser 
Tätowirungen konnte durch Befragen der Leute nicht 
festgestellt werden. Es hieß immer nur, die Täto- 
wirungen dienten zur Zierde. Ich glaube nicht, daß 
hier irgendwie „Totenismus“ als zu Grunde liegend 
angenommen werden kann. Den jetzt lebenden Leuten 
scheint jedenfalls jedes Wissen in dieser Richtung 
verloren gegangen zu sein. Es unterliegt keinem 
Zweifel, daß diese Rundfahrt eines deutschen Kriegs- 
schiffes an der Admiralitäts-Inselgruppe, das Zeigen 
der Polizeitruppe und der stattgehabte friedliche Ver- 
kehr eine gute Wirkung auf die Eingeborenen haben, 
weiteren Ausschreitungen derselben vorbeugen und 
den Handel mit ihnen erheblich fördern wird. Da 
die Admiralitäts-Gruppe nicht weit ab von Her- 
bertshöhe liegt, wird es möglich sein, diese Inseln 
häufiger zu besuchen und so Verkehr und Handel 
mit den Eingeborenen in friedlicher Weise weiter 
zu entwickeln. 
Durch den Händler Maetzke hatte ich erfahren, 
daß auf der Insel St. Gabriel zwei Hinterlader 
mit Patronen vorhanden seien, die den im Jahre 1893 
daselbst ermordeten Händlern Möller und Andersen 
  
nebst anderen Sachen geraubt wurden. Wenn auch 
eine Bestrafung für die in der Vergangenheit liegende 
Mordthat, für welche die Insel auch im Jahre 1898 
durch S. M. S. „Bussard“ auf Veranlassung des 
Kaiserlichen Richters Dr. Hahl mit Granaten be- 
worfen ward, von vornherein nicht in Aussicht zu 
nehmen war, so sollte jedenfalls die Herausgabe der 
geraubten Gewehre, deren Fortbesitz dem Prestige 
der Europäer zum Schaden gereichte und für die 
benachbarten Insulaner aufregend wirkte, versucht 
werden. Es ward daher bei der Weiterfahrt nach 
Neumecklenburg am 2. August mittags unweit der 
Insel St. Gabriel geankert. 
Zunächst wurden, da sich kein Kanu sehen ließ, 
in einem kleinen Boote die beiden Dolmetscher, die 
auf dieser Insel gefangen gewesen waren, an Land 
geschickt, um wegen der friedlichen Uebergabe der 
Waffen nebst Munition zu verhandeln. Es kam die 
Nachricht zurück, daß die Insulaner zur Herausgabe 
der Hinterlader bereit und zu friedlichen Verhand- 
lungen geneigt seien. Daraufhin ging ich in Be- 
gleitung des Herrn Dr. Schnee, des Kapitänleutnants 
v. Abeken, Herrn Schulz und Herrn Thiel mit 
der ganzen Polizeitruppe in zwei Booten an Land. 
An dieser Seite der mit Korallenriffen umsäumten 
Insel war nur eine schmale Booteinfahrt aufzufinden. 
Ein Gewehr nebst Patronen wird am Strande über- 
geben und dann mit der Truppe in das 10 Minuten 
weiter gelegene Hauptdorf unter Führung der zu- 
traulich thuenden Eingeborenen eingerückt. Hier wird 
noch ein Revolver nebst Patronen abgeliefert und 
seitens der Eingeborenen die sehr unwahrscheinlich 
klingende Erklärung abgegeben, daß das zweite Ge- 
wehr nach einer Nachbarinsel verschenkt sei. Ein 
oberflächliches Durchsuchen der Dorfhütten fördert 
einige andere geraubte europäische Gegenstände zu 
Tage. Währenddessen verschwinden die Eingeborenen, 
und der ihnen nachgeschickte Dolmetscher bringt sie 
weder zurück noch kehrt er selbst trotz einstündigen 
Wartens und Rufens wieder. Ein von mir mit 
einigen Polizeijungen aufgesuchtes benachbartes Dorf 
wird ganz verlassen angetroffen. Am Eingange des- 
selben stecken schräg mit der Spitze nach vorn zwei 
Speere. Die Polizeisoldaten erklären das nach Ein- 
geborenenbrauch für eine Kriegsdrohung und ver- 
treten auch die Ansicht, daß unser Dolmetscher von 
den Eingeborenen jedenfalls erschlagen sei und ge- 
fressen werden werde. 
Vorsichtshalber beschloß ich aber, da auf Seiten 
der Eingeborenen vielleicht ein Mißverständniß, das 
ihre plötzliche Entfernung veranlaßte, vorhanden sein 
konnte, zunächst noch nicht feindlich vorzugehen, son- 
dern an den Strand zurückzukehren und dort mit 
vom Kriegsschiff herbeigeholten Nahrungsmitteln für 
die Europäer und Farbigen der Expedition ein 
Mittagsmahl einzunehmen, um gleichzeitig abzuwarten, 
ob die Eingeborenen und unser Dolmetscher zurück- 
kehren würden. Hiermit wurden etwa drei Stunden 
verbracht, aber weder Eingeborene noch Dolmetscher,
	        
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