Full text: Deutsches Kolonialblatt. XI. Jahrgang, 1900. (11)

Das sind in der Regel nicht die für die Ausbreitung 
der Krankheit gefährlichsten, sie kommen bald zur 
Kenntniß des Arztes und werden sofort isolirt und 
unschädlich gemacht. Aber Diejenigen, die so leicht 
krank sind, daß sie sich unserer Kenntniß entziehen, 
das sind diejenigen, welche die Seuche überall hin 
verschleppen. 
Das sind die Grundlagen, von denen wir bei 
der Bekämpfung der Malaria ausgehen müssen. Ich 
habe mich nun aber nicht allein mit diesen theore- 
tischen Erwägungen begnügt, sondern auch einen 
praktischen Versuch gemacht und zwar in Stephans- 
ort. Dort waren 734 Personen, die auf der Plan- 
tage lebten, Weiße und Farbige. Von diesen 734 
Personen wurden nur ganz wenige auf Malaria mit 
Chinin behandelt. Als wir die sämmtlichen Leute 
aber genau untersuchten, fanden wir, daß 157 von 
ihnen Malariaparasiten hatten. Da können Sie sich 
wohl vorstellen, daß die Mücken — und gerade von 
den verdächtigen Mücken gab es dort sehr viele — 
reichlich Gelegenheit fanden, die Parasiten aufzu- 
nehmen und auf andere Menschen zu übertragen. 
Die 157 Personen, welche Parasiten im Blute 
hatten, wurden sofort in Behandlung genommen, und 
wir haben es erreicht, daß sie in verhältnißmäßig 
kurzer Zeit bis auf wenige Fälle ihre Parasiten ver- 
loren hatten. Die Wenigen, welche übrig blieben, 
waren Leute, die von der Quartana befallen waren, 
eine Art der Malaria, welche auch bei uns vor- 
kommt; es ist die harmloseste, aber auch hartnäckigste 
Art, von welcher die alten Römer, wenn sie eine 
Verwünschung aussprechen wollten, sagten: Qunrtunn 
te tenent. 
Wir hatten also thatsächlich nach wenigen Mo- 
naten so gut wie keine Malaria mehr in Stephans- 
946 
  
zu thun —, werden wissen, daß die Malaria weit 
verbreitet war. Das hat sich im Laufe der letzten 
30 Jahre sehr geändert. Am besten erfährt man 
das aus den Sanitätsberichten der Armee. Unsere 
Armee hatte im Jahre 1869/70 noch 13 563 Ma- 
lariafälle, das macht 54½ pro Mille. Im Jahre 
1879 waren es noch 8909 Fälle, 1889 nur noch 
1496 und 1896/97 — weiter reichen die statistischen 
Angaben nicht — nur noch 230 Fälle, oder 0,45 %%. 
Die Malaria ist also herabgegangen auf mehr als 
den hundertsten Theil. Das sind keine Zufälligkeiten. 
Spandau hatte, bei einer Garnisonstärke, welche 
zwischen 4000 und 5000 Mann schwankte, 1874 
noch 2557 Fälle von Malaria, im Jahre 1885 nur 
noch 111, und im Jahre 1895 nur noch einen 
einzigen. Diese Erscheinung finden wir aber nicht 
etwa bloß in der Armee, sondern auch überall in der 
Civilbevölkerung. 
Ich hätte nämlich sehr gern noch ebensolche Ver- 
suche wie in Stephansort in Norddeutschland aus- 
geführt, um den Versuch in der Nähe und immer 
unter Augen zu haben, und ich habe zu diesem Zwecke 
Professor Frosch veranlaßt, Norddeutschland zu be- 
reisen, um einen geeigneten Malariaherd aufzufinden. 
Es ist ihm aber nicht gelungen, einen solchen zu 
entdecken, selbst in den Marschgegenden nicht. Er 
konnte nur zerstreute Fälle von Malaria finden. Es 
giebt also noch Malaria bei uns, aber sie ist im 
Aussterben, und es wird nicht mehr lange dauern, 
dann wird die Malaria zu den Seltenheiten gehören. 
Als Grund für dieses Verschwinden der Malaria 
wird gewöhnlich angegeben, daß die Wohnungen, die 
Kasernen, die Ernährung besser geworden und 
Sümpfe trocken gelegt sind. Die gefährlichen Mücken 
aber, auf welche es hauptsächlich ankommt, sind nicht 
ort, und zwar hatten wir dies erreicht in der aller- 
ungünstigsten Zeit, d. h. für die Menschen, und in 
der günstigsten Zeit für die Malaria. Unser Ver- 
such sand nämlich während der Regenzeit statt und was fehlt, das sind eben die Parasiten. 
zog sich bis zur trockenen Zeit hin. In den Tropen 
ist aber immer die Regenzeit und ganz besonders die stoff nicht mehr vorfinden. 
Uebergangszeit von der trockenen zur Regenzeit und 
ebenso von der Regenzeit zur trockenen die eigent- 
liche Malariaperiode. In diesem Jahre traf es sich 
außerdem noch so, daß die Regenzeit nicht scharf ab- 
schnitt, sondern daß die Uebergangszeit zwei Monate 
dauerte. 
Demnach glaube ich, daß wir diesen Versuch als 
vollständig gelungen ansehen müssen. Nun könnten 
Sie mir aber entgegenhalten, daß dieser Versuch auf 
einer einzelnen Plantage einmal gelungen sei, aber im 
Großen möglicherweise versagen werde. Ich kann 
Ihnen aber auch einen Versuch im Großen anführen, 
bei welchem die Malaria zum Verschwinden gebracht 
ist, und zwar in unserer allernächsten Nähe. Hier in 
Norddeutschland hatten wir noch vor 30 Jahren 
außerordentlich viel Malaria. Diejenigen von Ihnen, 
welche sich dieser Zeit noch erinnern — ich war da- 
  
— — 
mals praltischer Arzt und hatte sehr viel mit Malaria I 
verschwunden. Man trifft sie noch in großer Menge, 
z. B. in der Umgebung von Berlin. Es fehlt auch 
nicht an den sonstigen Bedingungen der Malaria: 
Die Mücken 
können nicht mehr infiziren, weil sie den Infektions- 
Das Verschwinden der 
Parasiten hat aber einfach seinen Grund darin, daß 
man jetzt das Chinin in ganz anderer Weise zur 
Verfügung hat wie früher. Noch vor 30 Jahren 
war das Chinin so theuer, daß nur wohlhabende 
Leute es sich verschaffen konnten, seitdem ist es jedoch 
so billig geworden, daß auch minder Bemittelte es 
beschaffen können. 
Die Abnahme der Malaria in unseren Gegenden 
liefert den Beweis, daß sich das von mir empfohlene 
Verfahren auch auf große Verhältnisse anwenden 
läßt. Es würde sich nur fragen, wie man die neuen 
Erfahrungen über die Malaria auf unsere Kolonien 
anwenden soll. In dieser Beziehung möchte ich 
dazu rathen, vor allen Dingen mehr Aerzte in die 
Kolonien zu schicken, und zweitens, das Chinin so 
zugänglich zu machen, wie irgend möglich. Meines 
Erachtens sollte man es unentgeltlich abgeben. Die 
niederländische Regierung ist uns hierin vorangegangen;
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.