Mütter, welche einsichtig oder habgierig genug waren,
ihre Sprößlinge in den Dienst der Wissenschaft zu
stellen. Auch hier gingen die Männer fast sämmt-
lich nackt, während die Weiber einen kleinen Schurz
trugen, und die jungen Mädchen außerdem noch, was ich
bisher nirgends in der Südsee gesehen hatte, über
die Brüste kreuzweis gebundene Wülste aus Gras-
fasern trugen. Ich erhielt einige gute alte Schnitze-
reien, den besten Arbeiten Neu-Mecklenburgs in Güte
und Art der Ausführung zu vergleichen. Auf der
ganzen Insel herrscht jetzt Frieden, während früher
viel Krieg geführt wurde und die Eingeborenen sich
gegenseitig ausfraßen. Wir lernten ein halbes Dutzend
verschiedene Häuptlinge kennen, die miteinander gut
Freund zu sein schienen. Aus Neugierde strömten
die Leute von allen Theilen der Insel zusammen,
um uns zu sehen und um für Früchte und Ethno-
logika den so sehr begehrten Tabak zu erhalten.
Von den prachtvoll gebauten jungen Leuten ließen
sich leider nur zwei anwerben. Wenn das Schiff
einen Tag länger hier hätte bleiben können, so
würde gewiß noch mancher junge Mann unserem
Werbelockruse Folge geleistet haben.
Auf den kleinen abgelegenen Inseln wirken zweifel-
los die aus dem Archipel oder Neu-Guinea zurück-
kehrenden Arbeiter als Kulturträger. Sie verwerthen
ihre Erfahrungen landwirthschaftlich und bewirken,
daß die Eingeborenen bei Annäherung doeutscher
Schiffe nicht davon laufen, sondern vielmehr ver-
suchen, auf irgend eine Weise die kleinen europäischen
Bedürfnisse, wie rothes Lendentuch und Tabak, zu
erlangen. Auch auf das ewige Menschenfressen und
Kriegführen üben sie sicherlich manchmal eine ein-
schränkende Wirkung.
Von St. Joseph ging es nach dem einige See-
meilen weiter liegenden Eilande St. Francisco
(Mahur). Wir fuhren mit den Booten auf ein
Stranddorf los, für welches wir später den Namen
Mdelakuen feststellten. Das hohe, die Insel um-
gebende Korallenriff schien zunächst eine Landung
überhaupt unmöglich zu machen. Schließlich kam ich
jedoch mit Prosessor Biro springend und bis an
den Bauch ins Wasser gerathend, durch. Herrn
Geheimrath Koch hatte ich wegen der schwierigen
Landungsverhältnisse gebeten, im Boote zu bleiben.
Die Leute waren hier in ihrer vollständigen waffen-
losen Nacktheit unendlich scheu. Zunächst blieb nur
ein, ausnahmsweise mit einem Lendentuche Bekleideter
und zum Zeichen seiner Bildung Pitschin-Englisch
Radebrechender stehen. Später kamen noch ein paar
ältere, verständige Leute zurück, schlossen mit uns
Freundschaft und erklärten, die übrigen wären zu
bange und könnten keine weißen Männer sehen.
Zwei junge Leute schwammen abseits, um sich an-
werben zu lassen, durch die Brandung an die Boote.
Frauen und Kinder ließen sich gar nicht sehen. Für
Malariaforschung wäre hier also kein Feld gewesen.
An den erwachsenen Männern waren besonders auf-
fallend riesige Schönheitsnarben, bei denen ich unter
633
anderen die Zeichnung eines Fisches und eines ver-
zierten Bootsendes unterscheiden konnte. Die Insel
ist sehr steinig und anscheinend, wenn auch gut be-
waldet, wenig fruchtbar.
Von Strom und Wetter begünstigt, liefen wir
am 21. morgens die Gardner-Insel an, die in der
Schönheit der Form und der Bewaldung an Gerrit
Denys erinnert, aber an Güte des Bodens, wenig-
stens an der von uns besuchten Nordostküste, sich
mit jener Insel nicht messen kann. Wir stiegen aus
bei der Ortschaft Koko, welche sich in einzelnen Ge-
höften, von Steinmauern und primitiven Garten-
anlagen umgeben, weithin am Strande erstreckt. Die
Leute schienen hier kaum noch Waffen zu kennen.
Mit vieler Mühe gelang es mir, ein paar minder-
werthige Speere einzutauschen. Unter der Führung
alter Neu-Guinea= und Herbertshöhe-Arbeiter brachten
uns die Eingeborenen zu ihren aus Bambus ge-
bauten Hütten und schleppten bald bereitwillig ihre
kleinen Kinder Herrn Geheimrath Koch zur Unter-
suchung der Milz und Blutentnahme zu. Das vor-
läufige Resultat blieb ein zweifelhaftes. Einige Fälle
vorhandener Milztumoren lassen darauf schließen,
daß die Gardner-Insel nicht völlig malariafrei ist.
Im Verhältniß zu der Zahl der Erwachsenen gab
es hier leider nur wenige Kinder. Aber trotz aller
Fragen konnten wir die Gründe der Kinderarmuth
nicht feststellen. Die Bevölkerung wird also leider
im Rückgange begriffen sein. Im Gegensatz zu den
vorher besuchten Inseln waren hier die fast sämmt-
lich ganz nackt gehenden Männer beschnitten.
Schmuck sah man wenig, aber vielfach große
Ziernarben, die meist Fische in allen Formen und
Stellungen veranschaulichten. Zur Zeit befindet sich
keine europäische Händlerstation auf der Insel, ob-
wohl man annchmen darf, daß die den Strand
rings umsäumenden Palmen zur Produktion einer
recht erheblichen Menge Kopra ausreichen würden.
Von dort wurde die Visher-Insel besucht. Da
wir daselbst erst gegen 5 Uhr abends ankamen und
die hohe Brandung ein an Land Gehen so wie so
verhindert hätte, blieb ich an Bord. Einige große
Kanus kamen zum Schiffe heran, und zwei Leute
ließen sich aus den Kanus anwerben. Auch die
Boote brachten noch einige Jungen, so daß hier und
auf der Gardner-Insel zusammen 15 Leute, darunter
zwei Weiber, als Arbeiter für Kaiser Wilhelmsland
mitkamen, durchweg schön und muskulös gebaute
Menschen. Von den Kanus aus wurden gute,
denen der Küste von Neu-Mecklenburg in Ornamenten
und Figuren ähnliche Schnitzereien zum Kaufe an-
geboten. Hingegen scheinen diese Insulaner an
Schmuckgegenständen für den menschlichen Körper
arm zu sein, auch kein besonderes Interesse für
solche zu besitzen, da als Tauschgegenstand eigentlich
nur Tabak und Beile begehrt waren.
Die Visher-Insel ist wohl noch steiniger wie das
Gardner-Eiland. Die aus gehobener Koralle be-
stehenden Berge derselben wetteifern miteinander an
8