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Eingeborenen nördlich des Mangu ihnen feindlich
gesinnte Leute seien, deren Sprache sie nicht einmal
verständen und die auch mich jedenfalls angreifen
würden. Trotzdem marschirte ich nördlich, aber die
Leute von Ossidjinge und Boki hatten doch bis zu
einem gewissen Grade Recht.
Ich hatte vom 23. Oktober an eigentlich täglich
Schwierigkeiten irgend welcher Art; ich konnte mich
selbst mit Hülfe der Dolmetscher und Führer nur
sehr schwer mit den Eingeborenen, deren Gebiet noch
nie ein Weißer passirt hatte, verständigen, und es
machte Schwierigkeiten, die Namen der Ortschaften
und Häuptlinge festzustellen. Immer durch Urwald,
nordöstlich marschirend, lagerte ich in ziemlich großen
und stark bevölkerten Ortschaften, und zwar:
am 24./25. Oltober in Kadjifu (Landschaft Boki),
. 25./26. . Ndekwa (Häuptling Assa,
Landschaft Okwambe),
26./27. .-Mifakwe (Hptlg. Nombo),
27./28. = Osso (am Makuy,
28./29.= Bassoma (Hptlg. Pomeku).
Von den Lagern in Osso und Bassoma sahen
wir mit Gras bewachsene hohe Berge vor uns, und
ich durfte hoffen, bald aus dem Walde mit seiner
niederträchtigen Bevölkerung herauszukommen. An
jedem Morgen erst endlose Palaver, um von den
Sultanen Führer nach der nächsten Ortschaft zu be-
kommen; in jeder Ortschaft dasselbe Palaver, und in
jeder Ortschaft sollte ich lagern, damit ich möglichst
ausgeplündert werden könnte. Gewöhnlich zog die
ganze bewaffnete männliche Bevölkerung mit und
versuchte, den letzten Trägern Lasten zu entreißen.
Einen Zusammenstoß habe ich hier vermeiden können,
da die Leute gewöhnlich ausrissen, wenn ich meinen
bedrohten Trägern zu Hülfe kam; einige Male konnte
ich Eingeborene, die gestohlen hatten, in flagranti
erwischen und erledigte die Angelegenheit dann rasch
durch einige kräftige Ohrfeigen zum Gaudium der
entsetzt, aber lachend in den Busch flüchtenden übrigen
Eingeborenen. Wie lästige Fliegen kamen die Leute
immer wieder und stellten meine Geduld auf eine
harte Probe; es ist das verlogenste und gemeinste
Diebsvolk, das ich jemals in Afrika getroffen habe;
sie stehlen Alles, und zwar in der unverschämtesten
Weise, Stoffe 2c. 20. Meine Träger mußten gewaltig
auf ihre Karabiner und Patronen aufpassen — in
einer Nacht wurden z. B. trotz der Wachen von
meinem Zelt alle Karabinerhaken abgeschnitten, und
meine schöne Beobachtungslampe wurde gestohlen.
Von Bassoma aus stiegen wir sehr steil zu dem
Graslandplateau an; gegen Mittag traten wir bei
1200 m ganz unvermittelt aus dem Walde heraus
und waren endlich in dem Graslande.
Wir überschritten einen hohen Gebirgszug, der
die Wasserscheide zwischen den zum Biya-Benue und
den zum Mangu-Croß fließenden Flüssen bildet; alle
Flüsse und Bäche, die ich bei den unglaublich an-
strengenden Gebirgsmärschen in den nächsten Tagen
passirte, fließen nach Norden, und die Eingeborenen
bestätigten meine Annahme, indem sie mir sagten,
daß die Flüsse nach dem Haussalande gingen. Wir
marschirten durch eine sehr stark bevölkerte, gut an-
gebaute Gebirgsgegend; die Märsche waren außer-
ordentlich anstrengend und noch dadurch besonders
ermüdend, daß die Eingeborenen sich, wenn auch nicht
direkt feindselig, so doch verdächtig benahmen, so daß
wir alle zusammen, Weiße und Träger, Tag und
Nacht auf der Hut sein mußten.
Nach mehrtägiger Kletterei durch die Gebirgs-
landschaften Belole (7), Bulaku und Bussambe (die
Namen sind nicht ganz zuverlässig, da wir uns mit
den Eingeborenen nicht verständigen konnten) kamen
wir am 2. November in die prachtvolle Landschaft
Babale.
Da wir ganz unerwartet erschienen, wurden die
Kriegstrommeln geschlagen, die Kriegshörner geblasen,
und in der ganzen riesig bevölkerten Landschaft ent-
stand ein Heidenlärm. Im Nu hatten sich die Krieger
versammelt und erwarteten mich, alle bis an die
Zähne mit Gewehren und zahllosen Speeren bewaffnet,
an einer steil zum Hauptdorf des Königs ansteigen-
den Stelle des Weges. Da ich ganz unbewaffnet
auf die Leute losging, unter denen ich einige mit
Karabinern M/71 bewaffnete Burschen bemerkte, legte
sich ihr Kriegsmuth rasch, und mit großem Geschrei
und Halloh wurde ich als erster Weißer auf den
wunderbar schön gelegenen Königsplatz des Königs
von Babale geführt.
Nach einer Weile erschien der junge, gut aus-
sehende König Aganefong in sehr schönen, prächtigen
Haussagewändern, was meine Vermuthung, daß ich
schon viel nördlicher als Bali sei, bestätigte. Agane-
fong erklärte mir, daß Bali gar nicht weit sei, daß
er sich sehr über die Ankunft der ersten Europäer
freue, daß wir mindestens fünf Tage bei ihm bleiben
müßten, und daß er mir dann so viele Leute zur
Küste mitgeben würde, wie ich wollte. Der unge-
mein lebhafte und wißbegierige Sultan, der Alles
haben wollte, was er bei uns sah, entpuppte sich
aber am nächsten Morgen als ein Gauner erster
Klasse. Zunächst war er mit den überaus reichlichen
Geschenken nicht zufrieden und wollte mir keine Führer
geben; er hatte augenscheinlich die Absicht, mich einige
Tage festzuhalten, um zur Versammlung seiner Krieger
und zur Vorbereitung eines Ueberfalles Zeit zu ge-
winnen. Als ich zunächst ohne Führer in der
Richtung nach Bali abmarschirte, wurde er etwas
kleinlaut und schickte einen Führer, der uns zuerst
falsch führte.
Wir mußten sehr steil auf ein Gebirge ansteigen
und wurden sehr bald von den bewaffneten Babale-
leuten verfolgt, so daß ich schließlich gezwungen war,
zur Abwehr zu schießen und mich zu vertheidigen.
Die Babaleleute blieben aber erst zurück, als wir in
die Landschaft Ba-Mundum kamen und die Leute
des Sultans Angu uns entgegenkamen. Sultan
Angu machte auch zunächst einen recht guten Eindruck,
beim Abmarsch am folgenden Tage (4. Nov.) wieder-