— 632 —
richtige Tamul einen fabelhaften Dünkel und Stolz
besitzt und sich selbst immer für den Klügeren und
Geschelteren hält. Die dem Hansemann-Berge vor-
gelagerte Ebene ist durchweg fruchtbar. Von der
Vegetation sind riesige Sagopalmen besonders be-
merkbar. Am 24. Mai traf der Govuvernements-
dampfer „Stephan"“ ein, der mich am 25. zum Be-
suche der Missionen in Simbang und auf dem
Sattelberge und zu Ausflügen in das dortige mir
noch unbekannte Gebirge nach Finschhafen brachte.
Ich wollte hier, da sich eine andere Rückreisegelegen-
heit als der „Stephan“ nicht bot, die Zeit abwarten,
in welcher der „Stephan“ zur Erledigung von
Dienstgeschäften im nördlichen Theile von Deutsch-
Neu--Guinea dem Koiserlichen Richter Boether zur
Verfügung gestellt werden mußte.
Finschhafen ward nach stiller schöner Fahrt am
26. morgens erreicht.
Auf der Missionsstation Simbang, zur Zeit ver-
waltet von den Missionaren Vetter und Banler,
fand ich Alles wohlauf und wurde mit meinen Leuten
dort bis zum Weitermarsche nach dem Sattelberge,
den ich am Pfingstmontage antreten wollte, gastlich
ausgenommen. Den schönen Pfingstnachmittag be-
nutzte ich zu einem Ausfluge, den nahen Bubut auf-
wärts, und machte von der zweiten Stromschnelle
aus einen Abstecher in den nahen Urwald, der von
einer reichen Vogelwelt belebt wird, unter deren
mannigfachen Lauten man häufig den schrillen Ruf
des rothen Paradiesvogels (Paradisea Augusta
Victoriae) herausklingen hörte. Die Heimfahrt im
Kanu in abendlicher Beleuchtung den ringsum von
dunklem Urwald umsäumten Bubui abwärts war ein
hoher Genuß, wie ihn nur wahrhaft tropische Land-
schaftsbilder zu bieten vermögen.
Der achtstündige Marsch zum Sattelberge war,
da die Regenzeit bereits begonnen hatte, auf dem
schlüpferigen, häufig steilen Psade recht beschwerlich.
Er bot wenig Abwechselung und führte meist durch
alte mit Gras und Busch bestandene Eingeborenen-
felder und durch das häßliche Gestrüpp, einer dünn-
stöckigen, niedrigen Bambusart. An manchen Stellen
tritt die die Grundformation des Huongolfs bildende
Kreide zu Tage. Die Humusschicht ist durchweg
eine geringe und der Boden im Allgemeinen wohl
nur für die fortwährend ihren Standort wechselnden
Pflanzungen der Eingeborenen brauchbar. Auch
Wasserläufe sind wenig vorhanden. Unterwegs über-
schritt ich die Quelle Mosengulu, den Oberlauf des in
den Finschhafen mündenden Bumin und den sich nördlich
von Finschhasen in das Meer ergießenden Quaja.
Die Missionsstation, welche 1892 gegründet ward,
und auf welcher die Missionare Flierl und Koiser
thätig sind, liegt auf einer Bergplatte, 900 m über
dem Meeresspiegel. Rings um die Station ist Wald
zu Kulturen, welche der Ernährung der Missionare,
ihrer Angehörigen und der farbigen Schulkinder
dienen, niedergeschlagen. Eine schöne Heerde von
30 Stück Rindvieh weidet am Bergabhange; wohl-
gepflegte größere Flächen sind mit den rankenden
Blättern der Süßkartoffel, andere mit deutschen Ker-
toffeln und Gemüsen und Bananen, Ananas und
Maulbeeren bepflanzt; in den von Schulunterric-
freien Nachmittagsstunden schwingen die fleißigen Ku-
jungen Axt, Buschmesser und Hacke, so daß wir, went
nicht im Vordergrunde die Kreuze der im Bau de-
griffenen Schule an den religiösen Zweck der Nieder-
lassung gemahnten, zunächst glauben würden, die gut
gehaltene Farm eines fleißigen deutschen Ansiedler:
vor uns zu haben. Missionar Flierl, nicht allein
ein eifriger Verkünder des Wortes Gottes, sonderr
auch ein tüchtiger Landwirth, der hier oben in den
Bergen Neu-Guineas den Boden schon mit Piuz
und Ochsen beackert, hat es in selten glücklicher Weie
verstanden, seine Missionsstation gleichzeitig auch ze
einer wirthschaftlich vorbildlichen Anlage zu macher.
Er wird hierin unterstützt von seiner Frau, die du#
Produkte des Landes und der Viehwirthschaft und
Geflügelzucht vorzüglich zu verwenden und den großt-
Haushalt in sparsamster und doch reicher Weise zu
führen versteht. Sie und ihre vier kröftigen, blüde-
den Kinder sprechen für die Gesundheit der Staler
Moskitos und Malaria bleiben wegen des freien, der
Winde von allen Seiten ausgesetzten Hausplatzets der
Hausbewohnern bei ständigem Aufenthalte hier obe-
fern, und die gemäßigte Temperatur, die nachts rege.
mäßig auf 15¼ Grad Reaumur herabsinkt, hinder:
die Erschlaffung von Geist und Körper. Der außir
ordentlich häufige und reichliche Regenfall, zuwener
in einer Nacht über 100 mm, befördert Wachsibur
und Früchteertrag und läßt auch auf geringwerthiger
Boden den angewandten Fleiß guten Lohn finder
Von der östlichen Veranda des Hauses hat mer
einen herrlichen Blick, die dichtbewaldeten Bergkupr##
hinab auf die an Buchten reiche Meeresküste, die der.
selben vorgelagerten drei kleinen Tami-Inseln u#n#
hinaus auf das unermeßliche Meer, in dessen Hinter
grunde bei ganz klarem Wetter zuweilen die ferr:
Küste Neu-Pommerns auftaucht.
Die Bewohner der Umgegend, durchweg fr-
liche, freundliche und gastfreie Leute, sprechen der
Kai-Dialekt, der auch dem Religions= und Schut
unterricht zu Grunde gelegt wird. Waffen sieht me:
bei ihnen selten. Nur vereinzelt führen sie auf ihre
Wanderungen schmucklose, kümmerliche Speere mu sit
Die Hauptwaffe, die sie gegeneinander anwenden. *
die Zauberei, von deren Wirkung sie fest überzeu-
sind, und die, da derselben die meisten Todesféh:
zugeschricben werden, leider öfster zu manchmal blunig
verlaufenden Reibereien führt. Ihre Steinwerkzcuc
haben sie vergessen und verloren und durch eure-
päische Messer, Hobeleisen und Aexte ersetzt. Nur selter
gelingt es noch, eine Steinbeilklinge oder eine Sltein.
keule bei ihnen ausfindig zu machen. Als Kleidurg
tragen die Weiber einen Schurz aus Pflanzenfaser.
die Männer jetzt meistens ein einziges Stücschen
Lendentuch. Ihre Häuser bauen sie verhältnißmänig
gut, lustig und reinlich auf Holzpfählen. Zuweilen
sieht man auch in dicke Bäume eingekeilte Hütten
6 Früher waren diese ein sicherer Zufluchtsort, da die