Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

und Omandongo mit Missionar Pettenen. Im öst- 
lichen Ondonga unter dem Häuptlung Nechale sind 
nur noch die Ruinen der aufgegebenen Mission Omu- 
longa vorhanden. 
Die Niederlassungen der finnischen Missionare 
machen einen freundlichen, an deutsche Bauernhöfe 
erinnernden Eindruck und bestehen gewöhnlich aus 
einem Wohnhaus, einem Wirtschaftsgebäude, einem 
Wagenschuppen, einer Schule und der Kirche. Außer- 
dem befindet sich stets ein großer, wohlgepflegter 
Garten dabei. Die Gebäude sind sämtlich aus un- 
gebrannten Lehmziegeln aufgeführt mit weit über- 
ragenden Strohdächern, welche die Außenwände gegen 
Zerstörung durch Regen schützen und die inneren 
Räume stets kühl halten. Die Wohnhäuser sind von 
breiten, etwas erhöhten Veranden umgeben. 
Die Tätigkeit der Missionare ist ziemlich viel- 
seitig. Außer dem an Sonn= und Feiertagen statt- 
findenden Gottesdienst, welcher in Gesang, Liturgie 
und Predigt besteht und eifrig besucht wird, werden 
noch täglich Abendandachten abgehalten. Auf den 
Schulunterricht wird besonderer Wert gelegt. Allein 
im Bezirke der Missionsstation Onipa bestehen sechs 
Schulen, in denen 400 Kinder hauptsächlich im 
Lesen, weniger im Schreiben unterrichtet werden. 
Den Unterricht erteilen eingeborene Lehrer, die von 
der Mission bezahlt werden. Als ein weiteres 
Mittel, Einfluß auf die Bevölkerung zu gewinnen, 
ist die in neuerer Zeit erfolgte Herausgabe emer in 
der Ovambosprache abgefaßten Zeitschrift anzusehen, 
welche alle 14 Tage erscheint. Außer religiösen 
Abhandlungen bringt dieselbe auch Besprechungen 
allgemeiner Natur. Einen bedeutenden Erfolg ihres 
Wirkens erblicken die finnischen Missionare in dem 
Ubertritt der beiden jüngeren Brüder des Nachfolgers 
für Kambonde zum Christentum. Einen wichtigen 
Platz in der Missionstätigkeit nimmt sodann die 
Krankenpflege ein. Sie trägt ohne Zweifel viel dazu 
bei, die Stellung der Missionare zu befestigen. Im 
übrigen aber hängt das Wohlergehen der Missionen 
fast ganz vom Häuptling ab, der bei allen Ovambo- 
stämmen ein unumschränkter Herrscher über Leben 
und Eigentum seiner Untertanen ist. Seine Vorleute 
und ältere einflußreiche Personen stehen ihm wohl 
als Ratgeber zur Seite, doch liegt die Entscheidung 
schließlich in seiner Hand. Seine Person gilt ge- 
wissermaßen als geheiligt und unverletzlich. Niemand 
wird es wagen, sich an ihm zu vergreifen, da solches 
sicheren Tod bedeutet. Wie groß in dieser Be- 
ziehung die Furcht ist, zeigt deutlich ein Beispiel. 
Der mit einigen Begleitern von der Jagd heim- 
kehrende Häuptling Ujulu des Ukuanjamastammes 
stürzte beim Uberspringen einer Hürde mit seinem 
Pferde so unglücklich, daß er besinnungslos liegen 
blieb. Weit davon entfernt, ihm zu helfen, und 
wohl auch in der Annahme, daß der Häuptling tot 
sei, flohen seine Begleiter eiligst fort, weil sie fürchteten, 
es könne ihnen die Schuld an dem Unglück zuge- 
schrieben und sie dafür zur Rechenschaft gezogen werden. 
643 
  
Auch die Mitglieder der Herrscherfamilie nehmen 
eine bevorzugte Stellung ein. Die Mutter des 
Häuptlings ist eine einflußreiche Persönlichkeit, deren 
Rat in wichtigen Angelegenheiten eingeholt wird. 
Die Brüder werden Unterhäuptlinge und erhalten 
einen Bezirk für sich angewiesen. Gewalt über sie 
hat nur der Häuptling selbst. Für im Range tiefer 
Stehende, sei es von demselben oder einem benach- 
barten Stamm, gilt ihre Person unantastbar, wie 
folgender Fall zeigt: 
An einem der häufigen Raubzüge nahm ein 
Unterhäuptling persönlich teil und wurde aus Un- 
kenntnis von einem gewöhnlichen Manne des feind- 
lichen Stammes verwundet. Der unglückliche Übel- 
täter fand bei seinen Stammesangehörigen keinen 
Schutz, er mußte sich vielmehr durch schleunige Flucht 
zu einem dritten Stamm retten. Es kommt auch 
häufig genug vor, daß jemand, der durch seine Macht 
dem Häuptling gefährlich zu werden scheint oder 
sonstwie dessen Mißfallen erregt hat, mit seiner 
ganzen Familie flieben und Schutz bei einem anderen 
Stamme suchen muß, der auch stets gewährt wird. 
Unter den Ovambos herrscht, wie bei allen Einge- 
borenen, krasser Aberglauben, und manches Menschen- 
leben ist ihm zum Opfer gefallen. 
Die Häuptlingswürde vererbt sich für gewöhnlich 
auf den ältesten Sohn der ältesten Schwester des 
Häuptlings, indes kommen auch Ausnahmen vor. 
Die Verwaltungseinrichtungen sind kaum nennenswert. 
Eine gewisse Anzahl zusammenliegender Werften steht 
unter der Aufsicht eines vom Häuptling Erwählten, 
eines Vormannes. Derselbe hat innerhalb seines Be- 
zirks für Ordnung zu sorgen, Ubergriffe einzelner 
zu verhindern, die Acker zu verteilen und wohl auch 
Streitigkeiten zu entscheiden. Im übrigen aber ist 
für Klagen innerhalb des Stammes ein oberster 
Richter zuständig, dessen Urteilsspruch weniger nach 
dem Recht als nach seinem zu erkaufenden Wohl- 
wollen ausfällt. 
Das östliche Ondonga bildete früher mit dem 
westlichen unter der Herrschaft Kambondes ein ge- 
schlossenes Machtgebiet. Unter Führung eines jün- 
geren Bruders von Kambonde, des Nechale, trennte 
sich das östliche Ondonga ab und besitzt seit dieser 
Zeit volle Selbständigkeit. Der älteste Neffe der 
beiden Brüder wird indes später den Stamm unter 
seiner Gewalt wieder vereinen, wenn nicht unberechen- 
bare Zwischenfälle eintreten. 
Um Nechale kennen zu lernen und ihm gleich- 
zeitig Geschenke zu bringen, wurde ein Ausflug 
zu Pserde nach dem östlichen Ondonga unternommen. 
Leider wurde Nechale nicht angetroffen, da er an- 
geblich einen mehrtägigen Jagdausflug unternommen 
atte. 
5 Neben den Ukuambis unter Häupling Nechumbo 
hat vorläufig Ondonga das meiste Interesse für 
unser Schutzgebiet, weil es bei einer Ausdehnung des 
Machtbereichs der Regierung nach Norden zuerst in 
Frage kommt. Nach den Mitteilungen der Missionen 
3
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.