Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIV. Jahrgang, 1903. (14)

ganze Jahr hindurch herrschenden Sterbekrankheit 
völlig aussichtslos. 
Der Rinderreichtum des Ovambolandes ist schwer 
zu schätzen, aber anscheinend größer als der jetzige 
der Hereros. Die Biehzucht könnte viel umfang- 
reicher betrieben werden, wenn nicht wieder die nur 
zu begründete Furcht der Leute, daß ihnen das Vieh 
durch den Häuptling oder den Vormann genommen 
würde, ein Hemmnis wäre. Das Vorhandensein 
zahlreicher Tränkstellen aus alter Zeit, welche zum 
Tränken großer Mengen Vieh geeignet sind und 
heute nicht mehr benutzt werden, läßt darauf schließen, 
daß der Rinderbestand früher ein ganz bedeutender 
gewesen sein muß. Die Rinderpest der verflossenen 
Jahre allein kann einen solchen Rückgang nicht herbei- 
geführt haben; es scheinen vielmehr noch andere Um- 
stände mitgewirkt zu haben. 
Das Ovamboland ist außerordentlich reich an 
Rivierbildungen, besonders im Gebiet des Ukuanjama- 
stammes, wo sie in einem regellosen dichtverzweigten 
Netz das Land durchziehen. Die Riviere sind als 
alte Abflüsse des Kunene und anscheinend auch des 
oberen Otavongo bei Hochwasser anzusehen und 
haben in früherer Zeit sicher große Wassermengen 
geführt. Jetzt verflachen sie sich von Jahr zu Jahr 
mehr und sind stellenweise in Ondonga kaum noch 
als Riviere zu erkennen. Schon einige starke Regen- 
güsse genügen, manche Riviere vorübergehend unter 
Wasser zu setzen, aber erst etwa im Februar, wenn 
der Kunene seinen höchsten Wasserstand erreicht hat, 
füllen sich die Riviere ½ bis 1 m hoch mit Wasser, 
das kaum merklich in südlicher Richtung gegen die 
Etoschapfanne hin abfließt. Der Wagenverkehr ge- 
schieht dann im Wasser. Durchschlag tritt dann erst 
ein, wenn sich das Wasser zu verlaufen beginnt. 
Einzelne Teile des Landes müssen zur Zeit der 
Uberschwemmung den Eindruck eines riesigen Sees 
machen, aus welchem die Acker der Eingeborenen mit 
ihren Werftanlagen als busch= und baumbestandene 
Inseln nur wenig aus dem Wasser herausragen. 
Die Riviere und die der Uberschwemmung regel- 
mäßig ausgesetzten Gebiete sind frei von Büschen 
und Bäumen, zeichnen sich aber durch üppigen Gras- 
wuchs aus; der Boden ist mit den fruchtbaren Ab- 
lagerungen der jährlichen Überschwemmungen über- 
deckt. Die ½ bis etwa 4 m häher gelegenen 
Uckerflächen zeigen oben eine lockere, weiße Sand- 
schicht, unter welcher sich in mäßiger Tiefe gute, 
dunkle Muttererde findet. 
Wasser ist im Ovambolande während des ganzen 
Sommers genügend vorhanden, teils offen an 
niedrigen Stellen der Riviere in Vleys, teils in ge- 
grobenen Brunnen. Man findet Wasser überall, je 
nach der Höhenlage der Ortlichkeit, in 2 bis 8 m 
Tiefe unter der Oberfläche. Das offene sowie in 
den Rivieren gegrabene Wasser ist stets füß; auf 
den höher gelegenen Stellen tufft man beim Graben 
meist salziges Wasser, und diese Erscheinung erklärt 
sich damit, daß im Laufe der Zeit die oberen Erd- 
  
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schichten ausgelaugt find, die unteren dagegen ihren 
Salzgehalt bewahrt haben. 
Die Anstrengungen der Reise hatten die Ochsen 
schon bis Ukuanjama ganz ungewöhnlich erschöpft; mit 
den abgetriebenen Tieren die Reise bis zum Kunene 
fortzusetzen, war völlig ausgeschlossen. Sie bedurften 
unbedingt einer mehrwöchigen Ruhe. Wenn auch 
nicht anzunehmen war, daß die Tiere in dieser Zeit 
bei dem schlechten, ungewohnten Futter die alten 
Kräfte wiedererlangen würden, so konnten sie sich 
doch soweit ausgeruht und erholt haben, daß Aus- 
sicht auf Weiterführung der Reise nach dem Okavango 
vorhanden war. So wurde denn für die Expedition 
nach dem Kunene von der Witwe des Missionars 
Stahlhut ein Gespann Ochsen gemietet und die 
Reise dorthin nur mit der Karre am 24. August 
angetreten. Der Weg führte über Oniva an der 
Werst des Häuptlings Ujulu vorbei, bei welcher ein 
Bur namens Delaporte angetroffen wurde. 
Der Kunenefluß wurde am 30. August erreicht. 
Der Weg führte eine Strecke weit durch das Gebiet 
der gefürchteten räuberischen Ombandja. Als Be- 
deckung war uns daher auf unser Ersuchen von Ujulu 
eine 15 Manm starke Begleitmannschaft mitgegeben 
worden. Da sich jedoch unterwegs kein Ombandja 
blicken ließ und die Gefährlichket dieses Ovambo- 
stammes anscheinend übertrieben war, so wurde die 
Begleitmannschaft nach Erreichen des Kunene abge- 
lohnt und beschlossen, ohne eine solche später die 
Rückreise anzutreten. Um vor Uberfällen und Vieh- 
diebstählen durch die auf dem linken User des Ku- 
nene wohnenden verrufenen Ovambostämme, die 
Evare und Ombandjia, gesichert zu sein, wurde über 
den Fluß gesetzt und in einiger Entfernung von dem- 
selben ausgespannt. Das übersetzen ging an einer 
vielbenutzten Furt ohne Schwierigkeit von statten, 
weil der Kunene beinahe seinen niedrigsten Wasser- 
stand erreicht hatte. Das Gepäck wurde, damit es 
vor Naßwerden geschützt war, besonders in Booten 
hinübergeschafft. Diese Boote sind aus den Stämmen 
des wilden Feigen= oder Baobabbaumes in roher 
Weise durch Aushöhlen hergestellt, ungefahr 5 m 
lang und können bis zu etwa 10 Zentner Gewicht 
tragen. Sie werden nur durch Staken fortbewegt. 
An der Furtstelle wurden gegen 20 solcher Boote 
gezählt. Die Emgeborenen, welche dieses Fähr- 
geschäft gewissermaßen als Monopol betreiben, stehen 
unter einem Vormann, mit welchem alle Verhand- 
lungen geführt werden. 
Der Kunene ist der Typus eines verwilderten 
Flusses. Sein Bett ist etwa 120 m breit und 3 
bis 4 m tief in das Gelände eingeschnitten. Die 
Wassernefe beträgt zur Zeit des niediigsten Wasser- 
standes durchschnittlich etiwa 1 m, die Geschwindigkeit 
wurde mittels Oberflächenschwimmer zu 0,56 m Sek. 
bestimmt. Die Flußsohle ist mit zahlreichen sich fort- 
während verändernden Sandbänken durchse-tzt, der 
Stromstrich äußerst wechselnd. Ein hoher dichter 
Rohrgürtel säumt die Ufer ein, die steil und häufig
	        
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