Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Solche Anhänglichleit und solche Vasallentreue 
sind gewiß selten, besonders da Mwanga oftmals 
seine Herrscherlaunen im Blut seiner Untertanen 
kühlte. Es regt sich in einem kaum das Gefühl des 
Bedauerns über seinen Fall, wenn man die Geschichte 
seiner Regierung überblickl. Er hat viel gesündigt, 
aber auch viel Ubles dafür geerntet, und in selnen 
letzten Jahren verfolgten und folterten ihn Gewissens- 
bisse oder doch die Reue über die leichtfertige Ver- 
scherzung seines Glückes. Wenn er auch an Geistes- 
anlagen seinem Vater Mtesa nicht gleich kam, so 
gab es doch immer Gelegenheit für ihn, jene Talente 
zu zeigen, die er wohl besessen haben mochte. Auch 
in den unheimlichsten Gestalten afrikanischer Macht- 
haber finden sich Funken guter Elgenschaften und 
allgemeiner Menschlichkeit, die sich doch einigermaßen 
über das Niveau ihrer Stammesgenossen hinaus- 
heben und ihnen den Stempel des Königlichen auf- 
drücken. Doch Mwanga konnte sich wenig solcher 
Tugenden rühmen. Sein ganzes Streben ging 
dahin, seine sinnlichen Gelüste vollauf zu befriedigen, 
und deshalb benützte er seine Macht nicht dazu, 
seinem Volke zu nützen, sondern mißbrauchte sie zu 
den angedeuteten selbstsüchtigen Zwecken. 
Seine Religion wechselte er nach Umständen, je 
nachdem politische Gründe es für geraten erscheinen 
ließen. Es läßt sich schwer sagen, ob er sich jemals 
aufrichtig irgend einer christlichen Konfession ange- 
schlossen habe; er war zuerst Heide, dann Protestant, 
dann Kathollk, dann Mohammedaner. Durch den 
Einmarsch der Engländer verlor er die unumschränkte 
Herrschaft über Leben und Tod selner Untergebenen; 
deshalb haßte er die Europäer vom ersten Augen- 
blick seiner Regierung an und suchte ihnen zu schaden, 
wo immer er nur konnte, um sie wieder aus seinem 
Gebiete zu vertreiben. Aus dem gleichen Grunde 
unterdrückte er auch alle Bestrebungen seines Volkes, 
sich europäischer Zivilisation zu nähern. Nach seiner 
Thronbesteigung im Jahre 1884 setzte er sofort eine 
eeolgung aller Missionare und ihrer Christen ins 
er 
Längere Zeit waren die Missionare Gefangene in 
ihren elgenen Häusern; seine christlichen Untertanen 
ließ er in großer Zahl verbrennen, darunter 26 katho- 
lische Männer, die eines heldenmütigen Todes starben. 
Am 29. Oktober 1885 ließ er den protestantischen 
Bischof Hannington auf dem Wege von Usoga nach 
Uganda überfallen und ermorden. Doch das waren 
erst die Vorboten des Sturmes, der im Jahre 1886 
ausbrach; die Christen stoben nach allen Seiten aus- 
einander, auch die Missionare flohen; so ernst schien 
die Lage zu werden. 
Doch nur kurze Zeit weilten sie in der Ferne, 
aber bei ihrer Rückkehr fanden sie das ganze Land 
in Empörung. Christen und Muselmänner hatten 
sich erhoben, denn sie glaubten sest, Mwanga habe 
beschlossen, sie auszurotten. Der König selbst mußte 
die Flucht ergreifen und sloh nach dem Süden, wo 
er sich in einen Katholiken verwandelte, dann friedlich 
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wieder zurückkehrte und wieder in seine Herrschaft 
eingesetzt wurde. Aber die Bewohner des Landes 
waren mißtrauisch geworden und hatten gelernt, sich 
selbost zu helfen, wenn sie zum äußersten getrieben 
wurden. Verschwörungen, Bürgerausstände und Em- 
pörungen waren an der Tagesordnung, ein Zustand, 
der seinen Höhepunkt erreichte in der furchtbaren 
Rebellion der sudanesischen Soldaten der englischen 
Regierung ...Errst nach längerem Bemühen glückte 
es, den Aufstand niederzuwerfen, der so viel Blut 
und Menschenleben gekostet hatte. König Mwanga 
hatte bei dem blutigen Schauspiel auch seine Hand 
im Spiele, sah sich aber jetzt in seinen Hoffnungen 
getäuscht und floh, wurde aber auf der Flucht ge- 
fangen genommen. Im gleichen Jahre (1897) 
wurde Daudi zum Könige erhoben, Mwanga aber 
ward nach Mombassa überführt und später auf die 
Seychelleninseln verbannt, wo er vor wenigen Mo- 
naten verschied. . 
So traurig hat der geendet, der vor wenigen 
Jahren der Stolz und die Hoffnung seines Volkes 
gewesen; sein Sturz war der Segen seines Volkes, 
das sich seitdem von den schweren Schlägen erholt 
und prächtig entwickelt hat. Beinahe möchte man 
wünschen, daß der alte König noch einmal sein Reich 
hätte sehen dürfen und den wunderbaren Wechsel, 
der sich dort vollzogen hat selt den stürmischen Tagen 
seines Königtums. 
Doch es gibt, wie oben erwähnt, noch einige 
seiner Anhänger, die ihm auch im Unglück treu ge- 
blieben sind. Als heuer die Regenzeit länger dauerte 
als sonst und große Wassermassen das Land über- 
schwemmten, da murmelten sich seine Getreuen zu: 
„Seht, auch die Elemente trauern um den alten 
König!“ (Gott will es. 1904, 2. Heft.) 
    
  
Titerakur. 
Kriegskarte von Deutsch-Südwestafrika in 
1:800 000. Im Auftrage der Kolonial-Abteilung 
des Auswärtigen Amts auf Grundlage aller bisher 
veröffentlichten Karten und der unveröffentlichten 
Materialten der Kolonial-Abteilung des Auswär- 
tigen Amts u. a. m. hergestellt in dem kartogr. 
Institut Dietrich Reimer (Erust Vohsen), Berlin, 
unter Leitung von P. Sprigade und M. Moisel. 
Blatt Zesfontein, Owambo, Andara, Keet- 
manshoop, Warmbad. Preis pro Blatt 1 Mk. 
Von der Kriegskarke von Deutsch-Südwestafrika 
in 1:800 000, bearbeitet von P. Sprigade und M. 
Meisel, herausgegeben von D. Relmer (Ernft Vohsen), 
von der die bisher notwendigsten Blätter Windhuk, 
Otawi und Rehoboth erschienen waren, liegen nun- 
mehr die noch fehlenden fünf Blätter, Zesfontein, 
Owambo, Andara im Norden, Keetmanshoop und 
Warmbad im Süden fertig vor. Davon sind die 
drei erst genannten Sektionen im Auftrage des Großen
	        
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