Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

der Station zu gehen. Rademacher hatte hierbei 
kein Gewehr bei sich. Zu gleicher Zeit kam von 
der Statlon her ein eingeborner Diener angelaufen. 
Als wir zusammen waren, sagte der letztere zu 
Rademacher, daß in der Station die Soldaten er- 
schossen seien. Rademacher ging darauf zusammen 
mit dem Weißen schnell nach dem Missionshause 
zu, während ich zusammen mit Inukaub und noch 
zwei Hottentottenjungen (Tauleiter der Karre) weiter 
nach der Karre zu ging. In deren Nähe ange- 
kommen, sah ich einen großen Haufen Hereros um 
die Karre herum, welche heftig schossen und mit 
Kirris schlugen. Wir liefen darauf beiseite. Als 
das Schießen aufhörte, sah ich von einer Erhöhung 
in der Nähe her, daß die Hereros die Karre 
plünderten. Die Leichen von Herrn Hoepner und 
Watermeyer habe ich nicht gesehen, doch glaube ich 
sicher, daß beide getötet sind. Ich bin dann zu- 
sammen mit Innkaub in der Richtung nach Windhuk 
weitergegangen. 
Vorgelesen, übertragen ins Nama und genehmigt. 
» Geschlossen. 
gez. Richter, Oberrichter. 
gez. Guder, Sekretär als Protokollführer. 
Über Ursachen und Anlaß des Herero- 
Aufstandes äußert sich der Kaiserliche Bezirks- 
amtmann von Swakopmund, Dr. Fuchs, unter dem 
29. Januar d. Is., wie folgt: 
Bel den aufgebotenen großen Mengen von Hereros 
müssen nahezu alle Kapitäne betelligt sein. Von den 
Bergdamaras haben sich wohl nur solche angeschlossen, 
die in den Diensten der Hereros stehen und also 
einem Zwange unterliegen. An sich ist der Berg- 
damara der Knecht des Hereros, dessen Tobfeind. 
Sle würgen sich sonst gegenseitig ab, wo sie können. 
Inwieweit der Oberhäuptling Samuel beteiligt 
ist, ist nicht zu ersehen. Wenn er betelligt ist, handelt 
er vermutlich unter dem Zwange seiner Großleute, 
die ihm wohl nur die Wahl ließen zwischen Abfall 
oder Tod; denn besser, als es ihm persönlich unter 
der deutschen Herrschaft ging, kann es ihm ohne diese 
nicht gut geheu. Zunächst verdankt er seine Ober- 
kapitänschaft der deutschen Regierung. Entgegen dem 
angestammten Erbrecht wurde Samuel zum Ober- 
häuptling gemacht; ein Umstand, der seinem Ansehen 
bei den Hereros von Anfang an im Wege stand. 
Seine Persönlichkeit — er ist ein schlaffer, dem 
Alkohol zuneigender Mensch — war nicht geeignet, 
sein niederes Ansehen zu steigern. Seine energischeren, 
naturgemäß deutschfeindlichen Gegner hatten es 
daher leicht, sel es mit ihm, sei es ohne ihn, im 
geeigneten Moment die Masse der Feldhereros fort- 
zureißen. 
Als Seele der Kriegspartel unter den Hereros 
gilt allgemein Assa Riarua, ein reicher Herero, der 
sich aber nach außen immer den Anschein völliger 
Unbefangenhelt und Unschuld zu geben weiß. Daß 
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eine solche Kriegspartei unter den Hereros bestand, 
war bekannt. Man glaubte aber nicht, daß sie je 
die Oberhand bekommen und namentlich einen so all- 
gemeinen und vorzüglich organisierten Aufstand werde 
anzetteln können. Es ist erstaunlich, daß die offen- 
bar von langer Hand getroffenen Vorbereitungen der 
Hereros unbemerkt geblieben sind. Die Ermordungen 
der Farmer sollen fast alle in derselben Nacht er- 
folgt sein, obwohl weite Landstrecken zwischen ihnen 
liegen. Die Macht, mit der Ouanjo vor Okahandja 
auftrat — Ouanjo ist ein Häuptling aus der Water- 
berger Gegend — war von vornherein außerordent- 
lich stark, so stark, daß sie die Entsatzversuche Wind- 
huks trotz Eisenbahn und Maschinengewehr verelteln 
konnte. Das Vorgehen gegen Okahandja, dos Zer- 
stören der Elsenbahnbrücken, die Beschießung der 
Lokomotiven usw. waren durchaus planmäßig. 
Was den Ausbruchsgrund des Aufstandes anbe- 
trifft, so wird man gut tun, zu unterschelden zwischen 
Ursache und Anlaß des Aufstandes. 
Ursache dürfte der allgemeine Haß der Here- 
ros gegen den Weißen seln. Ihre Devise in dem 
jetzigen Kampfe soll offiziell lauten: „Grausamer Tod 
jedem Weißen ohne Unterschied". Dieser Haß be- 
ruht meines Erachtens, von Rasseantipathien abge- 
sehen, auf der Einengung der Hereros durch den 
Weißen und ihre materiellen wie ideellen Kultur- 
begriffe. Der Herero kennt, soweit ich habe ermitteln 
können, kein Individualeigentum, namentlich nicht an 
Land und Vieh. Land und Vieh gehören dem 
Stamm, namens dessen der Kapitän mit mehr oder 
minder großer Unabhänglgkeit darüber verfügt. Der 
Stamm und seine Angehörigen, dlese mit Hilfe der 
in früheren Jahrhunderten von ihnen unterjochten 
Bergdamaras als Knechte, sind gewohnt, ihr Vieh — 
manchmal viele tausend Stück — frei und unge- 
hindert durch das Land zu treiben, zu welden, wo 
Weide, zu tränken, wo Wasser ist. Plötzlich begegnen 
sie auf ihren Zügen weißen Farmen, deren Eigen- 
tümer ihnen wegen unberechtigter Welde ihre besten 
Stücke Vieh wegpfänden, die Wasserstellen ihnen ver- 
bieten oder nur gegen Viehzahlung gestatten usw. 
Dazu kommt, daß mit dem Weißen gleichzeitig die 
Rinderpest, die Lungenseuche usw., die früher hier 
unbekannt waren, ihren Einzug hielten, durch welche 
die Vlehbestände der Eingeborenen stark gelichtet 
worden sind. Endlich kam der Gerichtsvollzieher — 
eine dem Herero bisher gänzlich unbekannte Er- 
scheinung — und nahm weltere Mengen von Vieh in 
Beschlag. Dabei traf die Tätigkeit der Gerichtsvoll- 
zieher — der offiziellen wie der auf eigene Faust 
handelnden — viel mehr die Kapitäne als die eigent- 
lichen Schuldner. Dazu kommt die große Verschul- 
dung der Hereros an die weißen Händler und deren 
Uübergriffe. 
Daß anderseits die Schwarzen in bezug auf 
ihre Schulden — sit venia verbol! — Drückeberger 
ersten Ranges sind, ihr Vieh vor dem Gläubiger 
verstecken usw., ist ebensowenig zu bezweifeln.
	        
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