der Station zu gehen. Rademacher hatte hierbei
kein Gewehr bei sich. Zu gleicher Zeit kam von
der Statlon her ein eingeborner Diener angelaufen.
Als wir zusammen waren, sagte der letztere zu
Rademacher, daß in der Station die Soldaten er-
schossen seien. Rademacher ging darauf zusammen
mit dem Weißen schnell nach dem Missionshause
zu, während ich zusammen mit Inukaub und noch
zwei Hottentottenjungen (Tauleiter der Karre) weiter
nach der Karre zu ging. In deren Nähe ange-
kommen, sah ich einen großen Haufen Hereros um
die Karre herum, welche heftig schossen und mit
Kirris schlugen. Wir liefen darauf beiseite. Als
das Schießen aufhörte, sah ich von einer Erhöhung
in der Nähe her, daß die Hereros die Karre
plünderten. Die Leichen von Herrn Hoepner und
Watermeyer habe ich nicht gesehen, doch glaube ich
sicher, daß beide getötet sind. Ich bin dann zu-
sammen mit Innkaub in der Richtung nach Windhuk
weitergegangen.
Vorgelesen, übertragen ins Nama und genehmigt.
» Geschlossen.
gez. Richter, Oberrichter.
gez. Guder, Sekretär als Protokollführer.
Über Ursachen und Anlaß des Herero-
Aufstandes äußert sich der Kaiserliche Bezirks-
amtmann von Swakopmund, Dr. Fuchs, unter dem
29. Januar d. Is., wie folgt:
Bel den aufgebotenen großen Mengen von Hereros
müssen nahezu alle Kapitäne betelligt sein. Von den
Bergdamaras haben sich wohl nur solche angeschlossen,
die in den Diensten der Hereros stehen und also
einem Zwange unterliegen. An sich ist der Berg-
damara der Knecht des Hereros, dessen Tobfeind.
Sle würgen sich sonst gegenseitig ab, wo sie können.
Inwieweit der Oberhäuptling Samuel beteiligt
ist, ist nicht zu ersehen. Wenn er betelligt ist, handelt
er vermutlich unter dem Zwange seiner Großleute,
die ihm wohl nur die Wahl ließen zwischen Abfall
oder Tod; denn besser, als es ihm persönlich unter
der deutschen Herrschaft ging, kann es ihm ohne diese
nicht gut geheu. Zunächst verdankt er seine Ober-
kapitänschaft der deutschen Regierung. Entgegen dem
angestammten Erbrecht wurde Samuel zum Ober-
häuptling gemacht; ein Umstand, der seinem Ansehen
bei den Hereros von Anfang an im Wege stand.
Seine Persönlichkeit — er ist ein schlaffer, dem
Alkohol zuneigender Mensch — war nicht geeignet,
sein niederes Ansehen zu steigern. Seine energischeren,
naturgemäß deutschfeindlichen Gegner hatten es
daher leicht, sel es mit ihm, sei es ohne ihn, im
geeigneten Moment die Masse der Feldhereros fort-
zureißen.
Als Seele der Kriegspartel unter den Hereros
gilt allgemein Assa Riarua, ein reicher Herero, der
sich aber nach außen immer den Anschein völliger
Unbefangenhelt und Unschuld zu geben weiß. Daß
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eine solche Kriegspartei unter den Hereros bestand,
war bekannt. Man glaubte aber nicht, daß sie je
die Oberhand bekommen und namentlich einen so all-
gemeinen und vorzüglich organisierten Aufstand werde
anzetteln können. Es ist erstaunlich, daß die offen-
bar von langer Hand getroffenen Vorbereitungen der
Hereros unbemerkt geblieben sind. Die Ermordungen
der Farmer sollen fast alle in derselben Nacht er-
folgt sein, obwohl weite Landstrecken zwischen ihnen
liegen. Die Macht, mit der Ouanjo vor Okahandja
auftrat — Ouanjo ist ein Häuptling aus der Water-
berger Gegend — war von vornherein außerordent-
lich stark, so stark, daß sie die Entsatzversuche Wind-
huks trotz Eisenbahn und Maschinengewehr verelteln
konnte. Das Vorgehen gegen Okahandja, dos Zer-
stören der Elsenbahnbrücken, die Beschießung der
Lokomotiven usw. waren durchaus planmäßig.
Was den Ausbruchsgrund des Aufstandes anbe-
trifft, so wird man gut tun, zu unterschelden zwischen
Ursache und Anlaß des Aufstandes.
Ursache dürfte der allgemeine Haß der Here-
ros gegen den Weißen seln. Ihre Devise in dem
jetzigen Kampfe soll offiziell lauten: „Grausamer Tod
jedem Weißen ohne Unterschied". Dieser Haß be-
ruht meines Erachtens, von Rasseantipathien abge-
sehen, auf der Einengung der Hereros durch den
Weißen und ihre materiellen wie ideellen Kultur-
begriffe. Der Herero kennt, soweit ich habe ermitteln
können, kein Individualeigentum, namentlich nicht an
Land und Vieh. Land und Vieh gehören dem
Stamm, namens dessen der Kapitän mit mehr oder
minder großer Unabhänglgkeit darüber verfügt. Der
Stamm und seine Angehörigen, dlese mit Hilfe der
in früheren Jahrhunderten von ihnen unterjochten
Bergdamaras als Knechte, sind gewohnt, ihr Vieh —
manchmal viele tausend Stück — frei und unge-
hindert durch das Land zu treiben, zu welden, wo
Weide, zu tränken, wo Wasser ist. Plötzlich begegnen
sie auf ihren Zügen weißen Farmen, deren Eigen-
tümer ihnen wegen unberechtigter Welde ihre besten
Stücke Vieh wegpfänden, die Wasserstellen ihnen ver-
bieten oder nur gegen Viehzahlung gestatten usw.
Dazu kommt, daß mit dem Weißen gleichzeitig die
Rinderpest, die Lungenseuche usw., die früher hier
unbekannt waren, ihren Einzug hielten, durch welche
die Vlehbestände der Eingeborenen stark gelichtet
worden sind. Endlich kam der Gerichtsvollzieher —
eine dem Herero bisher gänzlich unbekannte Er-
scheinung — und nahm weltere Mengen von Vieh in
Beschlag. Dabei traf die Tätigkeit der Gerichtsvoll-
zieher — der offiziellen wie der auf eigene Faust
handelnden — viel mehr die Kapitäne als die eigent-
lichen Schuldner. Dazu kommt die große Verschul-
dung der Hereros an die weißen Händler und deren
Uübergriffe.
Daß anderseits die Schwarzen in bezug auf
ihre Schulden — sit venia verbol! — Drückeberger
ersten Ranges sind, ihr Vieh vor dem Gläubiger
verstecken usw., ist ebensowenig zu bezweifeln.