Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

zieht. Denn dieselbe sieht sich bel solcher Lage wider 
Willen gezwungen, selbst in die zu ihrem Berufe 
eigentlich nicht gehörige große Spekulation einzu- 
greifen, bei der ihre etwalgen Erfolge weniger von 
der Arbeit, welche sie verrichtet, als vielmehr von 
dem Gelingen eines Spiels abhängig werden. Wir 
müssen aus allen diesen Gründen die erwähnten 
Versuche, eigene Baumwollkulturen zu schaffen, mit 
großem Interesse begrüßen und haben demselben 
durch einen Geldbeitrag an das Kolonial-Wirtschaft- 
liche Komitee für den gedachten Zweck Ausdruck 
verliehen. Bei der hohen nationalwirtschaftlichen 
Bedeutung dieses Gegenstandes werden zu gegebener 
Zeit hoffentlich auch Bundesrat und Reichstag diesen 
Bestrebungen in unsern Kolonien kräftige Unter- 
stützung angedeihen lassen. Vielleicht werden letztere 
sich dereinst auch dazu geeignet erweisen, uns einen 
zweiten, kaum minder wichtigen Rohstoff, nämlich 
Wolle, in beträchtlichem Maße zu llefern. Sind 
wir auch bezüglich dieses Rohstoffs weniger abhängig 
von den jetzigen Bezugsquellen, so muß doch die 
Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, daß die 
Wollproduktion der Welt schon seit einem Jahrzehnt 
nicht mehr im richtigen Verhältnis zu dem stetigen 
Wachstum der Bevölkerungsziffer geblieben ist und 
daher dem einzelnen Verbraucher der Rohstoff von 
Jahr zu Jahr knapper zur Verfügung steht. 
Erzeugung und verbrauch von Baumwolle. 
Der Vizepräsident der „British Cotton Growing 
Association“ hat für die in Manchester abgehaltene 
Versammlung der „Manchester Statistical Soclety“ 
einen Bericht über die Weltlage der Baumwoll= 
industrie unter besonderer Berücksichtigung des Handels 
und der Aussichten der Baumwollkultur in den be- 
sonders beteiligten Produktionsländern erstattet. Dem 
in unverkürzter Form in der „West African Mail“ 
wiedergegebenen Bericht sind die nachstehenden An- 
gaben entnommen. 
Der Jahresertrag an Rohbaumwolle auf der 
ganzen Welt beträgt etwa 16 000 000 Ballen zu je 
500 Pfund engl. und vertellt sich in abgerundeten 
Bahlen folgendermaßen auf die Haupterzeugungs- 
er: 
länder 
· Ballen 
Vereinigte Staaten von Amerika 11 000 000 
Indien ...... . 3000000 
slgypten..... 1000000 
llle anderen Länder 1 000 000 
fall Auf die Vereinigten Staaten von Amerika ent- 
es en hiernach etwa 70 pCt. der Gesamterzeugung; 
8 ist deshalb erklärlich, daß der Preis auf dem 
Veuimtwollmarkt der Welt im allgemeinen von den 
" ereinigten Staaten festgesetzt wird. Dieser Umstand 
berinträchtigt den Handel, der so, ein einziges Land 
bestimmend, auf den ganzen Weltmarkt einwirkt. Auch 
ein Ausgleich in der Produktion bei etwaigen 
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Mißernten durch die besseren Ernteerträge in anderen 
Ländern schwer möglich, und zudem ist der Speku- 
lation freiere Hand gelassen. 
Zwei wichtige Tatsachen bedürfen bei einem Rück- 
blick über die letzten Jahre besonderer Erwähnung. 
Einmal hielt die Zunahme der indischen Produktion 
nicht stand mit derjenigen anderer Länder. Während 
die Gesamterzeugung Indlens im Jahre 1890 
2700 000 Ballen zu 500 Pfund betrug, stieg sie 
im Jahre 1908 auf 3 000 000 Ballen, d. h. in 
13 Jahren ist eine Zunahme von nur 300 000 Ballen 
zu verzeichnen. Die amerlkanische Mehrproduktion 
belief sich dagegen in den letzten 10 Jahren auf 
3 000 000 Ballen (von 8 000 000 auf 11 000 000), 
während die Erzeugung Agyptens in demselben Zeit- 
raum von 800 000 auf 1 000 000 und dbiejenige der 
übrigen Länder zusammen von 250 000 auf 1 000 000 
Ballen anwuchs. Hätte die Erzeugung Indiens mit 
derjenigen anderer Länder gleichen Schritt gehalten, 
so müßte sie mindestens 3 500 000 Ballen zu je 
500 Pfund aufzuweisen haben. 
Der zweite Faktor, der ins Gewicht fällt, ist die 
mangelnde Ausdehnung, die in den letzten Jahren 
in der Baumwollerzeugung der Vereinigten Staaten 
von Amerika zu verzelchnen ist. Bei einem Vergleich 
der Zahlen der letzten drei Jahre ergibt sich, daß 
die Ernten durchschnittlich wenig mehr als 10 500 000 
Ballen betragen haben, d. h. dieselbe Menge, die sich 
als Durchschnitt der voraufgegangenen dreijährigen 
Periode berechnet. Es folgt hieraus, daß die Welt- 
produktion an Baumwolle, die im Jahre 1898 etwa 
15 500 000 Bollen betrug und in den letzten fünf 
Jahren auf 16 000 000 Ballen gestiegen ist, in 
diesem Zeitraum jährlich durchschnittlich nur um je 
100 000 Ballen gewachsen ist. 
Die Zahl der Spindeln betrug, soweit mit Sicher- 
heit ermittelt werden konnte, in allen Ländern der 
Welt — mit Ausnahme von Japan, China, Kanada, 
Mexiko und Brasilien —: 
Zahl der Spindeln 
  
» 1895 1899 1903 
Grobbritannien 45 400 000 45 500 000 48 000 000 
Kontinent 28200 000 32 500000 34000000 
Verein. Staaten v. 
merika 16 100 000 18 300 O00 22000 000 
ndien. 3 800 000 4700000 5000 000 
zusammen 93 500 000 101000 000 10900000000 
Dazu kommt die Zahl der Spindeln im Jahre 
1903 für: 
Japan. 1 500 000 
China 600 000 
Kanada 700 000 
Mexlko 500 000 
Brasilien 8300 000 
zusammen 89 600 000. 
Für das Jahr 1908 ist die Gesamtzahl der 
Spindeln auf der ganzen Welt hiernach mit 
112 600 000 anzunehmen. )
	        
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