Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

45 km von Grootfontein, beobachtet. Sie war aber 
auch hier nicht größer, als daß sie durch geelgnete 
Maßnahmen im Laufe eines Tages hätte unschädlich 
gemacht werden können. Auch sonstige Schädlinge 
der Kultur sind — abgesehen vom Aufstande — in 
diesem Jahre nicht in erheblichem Maße aufgetreten, 
so daß der Bezirk ohne die Hereroerhebung diesmal 
einen großen Schritt vorwärls gemacht hätte. 
Auf jeden Fall kann nach den Ergebnissen dieses 
Jahres im Zusammenhang mit der Reihe der Regen- 
ziffern seit 1900 und den Angaben der längere Zeit 
im Distrikt ansässigen Bewohner die Ackerbaufrage 
für das Grootfonteiner Gebiet als im Prinzip 
positiv entschleden betrachtet werden: zum mindesten 
für Mais, Kartoffeln und die wichtigsten Gemüse- 
arten. Dieses Ergebnis ist von großer Wichtigkeit 
für die gesamte Kolonie. Wenngleich die für Land- 
bebauung verwendbaren Flächen im Norden keines- 
wegs „unbegrenzt“ sind, so lassen sie doch eine Aus- 
dehnung des Anbaus zu, der für jede irgend abseh- 
bare Zeit den eignen Bedürfnissen der Kolonie 
reichlich genügen wird, auch wenn die Bevölkerung 
sich vervielfachen sollte. Was das bloße verfügbare 
Areal betrifft, so könnte sogar ohne Frage Mais 
auch für den Export gebaut werden. Sobald daher 
durch die Otavibahn die Verbindung des Nordens 
mit den zentralen Landesteilen hergestellt isi, kann 
man unbedenklich deren Verpflegung mit Mois, auf 
den die Eingeborenenkost dann vorzugsweise zu 
basieren wäre (gleich dem britischen Südafrika), der 
Produktlon des Grootfonteiner Distrikts anvertrauen 
und dieser dadurch einen Anstoß zum entsprechenden 
Ausschwung über den lokalen und den Minenbedarf 
hinaus geben. Insofern trägt der Norden auch un- 
abhängig von den jetzigen Kriegsschäden die Be- 
dingungen wirtschaftlichen Gedeihens in sich selbst. 
Auch mit Kartoffeln wird er den größten Teil der 
Kolonie versorgen können und mit frischem Gemüse 
mindestens Swakopmund und die dortselbst an- 
legenden Schiffe. Die Otavibahn gedenkt die Strecke 
von Swakopmund bis Tsumeb in 24 bis 30 Stunden 
zu fahren. Das genügt, um bei geeigneter Ver- 
packung alle weniger empfindlichen Gemüsearten in 
hinreichend frischem Zustande hinunterzubringen, selbst 
wenn noch ein Transport per Ochsenkarre von 
1 bis 2 Tagen bis nach Tsumeb oder einer anderen 
nördlichen Bahnstation hinzutritt. 
Nätürlich wäre es falsch, auch für den begünstigten 
Norden nicht mit zeitweiligen Rückschlägen und Miß- 
lahren zu rechnen. Die Dürre= und Heuschrecken- 
gefahr bleiben immer bestehen, und es ist wohl 
enkbar und wahrscheinlich, daß ein und das andere 
wal auf ein gutes Jahr, wie dieses es geworden 
2 re, ein ganzer oder teilwelser Mißwachs folgt. 
abor ist aber kaum irgend ein Produktionsgebiet 
der Welt gesichert. 
Nicht verschwiegen darf endlich auch werden, daß 
nach einer Reihe verhöltnismäßig fieberarmer Jahre 
leses wiederum eine starke Steigerung der Malaria 
  
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mit sich gebracht hat. Viel trug allerdings dazu 
bei, daß die gesamte weiße Bevölkerung des Distrikts 
— gegen 300 Köpfe — auf der Station Groot- 
fontein unter sanitär zum Teil unbefriedigenden 
(wenn auch kaum vermeidlichen) Umständen konzen- 
triert war. Es gab zeltweilig an 60 Malariakranke 
gleichzeitig, und bei dem Fehlen eines Arztes, das 
auch sonst zu großen Unzuträglichkeiten führte, war 
es nur dem durchgängig milden Charakter des 
Fiebers und der allmählich wachsenden Vertrautheit 
der Weißen mit der rationellen Behandlung der 
Krankheit zu danken, wenn kein einziger Todesfall 
und keine schwerere Komplikation eintrat. 
3. Die Verluste der Ansiedler durch den Herero- 
aufstand und die Entschädigungsfrage. 
Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß 
die Ablehnung bezw. Beschränkung der Entschädigung 
für die Verluste durch den Hereroaufstand eine 
schwerere ökonomische Krisis über das Schutzgebiet 
heraufbeschwören würde, als durch die unmittelbaren 
Folgen des Aufstandes selbst berelts geschehen ist. 
Ebenso würden die großen Aufwendungen für die 
militärische Bewältigung des Feindes alsdann nicht 
den gehörigen Nuheffekt für die wirtschaftliche 
Wiederaufrichtung des Landes haben. Zwei Haupt- 
faktoren verschiedener Art kommen hierbei in Be- 
tracht: ein moralischer und ein materieller. 
Soweit sich bie Sache von hier aus nach den 
eingetroffenen Zeitungs= und sonstigen Nachrichten 
verfolgen läßt, schienen anfangs, vor Ostern, die 
öffentliche Meinung und der Reichstag, in Anlehnung 
an die kundgegebene Überzeugung des Herrn Kolonial- 
direktors, der billigen und ausreichenden Ent- 
schädigung der durch den Aufstand Betroffenen 
günstig zu sein. Hierin muß wohl in der Zwischen- 
zeit ein Umschwung eingetreten sein, und, soviel von 
hier aus geurteilt werden kann, scheint derselbe auf 
die verschiedenen nach Hause gelangten Berichte 
zurückzugehen, wonach die Händler im Hererolande, 
und im weiteren Sinne die ganze weiße Bevölkerung 
selbst, an dem Vorgefallenen die alleinige Schuld 
trügen. Eine solche Auffassung war vielleicht im 
ersten Augenblick unter dem unmittelbaren Druck der 
Ereignisse möglich; bei näherer Erwägung und 
Kenntnis der Verhältnisse ist sie aber in keiner 
Weise haltbar. 
Der Hereroausstand wäre nach Lage der Dinge 
auch ausgebrochen, wenn es nie einen weißen Händler 
im Hererolande gegeben hätte. Das Händlertum 
mit seinen Übergriffen hat zwar sicher zur Er- 
bitterung der Hereros beigetragen, auch hat es den 
Häuptlingen und großen Geschlechtern, auf die der 
Aufstand zurückgeht, das Vorhaben erleichtert, die 
Massen und die Zahl der weniger Begüterten mit 
sich fortzureißen, aber eine andere als diese die 
Situatton zwar verschärfende, ihrem Wesen nach 
indes akzidentielle Rolle hat es nicht gespielt. Die 
Grundursache des Aufstandes liegt in der doppelten 
Tatsache enthalten, daß die Hereros als ein von
	        
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