nicht doch noch eine günstige Wendung in der Ent-
schädigungsfrage eintreten sollte, habe ich an allen
auf meiner Reise berührten Plätzen gefunden: in
Grootfontein, Outjo, Omaruru, Karibib sowie unter
den hierher nach Swakopmund Geflüchteten. Meinen
Bemühungen, die Leute zu beruhigen und zu er-
mutigen, wurde slets nur die eine Frage entgegen-
gehalten: Können Sie uns Zusicherungen darüber
geben, daß die Aufstandsverluste ersetzt werden?
Psychologisch ist bei dieser ganzen Frage der Um-
stand noch von besonderer Bedeutung, daß die ver-
loren gegangenen Werte fast ausnahmslos nicht als
fertiger Besitz ins Land mitgebracht, sondern in
wirklich harter und entbehrungsvoller Arbeit von
den Leuten selbst im Laufe der letzten 5 bis 10 Jahre
diesem gerade anfangs so stelnigen und spröden
Boden abgerungen worden sind. Mag auch, nach
dem Maßstabe altgeregelter, europäischer und nament-
lich deutscher Verhältnisse gemessen, bei den hiesigen
Ansiedlern eine gewisse Rauheit des äußeren Wesens
nicht selten sein, so ist das eine Tatsache, die allen
Kolonialländern, namentlich so jungen wie Deutsch-
Südwestafrika, in gleicher Weise eignet und die
nichts daran ändert, daß hier wirklich ernst und redlich
gearbeitet worden ist, so schwer gearbeitet, daß daraus
allein schon ein besonderes moralisches Anrecht auf
Schadloshaltung aus den reicheren Mitteln des
Mutterlandes hergeleitet werden kann.
Ein Verschulden einzelner Wanderhändler, ein
Verschulden, das übrigens der größte Teil derselben
jetzt mit einem grausamen Tode gebüßt hat, ist nicht
zu leugnen, aber es darf darum nicht die Melnung
aufkommen, daß jene an sich den Ausstand verschuldet
haben, und vollends nicht, daß die Menge der Ge-
schädigten für die Ausschreltungen jener mit verant-
wortlich zu machen ist. Wenn je von einem Kolonlal=
lande, so gilt es von Südwestafrlka, daß hier in
Wahrheit jeder verdiente Groschen ein Ergebnis
ehrlicher und schwerer Arbeit gewesen ist, nament-
lich soweit die durch den Ausstand Geschädigten in
Frage kommen. Weder der Handel noch der Farm-
betrieb geben hier leichtes Brot; wer nicht von
früh bis spät arbeltet, der kommt zu nichts, und
wer zu etwas gekommen ist und Vleh, Haus, Waren,
Werkzeug, Geld oder sonstige Betriebsmittel besessen
(und jetzt verloren) hat, von dem kann man mit
verschwindenden Ausnahmefällen sicher sein, daß dieser
Besitz auch eine sittlich äquivalente Arbeitsleistung
barstellte. Hierin vor allen Dingen, daneben frei-
lich auch in der reglerungsseitig oft und bestimmt
kundgegebenen Auffassung, daß die Kolonie in den
#r Besiedelung freigegebenen Tellen ein pazifizlertes
and sei, liegt der Kern des Anspruchs auf Ent-
schädigung materlell begründet, und wenn denen, die
hier gearbeitet haben und der Frucht ihrer Arbeit
wie der Möglichkeit zur Welterarbeit durch den
Aufstand der Hereros heraubt sind, eine Hilfe, die
wirklich Hilfe ist, versagt wird, so kann das von
en Ansiedlern, wie von den Kaufleuten hier im
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Lande, die mit ihrer Existenz gegenseitig aufeinander
angewiesen sind, nur als eine endgültige Bestätigung
ihres wirtschaftlichen Ruins verstanden werden. Dazu
aber ist dieses Land nach seiner wirtschaftlichen
Zukunft, bei richtiger Wirtschaftsverwaltung, zu gut.
Von denjenigen Teilen der Kolonie, die ich bis-
her aus elgenem Augenschein kennen gelernt habe,
der weiteren Umgebung von Windhuk, dem mittleren
und westlichen des bisherigen Hererolandes (Distrikte
Okahandja, Karibib, Gegend von Omaruru), dem
Distrikt Grootfontein und einem großen Teil des
Bezirks Outjo, stützt sich mein Urteil nicht nur auf
die Erkundung der Verhältnisse bei den Landes-
eingesessenen und das vorhandene wissenschaftliche
Material, sondern auch auf persönliche fortlaufende
Beobachtung aller vorhandenen Kultur und Wirt-
schaftsfaktoren. Für den Süden und Osten der
Kolonte kann ich nur nach mündlichen Auskünften,
nach der Literatur und bis zu einem gewissen Grade
nach Analogieschlüssen urteilen. Ubrigens fallen
gerade diese von mir noch nicht besuchten Gebiete
größtenteils außerhalb der Aufstandsregionen. Die
Zukunst des Landes liegt — abgesehen von den
berelts ausgefundenen oder noch zu erschließenden
Minerallen — in seiner großen Entwicklungsfähigkeit
als Weideland für Groß= und Kleinvieh unter
gleichzeitiger Sicherung der wichtigsten Zerealien
und verwandten Bodenproduktion für den Landes-
bedarf innerhalb der Grenzen der Kolonie selbst:
im Norden. Man muß bedenken, daß die eigentliche
Kolonisierung Südwestafrikas erst seit 10 und die
des Nordens in ihren ersten Anfängen erst seit 4
bis 5 Jahren datiert. Wenn man das erwägt, so
kann die Tatsache, daß sich innerhalb dieser kurzen
Zeit bereits ein Bestand an Rindern von etwa
50 000 Stück und an Kleinvieh von 220 000 Stück
im Besitz von Weißen gebildet hat, keineswegs als
langsame oder zweifelhafte Entwicklung
charakterisiert werden. Im Gegenteil: es ist
relativ rasch gegangen. Australien hat seinerzeit
mit geringeren Ziffern angefangen und seine hohe
Bedeutung als Produktionsgebiet für Groß= und
namentlich Kleinvieh erlangt, obwohl es in seinen
meisten Gegenden von Natur ungünstigere Bedin-
gungen darbot, als Südwestafrika. Solche Beispiele
berechtigen auch uns zu verständigen Hoffnungen —
sobald erst die Entschädigungsfrage in billigem Sinne
reguliert ist.
Aus dem PBereiche der Wirsionen und
der Antishlaverei-Bewegung.
Dem zweiten Heft der Zeitschrift „Afrika“ des
Evangelischen Afrikavereins het wir folgenden
Auszug aus dem Bericht über die Tätigkeit des
Evangelischen Afrikavereins im Jahre 1908:
Im vergangenen Jahre haben besondere Ereig-
nisse, sel es in der Heimat, sei es in Afrika, eine