Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

nicht doch noch eine günstige Wendung in der Ent- 
schädigungsfrage eintreten sollte, habe ich an allen 
auf meiner Reise berührten Plätzen gefunden: in 
Grootfontein, Outjo, Omaruru, Karibib sowie unter 
den hierher nach Swakopmund Geflüchteten. Meinen 
Bemühungen, die Leute zu beruhigen und zu er- 
mutigen, wurde slets nur die eine Frage entgegen- 
gehalten: Können Sie uns Zusicherungen darüber 
geben, daß die Aufstandsverluste ersetzt werden? 
Psychologisch ist bei dieser ganzen Frage der Um- 
stand noch von besonderer Bedeutung, daß die ver- 
loren gegangenen Werte fast ausnahmslos nicht als 
fertiger Besitz ins Land mitgebracht, sondern in 
wirklich harter und entbehrungsvoller Arbeit von 
den Leuten selbst im Laufe der letzten 5 bis 10 Jahre 
diesem gerade anfangs so stelnigen und spröden 
Boden abgerungen worden sind. Mag auch, nach 
dem Maßstabe altgeregelter, europäischer und nament- 
lich deutscher Verhältnisse gemessen, bei den hiesigen 
Ansiedlern eine gewisse Rauheit des äußeren Wesens 
nicht selten sein, so ist das eine Tatsache, die allen 
Kolonialländern, namentlich so jungen wie Deutsch- 
Südwestafrika, in gleicher Weise eignet und die 
nichts daran ändert, daß hier wirklich ernst und redlich 
gearbeitet worden ist, so schwer gearbeitet, daß daraus 
allein schon ein besonderes moralisches Anrecht auf 
Schadloshaltung aus den reicheren Mitteln des 
Mutterlandes hergeleitet werden kann. 
Ein Verschulden einzelner Wanderhändler, ein 
Verschulden, das übrigens der größte Teil derselben 
jetzt mit einem grausamen Tode gebüßt hat, ist nicht 
zu leugnen, aber es darf darum nicht die Melnung 
aufkommen, daß jene an sich den Ausstand verschuldet 
haben, und vollends nicht, daß die Menge der Ge- 
schädigten für die Ausschreltungen jener mit verant- 
wortlich zu machen ist. Wenn je von einem Kolonlal= 
lande, so gilt es von Südwestafrlka, daß hier in 
Wahrheit jeder verdiente Groschen ein Ergebnis 
ehrlicher und schwerer Arbeit gewesen ist, nament- 
lich soweit die durch den Ausstand Geschädigten in 
Frage kommen. Weder der Handel noch der Farm- 
betrieb geben hier leichtes Brot; wer nicht von 
früh bis spät arbeltet, der kommt zu nichts, und 
wer zu etwas gekommen ist und Vleh, Haus, Waren, 
Werkzeug, Geld oder sonstige Betriebsmittel besessen 
(und jetzt verloren) hat, von dem kann man mit 
verschwindenden Ausnahmefällen sicher sein, daß dieser 
Besitz auch eine sittlich äquivalente Arbeitsleistung 
barstellte. Hierin vor allen Dingen, daneben frei- 
lich auch in der reglerungsseitig oft und bestimmt 
kundgegebenen Auffassung, daß die Kolonie in den 
#r Besiedelung freigegebenen Tellen ein pazifizlertes 
and sei, liegt der Kern des Anspruchs auf Ent- 
schädigung materlell begründet, und wenn denen, die 
hier gearbeitet haben und der Frucht ihrer Arbeit 
wie der Möglichkeit zur Welterarbeit durch den 
Aufstand der Hereros heraubt sind, eine Hilfe, die 
wirklich Hilfe ist, versagt wird, so kann das von 
en Ansiedlern, wie von den Kaufleuten hier im 
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Lande, die mit ihrer Existenz gegenseitig aufeinander 
angewiesen sind, nur als eine endgültige Bestätigung 
ihres wirtschaftlichen Ruins verstanden werden. Dazu 
aber ist dieses Land nach seiner wirtschaftlichen 
Zukunft, bei richtiger Wirtschaftsverwaltung, zu gut. 
Von denjenigen Teilen der Kolonie, die ich bis- 
her aus elgenem Augenschein kennen gelernt habe, 
der weiteren Umgebung von Windhuk, dem mittleren 
und westlichen des bisherigen Hererolandes (Distrikte 
Okahandja, Karibib, Gegend von Omaruru), dem 
Distrikt Grootfontein und einem großen Teil des 
Bezirks Outjo, stützt sich mein Urteil nicht nur auf 
die Erkundung der Verhältnisse bei den Landes- 
eingesessenen und das vorhandene wissenschaftliche 
Material, sondern auch auf persönliche fortlaufende 
Beobachtung aller vorhandenen Kultur und Wirt- 
schaftsfaktoren. Für den Süden und Osten der 
Kolonte kann ich nur nach mündlichen Auskünften, 
nach der Literatur und bis zu einem gewissen Grade 
nach Analogieschlüssen urteilen. Ubrigens fallen 
gerade diese von mir noch nicht besuchten Gebiete 
größtenteils außerhalb der Aufstandsregionen. Die 
Zukunst des Landes liegt — abgesehen von den 
berelts ausgefundenen oder noch zu erschließenden 
Minerallen — in seiner großen Entwicklungsfähigkeit 
als Weideland für Groß= und Kleinvieh unter 
gleichzeitiger Sicherung der wichtigsten Zerealien 
und verwandten Bodenproduktion für den Landes- 
bedarf innerhalb der Grenzen der Kolonie selbst: 
im Norden. Man muß bedenken, daß die eigentliche 
Kolonisierung Südwestafrikas erst seit 10 und die 
des Nordens in ihren ersten Anfängen erst seit 4 
bis 5 Jahren datiert. Wenn man das erwägt, so 
kann die Tatsache, daß sich innerhalb dieser kurzen 
Zeit bereits ein Bestand an Rindern von etwa 
50 000 Stück und an Kleinvieh von 220 000 Stück 
im Besitz von Weißen gebildet hat, keineswegs als 
langsame oder zweifelhafte Entwicklung 
charakterisiert werden. Im Gegenteil: es ist 
relativ rasch gegangen. Australien hat seinerzeit 
mit geringeren Ziffern angefangen und seine hohe 
Bedeutung als Produktionsgebiet für Groß= und 
namentlich Kleinvieh erlangt, obwohl es in seinen 
meisten Gegenden von Natur ungünstigere Bedin- 
gungen darbot, als Südwestafrika. Solche Beispiele 
berechtigen auch uns zu verständigen Hoffnungen — 
sobald erst die Entschädigungsfrage in billigem Sinne 
reguliert ist. 
Aus dem PBereiche der Wirsionen und 
der Antishlaverei-Bewegung. 
Dem zweiten Heft der Zeitschrift „Afrika“ des 
Evangelischen Afrikavereins het wir folgenden 
Auszug aus dem Bericht über die Tätigkeit des 
Evangelischen Afrikavereins im Jahre 1908: 
Im vergangenen Jahre haben besondere Ereig- 
nisse, sel es in der Heimat, sei es in Afrika, eine
	        
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